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denkt, oder weil er sich troß der habituellen Kenntnis nicht daran erinnert, handelt aus Unachtsamkeit oder aus Vergessenheit1. Auf die Unachtsamkeit oder Vergessenheit läßt sich fast alles anwenden, was von der Unwissenheit gesagt wurde; auch sie kann freiwillig und unfreiwillig, verschuldet oder unverschuldet sein.

II. Da wir hier die Hindernisse des freien Handelns betrachten, so haben wir jezt zu untersuchen, welchen Einfluß die vorhergehende Unwissenheit auf unser Handeln ausübt. Denn die nachfolgende freiwillige Unwissenheit kann selbstverständlich, insofern sie nachfolgend ist, keinen Einfluß ausüben auf den Willen, aus dem sie als ihrer Ursache hervorgeht. In Bezug auf die ihr folgenden Willensakte aber ist sie nicht mehr nachfolgend, sondern vorhergehend. Wir haben somit nur den Einfluß der vorhergehenden Unwissenheit auf unser freies Wollen zu betrachten. Es lassen sich darüber folgende Säße aufstellen:

1. Die aus unüberwindlicher Unwissenheit hervorgehende Handlung und deren Folgen sind unfreiwillig, können also in keiner Weise dem Handelnden zur Schuld oder zum Verdienst angerechnet

werden.

Die Wahrheit dieses Sazes ergibt sich aus dem, was früher (S. 50) über die Frage gesagt wurde, inwiefern etwas dem Willen als Ursache zugeschrieben werden könne. Nur dasjenige kann dem Willen als der Ursache zugeschrieben werden, was der Verstand erkannt hat. Wir wollen nur, was wir kennen. Nun geschieht aber nach der Vorausseßung die Handlung aus Unwissenheit, also kann sie, insofern sie aus Unwissenheit hervorgeht, nicht gewollt und mit= hin auch nicht freiwillig sein. Höchstens könnte man sagen, sie sei frei, weil die Unwiffenheit irgendwie freiwillig ist. Aber nach der Voraussetzung ist die Unwissenheit unüberwindlich, also nicht freiwillig und somit auch nicht schuldbar. Wenn Ödipus, der König, nach Sophokles in unüberwindlicher Unwissenheit seine Mutter zur Gemahlin nahm, so hatte er keine Schuld: der Fehler war kein formeller, sondern ein bloß materieller und deshalb auch nicht strafwürdig.

Wir behaupteten jedoch in dem aufgestellten Sage: insofern die Handlung aus Unwissenheit geschieht. Denn entschließen wir uns aus Unwissenheit zu einer Handlung, so kann uns selbstverständlich diese nicht unter jeder Rückficht unbekannt sein, sonst wäre sie ja einfachhin unmöglich.

2. Was aus überwindlicher und mithin freiwilliger Unwissen= heit geschieht, ist selbst, wenigstens indirekt, gewollt und freiwillig. Wer die Pflicht erkennt, sich gewisse Kenntnisse zu erwerben, und trozdem freiwillig in der Unwissenheit verharrt, der will auch die Folgen, die sich voraussichtlich aus dieser Unwissenheit ergeben. Er will diese Folgen, wenn nicht in sich selbst, so doch wenigstens in ihrer Ursache, d. h. in der freiwillig gewollten Unwissenheit. Wer die ärztliche Praris antritt im Bewußtsein ungenügender Kenntnis, wird für die Mißgriffe verantwortlich, die er wahrscheinlich tun wird. Je frei=

1 Von der Vergessenheit ist zu unterscheiden die Vergeßlichkeit, d. h. die habituelle Anlage zum Vergessen.

williger und schuldbarer die Unwissenheit ist, um so freiwilliger und schuldbarer sind auch die Folgen, die sich voraussichtlich aus ihr ergeben.

§ 2. Die Begierde.

1. Unter Begierde (S. 68) versteht man jene Leidenschaft, welche die Erreichung eines abwesenden Gutes zum Gegenstande hat. Was wir im folgenden von der Begierde sagen, gilt in gleicher Weise von allen Leidenschaften, die auf das sinnlich Gute hinzielen, wie z. B. von der Luft, Hoffnung usw.

Die Begierde kann in doppelter Weise in uns auftreten, sie kann dem Willen vorauseilen und ihn nach sich zu ziehen suchen, z. B. wenn sich beim Anblick eines Gegenstandes sofort die sinnliche Begierde regt, noch bevor die genügende Überlegung der Vernunft vorhanden ist. Das ist die vorher= gehende und unfreiwillige Begierde. Der Wille kann aber auch selbst die Begierde hervorrufen, dann heißt sie die nachfolgende und gewollte Begierde.

