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mitkämpfenden Soldaten beruft (vielleicht hatte er sie 398 unter den Truppen Mascezels kennen gelernt), schließt die gleichzeitige Benutzung einer schriftlichen Quelle nicht aus.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch vor Anwendung unbilliger Maßstäbe im Urteil über die alten Historiker warnen. S. 455 wird dem Rufin bewußte Geschichtsfälschung in maiorem Dei gloriam nachgesagt, S. 459 er mit Eunapius den notorischen Fälschern zugerechnet. Seine Kritiklosigkeit, Flüchtigkeit, Unwissenheit sind wahrhaftig groß genug; er ist ein kleiner Geist und gar nicht zum Historiker geboren; aber hat er wohl je mit Bewußtsein gelogen? In jenem Aufsatz wird weiterhin Theodorets Wahrheitsliebe „mehr als zweifelhaft" genannt (S. 459). Dessen Kirchengeschichte ist auch kein Meisterwerk, aber seine Wahrheitsliebe würde ich doch noch um ein Erhebliches höher einschätzen als die des Rufin. Wenn man Theodorets Behauptung, Theodosius habe gegen vielfache Übermacht gekämpft und sei nur durch die Hilfe Gottes gerettet worden, als „zweifellos tendenziöse Erfindung“ (S. 463 n. 6) bezeichnet, so wird dem Begriff „Tendenz“ doch wohl eine Ausdehnung gegeben, die schon gefährlich ist. Dann ist fast jeder Bericht eines Interessierten tendenziös, heute wie im Altertum. In bezug auf die Schlacht am Frigidus haben doch gerade die hoffentlich in der Hauptsache abschließenden Untersuchungen von Seeck und Veith den großen Wert von Rufins Bericht wenn man nur abzieht, was der Kritiker bei jedem Berichterstatter in Abzug bringt erwiesen.

Personalien.

Bruno Keil-Straßburg ist für H. Lipsius, der vom Lehramt zurücktritt, nach Leipzig berufen worden; sein Nachfolger in Straßburg wird Ed. Schwartz-Freiburg, der damit in seinen alten Wirkungskreis zurückkehrt. Dante Vaglieri, Professor der Epigraphik an der Universität Rom, der auch als Leiter von Ausgrabungen, zuletzt in Ostia, sich große Verdienste erworben hat, ist am 12. Dezember 1913 in Ostia am Gehirnschlag gestorben. Sein Nachfolger wird Ettore Pais.

Arthur Rosenberg hat sich in Berlin für alte Geschichte habilitiert.

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Die römische Industrie.

Wirtschaftsgeschichtliche Untersuchungen.

Von Herman Gummerus.

I.

Das Goldschmied- und Juweliergewerbe.

Einleitung.

Eine Geschichte der römischen Industrie besitzen wir noch nicht. Nur über einzelne Seiten ihrer Entwickelung liegen zusammenfassende Untersuchungen vor, so über die technischen Fragen in der bekannten Arbeit von H. Blümner und über die Handwerkervereine in dem großen, für lange Zeit abschließenden Werke von P. Waltzing. Fragt man aber nach den Organisationsformen und der volkswirtschaftlichen Bedeutung der industriellen Produktion sowie nach der geschichtlichen Entwickelung und der sozialen Gliederung des Handwerkerstandes, so ist man teils auf veraltete oder mit ungenügendem Quellenmaterial ohne wahres historisches und nationalökonomisches Verständnis verfaßte Darstellungen, teils auf eine unübersehbare Menge Einzeluntersuchungen angewiesen.

Daß es auf diesem Gebiete noch keine auch einigermaßen befriedigende zusammenfassende Darstellung gibt, beruht teils darauf, daß in vielen Punkten die nötigen Vorarbeiten fehlen, teils auf der großen Ungleichmäßigkeit des Forschungsmaterials. Es kommen zunächst die literarischen Quellen in Betracht. Was aus diesen für die Kenntnis der römischen Industrie zu gewinnen ist, liegt größtenteils in den Handbüchern gesammelt vor und ist auch längst von der Forschung verwertet worden. Dagegen hat das sehr reiche epigraphische Material bis jetzt nicht entfernt die Beachtung gefunden, die es verdient. Was mit Hilfe dieses Materials geleistet werden kann, hat P. Waltzing durch seine oben erwähnte Arbeit über die römischen Handwerkervereine gezeigt. Allein außer den Inschriften, die sich auf diese beziehen, kommen auch die zahlreichen Grab- und Votivinschriften römischer Handwerker in Betracht. Einen lobenswerten Klio, Beiträge zur alten Geschichte XIV 2.

