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Beiträge zur Geschichte des zweiten Triumvirats.

Von Edmund Groag.

I. M. Antonius während des Perusinischen Bürgerkrieges.

Das Verhalten des M. Antonius während des Perusinischen Bürgerkrieges ist den Zeitgenossen wie der Nachwelt rätselhaft erschienen. Antonius, der im Jahre 41 v. Chr. bis in den Herbst Kleinasien, Syrien und Phönizien durchreiste1) und den Winter bei Kleopatra in Alexandria verbrachte), wurde sowohl von den beiden gegnerischen Parteien als von den Veteranen um seine Entscheidung angegangen. Octavian hat im Sommer 41 L. Cocceius Nerva und Caecina an seinen Kollegen abgesendet"); Nerva blieb bei Antonius, Caecina kehrte zurück, doch über den Bescheid, den er mitbrachte, wissen wir nichts). Fulvia und L. Antonius ließen zur Zeit, als sie sich (nach dem Tag von Teanum) in das feste Praeneste zurückzogen, durch Freunde Briefe an die Adresse Mark Antons abgehen; die Überbringer sollten ihn zugleich mündlich über alle Einzelheiten der Lage unterrichten 5). Beide werden gewiß auch sonst keine Gelegenheit versäumt haben, sich mit dem Familienhaupt, in dessen Hand ihr Schicksal lag, in Verbindung zu setzen 6). Die Veteranen schickten gleichfalls Gesandte) an den Triumvirn, die aber von diesem den ganzen Winter zurückgehalten und über seine Absichten im Unklaren gelassen wurden.

1) Im Sommer befand er sich in Phönizien (Appian b. c. V 60, 251 ed. Mendelssohn-Viereck). Vor seiner Abreise nach Ägypten ließ er die Truppen Winterquartiere beziehen (App. V 10, 42). Vgl. Raillard, Anordn. des M. Antonius im Orient, Diss., Zürich 1894, 3f.

2) App. V 11. Dio XLVIII 24. Plut., Ant. 28. 29.
3) App. V 60, 251.

4) In einer Unterredung des Nerva mit Antonius (App. V 60, 252 ff.), deren Naivität sie allein schon als rhetorisches Machwerk erweist, wird ein Schreiben erwähnt, das Antonius dem Caecina mitgab (§ 253). Da sonst nichts darüber verlautet, wird dieser Brief, wenn er überhaupt geschrieben wurde, einen ganz indifferenten Inhalt gehabt haben.

5) App. V 21, 83.

6) Vgl. App. V 14, 55. Dafür spricht allein schon, daß sie nicht müde wurden, sich bei jedem Anlaß als die berufenen Vertreter seiner Interessen aufzuspielen (App. V 14. 19. 22. 29. 30. Dio XLVIII 5, 4. 6, 5). S. u. S. 48.

7) τοὺς ἀπὸ τῶν κληρουχιῶν πρὸς αὐτὸν ἐλθόντας App. V. 52, 216. Wie mit Recht allgemein angenommen wird, kann es sich nur um Gesandte der neuangesiedelten Veteranen, nicht etwa der expropriierten Grundeigentümer handeln.

Wie Dio sehr bestimmt sagt. befand sich Antonius in voller Kenntnis der Vorgänge auf italischem Boden1). Trotzdem war er zu einer unzweideutigen Willensäußerung nicht zu bewegen: zai ovy ɛvoor, schreibt Appian (V 21, 83), ἐρευνώμενος, ὅ τι σαφῶς ἀντεγράφετο αὐτοῖς. Im Folgenden berichtet zwar Appian von einem Schreiben des Antonius, das sein Geschäftsführer Manius den Senatoren vorwies), fügt aber gleich hinzu εite icoάueroz eïte din97 und in der Tat verrät die angebliche Aufforderung πολεμεῖν, ἐάν τις αὐτοῦ τὴν ἀξίωση καθαρή deutlich, daß wir es hier mit einer Fälschung der Kriegspartei zu tun haben3). Die Worte sind im Sinne dieser Partei geschrieben und andrerseits doch wieder farblos1): dem Antonius eine klare und praktisch verwertbare Entscheidung unterzuschieben, wagte man natürlich doch nicht. Überdies spricht auch die Wirkungslosigkeit des Briefes dafür, daß man in seine Echtheit von vornherein Zweifel setzte. Octavian suchte den Streich der Gegner in ähnlicher Weise zu parieren. Der Quästor Mark Antons, M. Barbatius), der wegen eines Zerwürfnisses mit dem Triumvirn zurückgekehrt war, verbreitete die Nachricht, daß Antonius den Krieg gegen Octavian verurteile: aber seine Angaben entbehrten jeder tatsächlichen Grundlage) und waren offenbar von Octavian inspiriert 7).