Auf dreifache Weise kann der Wille Ursache der sinnlichen Begierde sein: erstens kann er sie absichtlich wachrufen. In diesem Sinne sagt Aristoteles, der Tapfere handle nicht aus Zorn, aber er gebrauche den Zorn als Hilfsmittel, um sich anzufeuern1. Zweitens kann er freiwillig etwas tun, aus dem voraussichtlich die sinnliche Begierde hervorgehen wird. Drittens kann infolge der heftigen Erregung des Willens eine parallele Bewegung im sinnlichen Begehrungsvermögen entstehen.

2. Die nachfolgende Begierde oder Luft kann auf die Freiwilligkeit des Willensaktes, aus dem sie hervorgeht, keinen Einfluß ausüben. In Bezug auf die ihr folgenden Akte aber ist sie vorhergehend. Die vorhergehende Begierde aber vermindert die Freiheit des Willens. Und zwar in dreifacher Weise: erstens durch Ablenkung. Denn die Dinge, die uns ergößen, ziehen unsere Aufmerksamkeit mächtig auf sich und schwächen dieselbe in Bezug auf andere Gegenstände. Daß wir mehreren Dingen zugleich unsere volle Aufmerksamkeit schenken, ist unmöglich. Daher auch der Spruch: Pluribus intentus minor est ad singula sensus. Zweitens durch Gegensaz. Viele Leidenschaften, besonders die, welche das rechte Maß überschreiten, sind gegen die Vernunftordnung und verderben deshalb das Vernunfturteil, nicht in Bezug auf die spekulative, wohl aber in Bezug auf die unmittelbar praktische Erkenntnis. Denn jeder beurteilt die Dinge entsprechend seinen Neigungen. Wer eine große Neigung zu einem Gegenstande hat, wird ihn höher schäßen. Drittens durch eine Art Fesselung oder Bindung. Die sinnliche Begierde und Lust bringt eine starke Erregung in unserem Organismus hervor, und zwar ist diese Erregung und Veränderung um so größer, je stärker die Begierde und Luft ist. Solche sinnliche Erregungen hindern den freien Gebrauch der Vernunft 2.

Wer also - um das Gesagte durch ein Beispiel zu erläutern bon heftigem Zorn hingerissen jemand tötet, ist weniger frei, als wer dasselbe mit 2 S. Thom. 1, 2, q. 33, a. 3.

1 Ethic. Nic. III, c. 11, 1116 b, 31.

ruhiger Überlegung tut. Der erstere ist deshalb auch weniger schuldbar als der leztere. Der mit kalter Überlegung begangene Mord ist ein viel entseßlicheres Verbrechen als der in wilder Leidenschaft verübte Totschlag und wird deshalb mit Recht viel strenger geahndet.

§ 3. Die Furcht.

Die Furcht (S. 70) ist die zitternde oder niederdrückende Regung, die im sinnlichen Begehrungsvermögen bei der Wahrnehmung eines wahrscheinlich eintreffenden übels entsteht. Was wir von dem Einfluß der Furcht auf den Willen sagen, gilt in ähnlicher Weise von allen Leidenschaften, die das sinnliche übel fliehen.

Je nachdem das drohende übel ein bedeutendes ist oder nicht, wird die Furcht schwer oder leicht genannt. Die schwere Furcht kann wieder absolut oder relativ schwer sein, je nachdem das drohende Übel durchschnittlich für alle Menschen oder nur für bestimmte Klassen von Personen (Frauen, Kinder) schwer ist. Absolut schwer ist z. B. die Furcht vor dem Tode oder vor dem Verlust seines guten Namens.

In Bezug auf den Einfluß der Furcht auf die Freiheit des Handelns gelten folgende Grundfäße.

Erster Grundsah: Was aus bloßer Furcht geschieht, ist zwar einfachhin gewollt, so daß es dem Willen als Ursache zugerechtet werden kann, aber gewöhnlich geschieht es mit positivem Widerstreben des Willens.

