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Jesus aus Nazareth hat die obigen Worte positiv ausgedrückt. „Alles was ihr wollt, dass euch die Leute thun sollen, das thut ihr ihnen, das ist das Gesetz und die Propheten" (Math. 7, 12). Aber diese Position kann eben als eine solche, als Grundsatz der Rechtslehre nicht gelten, und als Grundsatz der Tugendlehre sagt sie viel zu wenig. Es gibt Dinge, die die Tugendlehre gebietet, die aber der Mensch durchaus nicht haben will. Ist es nicht eine Gemeinschaftspflicht, das Verbrechen nicht ungeahndet zu lassen, und will da der Richter, dass man ihm auch so thue? Auch kann dieser Satz leicht missgedeutet werden, und Religionsverfolgungen und gewaltsame Bekehrungen rechtfertigen. Warum sollte ich nicht die unglückseligen Nebenmenschen aus lauter Liebe zwingen, der ewigen Seligkeit theilhaftig zu werden? Möchte ich nicht ebenfalls wünschen, zeitlich zu leiden, um dadurch die ewige Seligkeit zu erlangen? Ferner, gesetzt ein Mensch würde den Tod wünschen, er wäre z. B. von Spleen befallen, und möchte gern haben, dass ihn ein anderer Mensch umbrächte, dieser dürfte also nach dieser Position einen Andern umbringen. Ich gestehe zwar, dass es köstliche Worte sind in einer ReligionsDoctrin, und auch Maimonides hat sie als Position: „Alle Dinge, die du willst, dass Andere dir thun möchten, die thue auch deinem Bruder" (H. Abel 14, 1); aber zum obersten Grundsatz der Gesellschaftspflichten taugen sie nicht. Aber der talmudische Grundsatz sagt Alles aus. Ahme Gottes Eigenschaften nach! Gott ist gnädig gegen alle Menschen; er ist freilich auch eine rächende Macht, da man aber Gott nicht beleidigen kann (§. 14 Erläuterung), so kann auch seine Rache keine persönliche sein, sondern er rächt das Unrecht, welches Andern geschiehte. Darum drohet Gott sogar mit seiner Gnade. „Geschiehte dass er" der Gedrückte gegen dich ,,schreiet, so werde ich es hören, denn ich bin gnädig" (2. B. M. 22, 26); die selber erlittene Beleidigung kann wohl ein mitleidvolles Gemüth nicht rächen; aber je milder, gnädiger und mitleidsvoller das Gemüth ist, je mehr wird es sich empört fühlen über Unrecht an Andern verübt. Und eben eine solche Rache wie Gott sie übt, nicht in eigener Sache, weil man gegen ihn nichts verschulden kann, sondern als Bestrafer des gethanenen Unrechtes, ist auch dem Menschen nicht nur erlaubt, sondern geboten: dass Verbrechen darf nicht ungesühnt bleiben.

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„Zu mir"

Und auf diesen Grundsatz scheint auch die heil. Schrift hinzudeuten. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Ich Gott" (3. B. M. 19, 18). Man soll die Nächsten so lieben, wie Gott die Menschen liebt; es soll keine pathologische Liebe sein, die Liebespflichten sollen nicht darum ausgeübt werden, weil ich will, dass andere Leute mir eben so thun sollen, eine solche Liebe hat keinen echt sittlichen Werth; sondern nachahmen soll der Mensch die Gottesliebe, welche gewiss ganz ohne Interesse ist, weil man Gott nichts vergelten kann.

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Und eben darum muss die Menschenwürde in allen Menschen geachtet werden. Es verlangt zwar kein Tugendgesetz alle Menschen auf gleiche Weise zu lieben; man kann und soll z. B. Jenen, der durch seine Individualität sich der Achtung der Menschen unwürdig macht, nicht auf eine gleiche Weise lieben, wie den Tugendhaften; ja da man das Laster verabscheuen muss, so ist es unmöglich keinen Abscheu gegen den Lasterhaften zu fühlen, wie der Talmud sehr richtig bemerkt: Wer das Gesetz schändet, dessen Selbst wird auch unter den Menschen geschändet" (Aboth 4, 6); und auch die Liebe Gottes für die Menschen können wir uns nicht für Alle gleich denken; welchen Vorzug hätte dann der Tugendhafte vor dem Lasterhaften? Aber gänzlich hört die Liebe Gottes nicht auf, selbst für den grössten Verbrecher nicht (§. 9. Erläuterung). So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr, ich will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er ablasse von seinem Wandel und lebe" (Ezechiel 33, 11); so muss auch für uns ein jeder Mensch, in Bezug auf die ihm innewohnende Menschheit (Ebenbild Gottes), immer ein Gegenstand der Liebe sein. „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst, das lehrt, dass man für den zum Tode verurtheilten Verbrecher eine leichte Todesart wählen, und ihn durchaus nicht beschämen soll" (Sanhedrin 45 a. u. a. O.): also auch auf den grössten Verbrecher erstreckt sich das Gebot der Nächstenliebe.