Darüber besteht kein Zweifel, daß. Antonius' Stillschweigen während des Perusinischen Bürgerkrieges ein verhängnisvoller politischer Fehler

1) Αντώνιος δὲ ἐπυνθάνετο μὲν καὶ ταῦτα ὥσπερ που καὶ τὰ ἄλλα τὰ ἐν τῇ Ιταλία δρώμενα (οὐδὲν γὰρ αὐτῶν τὸ παράπαν ἠγνάει) XLVIII 27, 1.

2) V 29, 112 vgl. Dio XLVIII 11, 4.

3) Vgl. Schelle, Beitr. z. Gesch. d. Todeskampfes der röm. Republik. Progr. Dresden 1891, 34.

4) Mit Recht fragten die Senatoren, εἰ καθαροῖτό τι τῆς ἀξιώσεως Αντωνίου (App. V 29, 113).

5) Vgl. über ihn Heiligenstaedt, Fasti aedil. Diss. Halle 1910, 35. Die Münzen des Barbatius verkünden das Programm der Eintracht unter den Machthabern (Babelon, Monn. de la rép. Rom. I 175f. n. 49–51. Grueber, Coins of the Rom. Rep., Brit. Mus. II 489 ff.; vgl. ebd. 491f. die Münzen des Proquaestors M. Cocceius Nerva); bemerkenswert ist, daß an Stelle des Lepidus L. Antonius erscheint. Ganter (Prov. Veru. d. Triumv. 15) nimmt an, daß die Münze des Barbatius mit dem Bild und Namen des L. Antonius (Babelon n. 49. Grueber p. 491) erst nach dem Tode des Lucius, also zwischen Mitte 40 und Mitte 39, geprägt sei. Dem widerspricht seine eigene Bemerkung (S. 60), daß die Münzen Babelon n. 50. 51, die im Denarfund von Peccioli vorkommen, „nicht nach dem Jahre 41 angesetzt werden können“. Es handelt sich aber bei n. 50. 51 um dieselbe Münzenemission des Quästors M. Barbatius wie bei n. 49 (die Lesung Babelons ist irrig, vgl. Klebs RE III 2); durch Appian V 31, 120 wird zudem bestätigt, daß Barbatius im Jahre 41 Quästor war.

6) App. V 31, 120. 121.

7) Vgl. Dio XLVIII 5, 5. Schelle (S. 34) hält sie mit Unrecht für authentisch.

war). Der erste Mann im Reiche hätte niemals zugeben dürfen. daß die Entscheidung in Italien ohne ihn und das bedeutete im letzten Grunde gegen ihn fiel. Während der Sieger von Philippi bis dahin unbestritten den Vorrang vor dem jungen, kränklichen, militärisch unerprobten Octavian behauptet) und nach dem Siege dem Kollegen seinen Willen diktiert hatte, ist er durch den perusinischen Bürgerkrieg in die zweite Stelle zurückgedrängt worden, sein Einfluß in dem Haupt- und Kernland des Reiches, in dem Rekrutierungsgebiet der wehrhaften Mannschaft war fast ausgeschaltet und trotz aller Bemühungen ist es ihm nicht mehr gelungen, das politische Ergebnis dieses einen Jahres wieder gut zu machen. M. Antonius, der seit dreizehn Jahren mitten im schonungslosen Kampf eines Revolutionszeitalters stand, wird sich keiner Täuschung darüber hingegeben haben, daß die Nichtintervention ein Preisgeben bisher behaupteter Vorteile bedeute und sehr schlimme Folgen für ihn haben könne: wenn er trotzdem nichts von sich hören ließ. so muß ihn ein triftiger Grund dazu veranlaßt haben.

Die antike Überlieferung kennt nur eine einzige Erklärung für die Teilnahmslosigkeit des Triumvirn: das Liebes- und Genußleben in Alexandria. das ihn so vollkommen in Anspruch genommen habe, daß er darüber alles andere vergaß. Diese Auffassung, die bei Dio (XLVIII 27. 1) ihren schärfsten Ausdruck findet und auch aus Appians und Plutarchs Bericht wiederklingt), entspricht der Tendenz, in Antonius den liebegirrenden Sklaven der Kleopatra zu erblicken. Seit Kromayers scharfsinnigen Untersuchungen4), zu denen sich Ferreros glänzende Darstellung gesellt').

1) „Die Neutralität des M. Antonius war unbegreiflich. Mochte er seinen Bruder, mochte er seinen Kollegen unterstützen, nie wäre der Ausgang des Krieges für seine Machtstellung so verhängnisvoll geworden, wie damals bei seiner schlaffen Untätigkeit." Gardthausen, Augustus I 1,210f.