Der Grund des ersten Teils der Behauptung ist, weil die Furcht bewirkt, daß sich der Wille tatsächlich zum Handeln entschließt. Die Handlung ist also einfachhin gewollt, so daß jede etwa widerstrebende Neigung hintangesezt wird. Der Dieb, der verfolgt wird, entschließt sich aus Furcht, seine Beute fahren zu lassen. Er tut es aber ungern, d. h. mit innerem, positivem Widerstreben, weil er seine Beute gern behalten möchte. Die Willensneigung, die Beute zu behalten, ist also noch vorhanden, aber sie kommt nicht zum Ausdruck. Dieses trifft in ähnlichen Fällen gewöhnlich zu, wie der zweite Teil der Behauptung aussagt. Denn geschieht die Handlung aus bloßer Furcht, so ist das ein Zeichen, daß die Handlung an und für sich dem Willen mißfällt oder als ein übel erscheint, und daß er sich nur zu ihr entschließt, um einem größeren Übel zu entgehen.

Zweiter Grundsa z. Die Furcht vermindert im allgemeinen die Freiheit des Willens, hebt sie aber nicht gänzlich auf, solange sie nicht die zur Überlegung nötige Besinnung raubt.

Die Furcht vermindert die Freiheit, weil sie die Aufmerksamkeit des Verstandes auf die Größe des übels hinlenkt, dadurch den Willen gewissermaßen aus seinem Gleichgewichte bringt und nach einer bestimmten Richtung hinneigt. Es kann geschehen, daß die Größe der Furcht dem Menschen die Besinnung raubt, dann hört auch die Freiheit auf; aber solange dies nicht der Fall ist, hebt die Furcht die Freiheit nicht gänzlich auf, weil der Wille trog der vorhandenen Schwierigkeit der Furcht immer noch entgegen han= deln kann.

Aus dieser Lehre ergeben sich folgende wichtige Schlußfolgerungen :

a) Wer sich aus Furcht zu etwas seiner Natur nach Sündhaftem bestimmen läßt, versündigt sich, es sei denn, daß ihn der Schreck um die nötige Besinnung gebracht habe. Wer also infolge von schweren Drohungen einen Mord, Ehebruch, Meineid usw. begeht, versündigt sich schwer, solange er die erforderliche Besinnung hat, obwohl seine Schuld geringer ist als die eines andern, der dieselben Ver= brechen aus freien Stücken begeht, und auch geringer als die Schuld des Urhebers der Drohungen.

b) Anders ist jedoch zu urteilen, wenn es sich um Dinge handelt, die nicht ihrer Natur nach, sondern bloß infolge freien Verbotes eines Obern böse find. Auch in solchen Dingen hebt die Furcht die Freiheit und Verantwortlichkeit nicht auf, wohl aber sehr oft die Verpflichtung des Gebotes. Denn jeder vernünftige Gesetzgeber richtet die Verpflichtung seiner freien Gebote nach den Durchschnittskräften seiner Untertanen, verlangt also nichts von ihnen, was dieses Kräftemaß überschreitet. Das wäre aber der Fall, wenn er von bestimmten Ausnahmen abgesehen auch dann die Beobachtung des Gesetzes fordern wollte, wenn dieselbe mit schweren Nachteilen verbunden ist.

§ 4. Der Zwang.

Unter 3wang verstehen wir die jemand von außen her angetane Ge= walt. Wir handeln dann gezwungen, wenn eine äußere Ursache gegen unsern Willen unsere Fähigkeiten und Glieder in Bewegung seßt. Wer z. B., von physischer Gewalt genötigt, gegen seinen Willen unterschreibt, handelt aus Zwang. Eine solche gezwungene Handlung ist natürlich von dem Opfer des Zwanges nicht gewollt, sie kaun ihm also auch nicht als seine Handlung zugeschrieben und zur Schuld oder zum Verdienst angerechnet werden. Sobald jedoch der Wille aufhört, dem von außen kommenden Zwang zu widerstreben, ist die Handlung nicht mehr einfachhin gezwungen; ja sie kann in diesem Fall, wenigstens indirekt oder negativ, d. h. durch freiwillige Zulassung, freiwillig gewollt und mithin auch strafwürdig oder verdienstlich sein. So waren die Leiden Jesu Christi und der Märtyrer nicht einfachhin gezwungen (gewaltsam), weil sie denselben nicht nur nicht widerstrebten, sondern sie um höherer Zwecke willen gerne duldeten.