Was daher die Christen die Juden anklagen, sie haben Jesus gekreuzigt, ist, in so fern es als Anklage gegen das Judenthum gebraucht wird, d. h. als wäre diese That, wenn sie allenfalls geschehen, in Folge der jüdischen Religion oder der jüdischen Gesetzgebung geschehen, durchaus falsch; nach der Gesetzgebung konnten vielleicht die Juden Jesus zum

Tode verurtheilt, aber durchaus nicht gekreuzigt haben; diese grausame Todesart kennen die jüdischen Gesetze nicht, und wie wir eben gesehen, darf unter keinem Falle, und wäre das allergrösste Verbrechen begangen worden, eine martervolle Todesart angewendet werden. Wenn daher Jesus den Tod am Kreuze nach Gesetzen erlitten hat, so können es nur die römischen Gesetze, und also nur die Römer gewesen sein, die diese Todesart applicirt haben. Dieses scheint ausdrücklich im Ev. Johannes angedeutet zu sein. „Da sprach Pilatus zu ihnen: So nehmet ihr ihn hin, und richtet ihn nach eurem Gesetz. Da sprachen die Juden zu ihm: Wir dürfen niemand tödten. Auf dass erfüllt werde das Wort Jesu, welches er sagte, da er deutete, welchen Tod er sterben werde" (Joh. 18, 31 und 32); aus diesem gehet augenscheinlich hervor, dass, wenn er von den Juden nach ihrem Gesetze getödtet worden wäre, er dieses Todes (der Kreuzigung) nicht hätte sterben können. Von allen vier Evangelisten wird zwar erzählt, dass die Juden die Kreuzigung verlangt haben, aber welche Juden waren es, die dieses Verlangen gestellt haben? Aus Markus (15, 13), Lucas (23, 21), und Johannes (19, b.) ist zu entnehmen, dass es bloss ein Schrei der Pöbelwuth, aber keineswegs ein Verlangen des jüdischen Gerichtes war; und selbst Mathias (27, 22 und 23) widerspricht diesem nicht ganz. Aber sei dem wie ihm wolle, da einmal erwiesen ist, dass weder die grausame Todesart selbst, noch das Verlangen nach derselben, nach der jüdischen Gesetzgebung geschehen sein kann; so verdienten höchstens die Zeitgenossen Jesus einen Vorwurf, aber keineswegs die Juden, weil sie, wenn sie es gethan, keines Falls als Juden, d. h. nach dem jüdischen Gesetze, gethan haben können.

S. 28.

Die erste Gesellschaftspflicht des Tugendgesetzes ist die Gerechtigkeitspflicht; jeder Mensch ist schuldig die Rechte Anderer zu respectiren, so wie Andere sein Recht respectiren müssen. Es fordert aber zugleich auch eine Billigkeit, der Mensch soll und muss mehr thun als das strenge Gesetz der Gerechtigkeit erheischt.

Erläuterung. Das Recht ist das nothwendigste Bedingniss der menschlichen Gesellschaft, und wer sich ihm nicht

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fügen will, der kann hiezu gezwungen werden; die höhere Weihe, die das Tugendgesetz dem Rechte ertheilt, bestehet eben darin, dass in Folge desselben der Mensch die Rechtspflichten nicht aus Zwang vollziehe, sondern um des Gewissenswillen, aus Achtung für das Gesetz. Nach dem Talmud ist ein Mensch, der sich verklagen lässt natürlich begründet verklagen lässt tauglich zum Richter, weil dieses zeigt, dass es ihm an innerem Rechtssinn fehlt. Maimonides sagt, und beweist es aus der Schrift: „Ein Richter muss folgende Eigenschaften haben: Klugheit, Bescheidenheit, Gottesfurcht, Uneigennützigkeit, Liebe zur Wahrheit, Menschenliebe und einen guten unbefleckten Ruf" (H. Sanhedrin 2, 7).