2) ἤκμαζε δὲ ἐν τῷ τότε μάλιστα τὸ κλέος τὸ ̓Αντωνίου καὶ παρὰ τῷ στρατῷ καὶ παρὰ τοῖς ἄλλοις ἅπασι cet. App. V 14, 57.

3) Vgl. namentlich App. V 9, 34. 36. 11, 43. 44. Plut., Ant. 28. 30. Appians Erzählung zeigt sonst eine den Antoniern günstige Färbung, vgl. Klebs RE I 2587. Kornemann, Jahrb. f. kl. Philol., Suppl. XXII 655f. Schwartz, Herm. XXXIII, 1898, 221 ff., 232. Blumenthal, Wien. Stud. XXXV, 1913, 121, 283. Die Hypothese Soltaus (Philol., Suppl. VII, 1899, 597 ff.), daß mehrere Abschnitte des 5. Buches Appians direkt auf die Kommentarien des Augustus zurückgehen, wird schon dadurch widerlegt, daß die von Appian benützte Quelle in diesen Partien mit Nachrichten operiert, die teils eine Octavian abträgliche Tendenz zeigen (vgl. z. B. V, 14, 57. 15, 61 f. 18. 19, 74. 20, 79. 22, 86f. 29, 114. 30, 118. 31, 120f. usw.), teils offenkundige Unkenntnis verraten (ich erinnere an den wiederholten Hinweis auf den bevorstehenden Ablauf des Triumvirats V, 15, 61. 43, 180). Vgl. auch Blumenthal a. a. O. 116. 283.

4) Hermes XXIX, 1891, 556 ff.; XXXI. 1896, 70ff: XXXIII. 1898, 1ff.; XXXIV, 1899, 1f.

5) Grandezza e decadenza di Roma III. cap. XIII. XVII. XIX. XX.

wissen wir, wie wenig Berechtigung dieser 10manhaften Auffassung zukommt: namentlich für die erste Zeit der Beziehungen Mark Antons zur Königin. Wenn Antonius seit seiner ersten Begegnung mit Kleopatra Monate verstreichen ließ, ehe er sie in ihrer Residenz aufsuchte, wenn er nach seiner Abreise von Alexandria fast vier Jahre ihr Fernsein ertragen konnte dann kann ihn die Liebesleidenschaft damals nicht so beherrscht haben. daß er sich nicht losgerissen hätte, wenn seine politische Zukunft auf dem Spiele stand.

Doch es bedarf solcher Erwägungen gar nicht. Die antike Tradition ist schon darum falsch, weil die Verwicklungen in Italien bereits geraume Zeit, bevor Antonius in Alexandria eintraf. eine ernste Gestalt angenommen haben, die ihn zur entschiedenen Stellungnahme hätte veranlassen müssen. Die in Altertum und Neuzeit so oft wiederholte Behauptung, Fulvia habe den Bürgerkrieg angezettelt, um ihren Gatten aus den Armen der Ägypterin zu reißen1), läßt sich nicht aufrecht halten. sobald man die vielen Ereignisse in Rechnung bringt, die zwischen dem Eingreifen der Fulvia und dem verunglückten Ausfall des Lucius in der Neujahrsnacht 41 auf 40 (App. V, 34. 136) liegen: den Tag von Teanum, die Meuterei der Truppen des Salvidienus in Placentia, Lucius Aufenthalt in Praeneste, die letzten Verhandlungen, das Schiedsgericht von Gabii, die Werbungen der beiden Gegner, Octavians Vorstoß gegen Nursia und Sentinum. die Meuterei zweier Legionen des Lucius, dessen Zug nach Rom, seine Vertreibung durch Octavian, der die Hauptstadt in Verteidigungszustand setzt, die Eroberung von Sentinum durch Salvidienus. die Besetzung Sutriums durch Agrippa. Lucius Festsetzung in Perusia, um eventuell den Winter dort zuzubringen 2), seine Einschließung mit gewaltigen Belagerungswerken, die längere Zeit gedauert haben muß, da furchtbare Hungersnot in der Festung ausbrach3).

Schon im Sommer 41 sandte Octavian zwei Männer seines Vertrauens. L. Cocceius Nerva und Caecina, an M. Antonius nach Asien (s. o.