Zwang antun kann man dem Menschen nur in Bezug auf seine äußeren Handlungen, nie in Bezug auf seinen Willen. Es ist ein Widerspruch, daß eine Willensbetätigung gezwungen sei. Wer Zwang erleidet, tut etwas völlig gegen seinen Willen. Nun ist es aber ein Widerspruch, daß der Wille etwas wolle, was er gar nicht will. Sobald der Wille etwas will, strebt er nach demselben, widerstrebt ihm also nicht mehr. Gott selbst kann den menschlichen Willen zwar nötigen1, er kann durch seine Allmacht den Willen nach einer beliebigen Richtung hin bewegen, aber zwingen im eigentlichen Sinne kann er ihn nicht, weil er nicht bewirken kann, daß der Wille etwas wolle und doch zugleich nicht wolle.

1 S. Thom., De verit. q. 22, a. 8: Deus potest immutare voluntatem de necessitate, non tamen potest eam cogere.

Zweites Buch.

Von der Bestimmung des Menschen.

Bisher haben wir die Natur des Menschen und die Art seines Handelns nach der physischen Seite untersucht. Wir kennen jezt den, dessen Handlungen zu ordnen sind. Nun wenden wir uns zur Betrachtung der Bestimmung oder des Endziels, auf welches alles menschliche Tun gerichtet sein soll. Es ist unmöglich, in eine Vielheit von Handlungen Einheit und Ordnung zu bringen, wenn man nicht weiß, worauf dieselben abzielen, und was durch sie erreicht werden soll, wie die Richtung der Bewegungen durch das Ziel, so wird die Richtung der menschlichen Handlungen in letter Instanz durch ihr höchstes Endziel bestimmt. Dieses Endziel ist aber kein anderes als das Ziel des Menschen selbst. Wir haben also zu untersuchen, welches der lezte und höchste Zweck ist, um dessentwillen der Mensch auf Erden lebt.

Wir gehen in unserer Untersuchung von der Grundwahrheit aus, daß der Mensch, wie alle sichtbaren und unsichtbaren Dinge um uns her, aus der allmächtigen Hand Gottes, des Schöpfers Himmels und der Erde, hervorgegangen ist. Diese Wahrheit ist zwar durch die chriftliche Offenbarung zur volleren Kenntnis gebracht worden; doch läßt sie sich auch mit dem bloßen Lichte der Vernunft, also auf rein philosophischem Wege, mit Sicherheit nachweisen. Diesen Beweis erbringt die natürliche Theologie (Theodicee), d. h. jener Teil der Philosophie, der sich mit dem Dasein und den Eigenschaften Gottes sowie mit seinem Verhältnis zur Welt befaßt1. Wir können uns selbstverständlich an dieser Stelle nicht in das Gebiet der Theodicee verlieren und eingehend die Beweise für das Dasein Gottes erbringen 2.

Glücklicherweise ist das für unsern Zweck, selbst rein philosophisch betrachtet, nicht streng notwendig. Die moderne Naturforschung belehrt uns, daß unsere Erde einst in einem Zustande sich befand, in dem organisches Leben unmöglich war; sie hat ferner den klaren Beweis erbracht, daß es eine „Urzeugung“

1 Man wird uns vielleicht vorwerfen, daß wir die Moral auf die Theologie gründen, daß unsere Sittenlehre theologisch sei (vgl. v. Giżycki, Moralphilosophie 145). Das sind Schlagwörter, die aus der Wissenschaft verbannt sein sollten. Spricht man von Theologie ohne weiteren Zusak, so versteht man darunter die Wissenschaft von Gott und göttlichen Dingen auf Grund der übernatürlichen Offenbarung. In diesem Sinne ist unsere Moral nicht theologisch. Wir bauen auf rein philosophischen Grundlagen. Will man aber um eben ein Schlagwort zu haben jede, auch die wissenschaftliche Überzeugung vom Dasein eines persönlichen Gottes und die darauf ge= gründeten philosophischen Schlußfolgerungen „theologisch" nennen, dann allerdings ist unsere Moral theologisch. Dann muß man aber Plato, Aristoteles, Cicero, Kepler, Newton und selbst Kant zu den „Theologen" rechnen.

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2 Wir verweisen beispielsweise auf Gutberlet, Apologetit I 120 ff; T. Pesch, Die großen Welträtsel II 282; A. M. Weiß, Apologie des Christentums3; Schanz, Apologie des Christentums; Braig-Duilhé de Saint-Projet, Apologie des Christentums auf dem Boden der empirischen Forschung (1889); Hammerstein, Die Beweise für das Dasein Gottes (1891); Hontheim, Institut. theodicaeae n. 182 ff; Lehmen, Lehrbuch der Philosophie; Reinhold, Die Welt als Führerin zu Gott; Geyser, Das philosophische Gottesproblem in seinen wichtigsten Auffassungen.

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