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Versuch diese statistisch zu verwerten, bezeichnet die kürzlich erschienene Dissertation von G. Kuehn1). Mit Hilfe der Inschriften sucht der Verfasser die Verteilung der Handwerker der verschiedenen Gewerbe auf die drei Stände der Freigeborenen, Freigelassenen und Sklaven zu ermitteln. Freilich läßt die Vollständigkeit der Materialsammlung sowie die Forschungsmethode des Verfassers viel zu wünschen übrig. Ein grundsätzlicher Fehler war es zum Beispiel, alle diejenigen Handwerker, die zu dem kaiserlichen Hause oder einer privaten Familie gehörten, von der Statistik auszuschließen, ganz abgesehen davon, daß der Verfasser bei dieser Trennung ohne genügende Prüfung der einzelnen Inschriften verfahren hat. So sind auch die gewonnenen Resultate der hübschen Abhandlung in keiner Richtung abschließend.

Wie reich auch das epigraphische Material ist, so wird doch seine Brauchbarkeit durch die ungleichmäßige Verteilung auf verschiedene Länder und verschiedene Gewerbe sehr vermindert. Hier kommt uns in vielen Fällen die archäologische Forschung zu Hilfe. Mit jedem Jahre mehren sich durch die Ausgrabung römischer Städte und römischer Villen die Entdeckungen von Werkstätten und Handwerkerwohnungen. Noch größere Bedeutung hat die planmäßige Untersuchung der Überreste der industriellen Produktion. Wie interessante Ergebnisse diese Forschung auch für die Wirtschaftsgeschichte geben kann, zeigen auf dem Gebiete der Keramik die Arbeiten von Dragendorff, S. Loeschcke und Déchelette, auf dem der Bronzeindustrie diejenigen von H. Willers. Es ist einer der empfindlichsten Fehler der bisherigen Darstellungen auf unserem Gebiete, daß sie dieses archäologische Forschungsmaterial fast vollständig vernachlässigen.

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Vorliegende Abhandlung wird die erste sein in einer Serie „wirtschaftsgeschichtlicher Untersuchungen", in welchen der Verfasser mit Heranziehung alles zugänglichen Materials die Betriebsformen der römischen Industrie und die Zusammensetzung und wirtschaftlich-soziale Lage des römischen Handwerkerstandes unter möglichst strenger Beobachtung der geschichtlichen Entwickelung behandeln wird.

Von dem Bestande unseres Quellenmaterials hängt es ab, daß die Untersuchung hauptsächlich die spätrepublikanische Zeit und die frühere Kaiserzeit umfassen wird. Dabei war die Frage zu stellen, ob sie das ganze Gebiet des römischen Reiches berücksichtigen oder sich auf die westliche, lateinische Hälfte beschränken sollte. Ich habe mich für die zweite Eventualität entschlossen. In Erwägung kam erstens, daß die auf das Handwerk bezüglichen Inschriften aus der östlichen Reichshälfte mit denjenigen aus dem Westen weder an Zahl noch an inhaltlicher Bedeutung zu vergleichen sind; zweitens die große Verschiedenheit der griechisch

1) G. Kuehn, De opificum Romanorum condicione privata quaestiones. Halle 1910.

orientalischen Verhältnisse von den römisch- okzidentalischen gerade auf unserem Gebiete. Nur in den ägyptischen Papyri römischer Zeit liegt eine reiche Fülle wertvoller, sehr interessanter Notizen über das Handwerk und den Stand der Handwerker vor. Die erste zusammenfassende Bearbeitung dieses Materials liegt jetzt in der schönen Abhandlung von Theodor Reil vor1). Aber gerade hier, im Lande der Pharaonen, sind die wirtschaftlichen und sozialen Zustände so eigenartig und unterscheiden sich so sehr von denjenigen der westlichen Provinzen des Reiches, daß eine Verwertung dieses Materials für unsere Untersuchung ausgeschlossen ist. Schon die Tatsache, daß die Handwerker in Ägypten durchweg freier Geburt waren 2), und das Vorkommen des von der Ptolemäerzeit übernommenen Systems der Staatsmonopole in verschiedenen Gewerbezweigen3) auch im Goldschmiedgewerbe4) zeigen diesen Unterschied zur Genüge. - Doch wird gelegentlich, wenn das von dem Gange der Untersuchung bedingt ist, auf griechisch - orientalische Verhältnisse Rücksicht genommen werden.

Um die Untersuchung zu vereinfachen schien es zweckmäßig, jedes einzelne Hauptgewerbe für sich zu behandeln. Empfohlen wird diese Zerlegung der Arbeit namentlich durch die oben berührte Ungleichmäßigkeit des Quellenmaterials, die für das eine Gewerbe die Grab- und Votivinschriften, für das andere Fabrikstempel und archäologische Forschungsresultate in den Vordergrund stellt.