1) App. V, 19, 75, 59, 250, 66,278. Plut., Ant.30. Dio, XLVIII 28, 3. DrumannGroebe I 289. Schiller, G. d. K. Z. I 79. Gardthausen, Aug. I 1, 196. v. Domaszewski, Gesch. d. r. Kaiser I 92 u. a. Schelle a. a. O. (p. 35) allein sagt mit Recht: Zu der Zeit, da die Unruhen begannen, kann unmöglich schon die Nachricht von dem bezaubernden Eindruck, den Kleopatra auf Antonius gemacht hatte. nach Italien gelangt sein." Er glaubt aber einschränkend hinzufügen zu müssen: Dagegen ist es nur natürlich, daß das leidenschaftliche Weib noch mehr in ihrem Entschlusse bestärkt wurde, als allmählich aus dem Osten Gerüchte von dem Verhältnis des Antonius zu Kleopatra sich verbreiteten.

2) App. V 32, 128. Bevor Lucius vollständig eingeschlossen war, hatte er noch seine Reiterei abgesendet, um das von Octavian beherrschte Gebiet zu verheeren und diesen dadurch zum Aufgeben der Belagerung zu zwingen (App. a. a. O. Dio XLVIII 14, 2): daraus geht hervor, daß die Jahreszeit noch nicht sehr vorgerückt war.

3) χρονίου δὲ δὴ τῆς προσεδρείας σφίσι γιγνομένης Dio XLVIII, 14, 2.

S. 43). Schon damals muß also die Situation sehr gespannt gewesen sein. Zu demselben Ergebnis führt das laszive Epigramm, das Martial (XI 20) als von Oktavian herrührend zitiert. Meines Erachtens kaum echt'), ist es doch sicherlich von einem genauen Kenner der damaligen politischen Situation verfaßt 2). In diesem Epigramm wird Fulvias Entschluß zum Kampfe mit der Eifersucht auf Glaphyra motiviert, Antonius Beziehungen zu dieser gehören aber sicher noch in das erste Halbjahr 41 und vor die erste Begegnung mit Kleopatra ").

In der neueren Literatur findet sich zuerst bei Drumann1) eine ernster zu nehmende Motivierung: Antonius „, wünschte den Untergang seines Nebenbuhlers und wollte gegen dessen Vorwürfe gesichert sein, wenn er siegte." Ähnlich heißt es in Schillers Geschichte der römischen Kaiserzeit (I 88): „Freilich war diese Versunkenheit in Vergnügen und Sinnlichkeit zugleich eine bequeme Maske, um mit verschränkten Armen zuzusehen, ob der unbequeme Teilhaber der Herrschaft nicht dabei zu Falle käme." Seeck") erblickt den Grund für Mark Antons hinterhaltiges Schweigen" gleichfalls darin, daß es ihm noch lieber sein mußte, wenn er den Nebenbuhler ohne sein Darzutun los wurde". Diese Auffassung mutet Antonius eine Perfidität zu, die nicht in seinem Charakter lag). und einen Mangel an politischer Voraussicht, der bei einem erfahrenen Politiker befremden müßte.

Solange die Dinge in Italien noch in der Schwebe waren. konnte Antonius Eingreifen den Bürgerkrieg verhindern ohne daß er dabei, wie Seeck meint, einen Vertragsbruch hätte begehen müssen). Wieviel sein Wort damals bei den Veteranen von Philippi vermocht hätte. geht deutlicher als aus den Äußerungen der Autoren) daraus hervor, daß Octavian nach der siegreichen Beendigung des Perusinischen Krieges, als es zum offenen Zerwürfnis mit M. Antonius gekommen war, die altge

1) Die Echtheit vertreten u. a. Gardthausen, Aug. II 1,93; Schanz, G. d. r. L. II3 1, 8: Teuffel, G. d. r. L. II6 13; auch Weichert. Imp. Caes. Aug. rel. 94 und Drumann-Groebe I 289 halten nur das zugrundeliegende Motiv für unwahr. daß Fulvia dem Oktavian Liebesanträge gemacht habe.

2) Dafür spricht allein schon die Nennung der Glaphyra und des Manius. deren Namen wohl nur ihren Zeitgenossen vertraut waren.

3) Vgl. App. V 7, 31 und dazu V 60, 251.

4) 2. Auflage hg. v. Groebe I 303.

5) Augustus (Monogr. z. Wellgesch. XVII) 69.

6) Daher macht Ihne (Röm. Gesch. VIII 185) für das „hinterlistige Spiel, zu dem Antonius sich verleiten ließ, würdig eines orientalischen Hofes", den Rat der Kleopatra verantwortlich.

7) Italien unterstand gleichmäßig der Gewalt aller drei Triumvirn (Dio XLVIII 2, 1; vgl. App. V 3, 12. 65, 275). Seeck gibt übrigens selbst zu, daß Antonius an einem Wortbruch nicht eben viel gelegen gewesen wäre.

8) App. V 14. 57. 52, 217, 38, 245. Plut., Ant 22.

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