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Gerechtigkeit stehet weit höher als Billigkeit, es gibt keine Zeit und kein Verhältniss, welches den Menschen berechtigen könnte, nicht gerecht zu sein; es gibt aber gar viele Fälle, wo der Mensch nicht billig sein darf, z. B. der Richter gegen einen verstockten Verbrecher. Es ist dir gesagt, o Mensch, was gut ist, und was Gott fordert von dir: das Recht üben, und Liebe zum Wohlthun" (Micha 6, 8). Das Recht muss immer geübt werden, das Wohlthun aber kann der Mensch nicht immer, und darf es oft nicht immer üben, darum wird ihm blos die Liebe dafür zur Pflicht gemacht. „Der da spricht: das Deinige sei mein, und das Meinige sei mein" - d. h. er will wohl von Andern sein Recht respectirt haben, will aber nicht das Recht des Andern respectiren „ist ein Gottloser" (Aboth 5, 10).

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Aber mit diesem allein begnügt sich das Tugendgesetz nicht, sondern es gebietet auch die Billigkeit: „Wer da sagt das Meinige sei mein, und das Denige sei dein, handelt nach dem Character von Sodom" (ds.), denn das ist die absolute Gerechtigkeit, ohne die geringste Billigkeit. „Jerusalem wurde zerstört, weil dessen Einwohner blos das gethan haben, was die Gerechtigkeit gebietet, aber nicht mehr als die Gerechtigkeit erheischt" (B. Meziah 30, b). Die Billigkeit aber muss ebenfalls entströmen aus einem innern Tugendgefühl, nicht aber weil man wieder von Andern Billigkeit für sich erwartet (§. 27 Erläuterung). „Der da spricht: Das Meinige sei dein, und das Deinige sei mein." d. h. das Meinige sei darum dein, weil das Deinige wieder mein

sein soll

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„der ist ein Unwissender. Der da spricht: Das Meinige sei dein, und das Deinige sei dein" d. i. Billigkeit ohne Absicht auf Vergeltung ist ein frommer Mann" (Aboth 5, 10).

Es muss noch bemerkt werden, dass nach der talmudischen Lehre manche Billigkeitspflichten sogar erzwungen werden können. Was z. B. dem Andern nützt, und dem Menschen selbst nicht schadet, dass muss dieser geschehen lassen, und kann hiezu gezwungen werden, wie der Talmud sich ausdrückt: „Man zwinge wegen eines Charakters von Sodom,,(Siehe Civilrecht §§. 342,368). Die übrigen Billigkeitspflichten, welche zu Rechtspflichten wurden, gehören in das talmudische Civilrecht.

S. 29.

Jeder Schaden, einem Andern zugefügt an Leben und Gesundheit, direct, oder indirect ist rechtlich verboten; es sei denn zur Selbstvertheidigung, oder zur Vertheidigung eines Verfolgten, wenn diese Vertheidigung auf keine andere Weise geschehen könnte: das Tugend_ gesetz macht noch die Erhaltung Anderer und die Rettung Anderer zur Pflicht.

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Erläuterung. Will dich Jemand umbringen, so fördere dich und bringe ihn um," so lautet ein talmudisches Sprichwort; auch die Vernunft erklärt die Tödtung zur Selbstvertheidigung als zulässig, und sogar als Pflicht. Aber nicht nur zur Selbstvertheidigung, auch zur Vertheidigung eines Andern. „Siehet man, dass Jemand einen Menschen verfolgt, um ihn zu morden, oder eine verlobte Jungfrau, um sie zu schänden, so muss man die Verfolgten retten, selbst wenn es geschehen müsste durch Tödtung des Verfolgers" (Sanhedrin 72 b. und 82 a). Merkwürdig ist, dass während ein beabsichtigter Mord oder ein beabsichtigtes Incest selbst mit Tödtung des Beabsichtigers verhindert werden muss, darf ein beabsichtigter Götzendienst nicht durch Tödtung des Beabsichtigers verhindert werden, obwohl dieses das höchste religiöse Verbrechen, eine Lossagung von Gott und Glauben ist (Ds. 73 a. Siehe auch Maim. H. Rozeach 1, 11).

Aber die Tödtung des Verfolgers ist nur dann gestattet, wenn der Verfolgte auf keine andere Weise zu retten wäre.

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