Für das Goldschmied- und Juweliergewerbe, mit dem der Anfang gemacht wird, kommt in erster Linie das epigraphische Material in Betracht. Eine notwendige Vorarbeit der Untersuchung muß also sein, alle auf dieses Gewerbe bezüglichen Inschriften zu verzeichnen und kritisch zu prüfen. Vorangeschickt wird eine philologisch-antiquarische Musterung der in Frage kommenden lateinischen Berufsbenennungen in der Absicht, dem Verzeichnis der Inschriften einen sicheren Grund zu schaffen. Es folgt im dritten Kapitel eine Darstellung der geschichtlichen Entwickelung des Gewerbes.

Die Inschriften werden, soweit sie in unser Verzeichnis aufgenommen sind, nur unter den betreffenden Nummern desselben angeführt.

1) Theodor Reil, Beiträge zur Kenntnis des Gewerbes im hellenistischen Ägypten. Diss., Leipzig 1913. Die Arbeit behandelt sowohl die ptolemäische als die römische Zeit.

2) Wilcken, Ostraka I 703. Reil a. a. O. S. 170 ff.

3) Mitteis -Wilcken, Grundzüge 239 ff. Reil a. a. O. S. 11ff.

4) Wilcken, Grundzüge I 256; Chrestomathie Nr. 318: Pachtangebot aus dem

J. 128 n. Chr. Reil a. a. O. S. 12.

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Kapitel I.

Die verschiedenen Zweige des Goldschmied- und Juweliergewerbes. Die gewöhnliche Bezeichnung eines Goldschmieds war und blieb bis in die späteste Zeit hinein aurifex1). Daneben kommt als substantiviertes Adjektivum vereinzelt aurarius (= faber aurarius), gewöhnlich in Verbindung mit argentarius, vor. Daß diese Benennung die ältere wäre, die später durch aurifex verdrängt worden sei, wie Habel2) meint, läßt sich nicht nachweisen. Aurifex wird schon von Plautus benutzt, wogegen aurarius, das als Adjektivum ebenso alt ist3), als Substantivum erst in einigen Inschriften aus der Kaiserzeit vorkommt4). Eher hat man mit Blümner) anzunehmen, daß die aurarii hauptsächlich als Vergolder beschäftigt waren, denn in den Glossen) wird das Wort mit zovooris wiedergegeben. In der spätesten Zeit tritt aurarius als Synonym für susceptor aurarius auf7).

Ursprünglich waren wohl in dem Gewerbe der aurifices alle Handwerker einbegriffen, die in edlen Metallen und Edelsteinen arbeiteten, und auch später hat es natürlich immer Goldschmiede gegeben, die alle die verschiedenen Zweige des Gewerbes ausübten. Aber der steigende Luxus hat auch auf diesem Gebiete zu einer Spezialisierung geführt, wenn auch nicht in demselben Maße wie in anderen Industrien.

Zuerst sind zu erwähnen die Ringmacher, anulari. Selbstverständlich hat in allen Zeiten jeder Goldschmied auch Ringe gemacht. So ruft L. Piso, als er in Corduba an der Stelle eines zerbrochenen Ringes einen neuen machen will, einen aurifex herbei 8), und Gaius setzt den Rechtsfall voraus, daß eine Person bei einem aurifex Ringe bestellt 9). Aber die sehr verbreitete Anwendung von Ringen, besonders Siegelringen, ließ schon früh die Ringmacher als besonderes Gewerbe aufkommen. Ein conlegium 1) Die Form aurufex Nr. 31, 126, 129 und 146, aurefici Nr. 70, taberna aureficina Nr. 171.

2) Bei Pauly-Wiss. II 2425. 3) Zuerst bei Plautus.

4) Sicher nur dreimal: Nr. 2 aurar(ius). Nr. 76 [au]rarius argentar(ius). Nr. 125 aurario et argentario. CIL VI 33933 ist die Ergänzung [a]urarius de Velab(ro) mit Hinsicht auf die Seltenheit des Wortes mehr als unsicher; besser: [th]urarius. Die Konjektur CIL III 1215: de scola fabrorum aurariorum (überliefert wird DE SCOL FAB· NR. A· G ·) entbehrt jeder Berechtigung. Orelli 4148: auraria et margaritaria ist unecht (= CIL VI 3405*). In einer Inschrift aus Perinthos aus dem Anfang des I. Jahrh. n. Chr. (Arch.-ep. Mitt. aus Österr. XIX 1896 S. 67 f.) ergänzt der Herausgeber Kalinka: vioig av [pc]pios, eine Konjektur, die doch zweifelhaft ist. Nach dem Faksimile ist in der Lücke für drei bis vier Buchstaben Raum übrig.

5) Pauly-Wiss. VII 1574. 6) Corp. Gloss. II 27, 13.

7) Die Belege im Thesaurus s. v. 8) Cic., Verr. IV 56.
9) Gaius, Inst. III 147

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Dig. XIX 2, 2. 1.

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