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Die Entstehung der lutherischen Kirche.

Von

Albrecht Ritschl.

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Die Idee des evangelischen Protestantismus kann nur dann in ihrer vollen Wahrheit und Berechtigung erkannt werden, wenn sie im Zusammenhange mit dem Begriffe der Kirche aufgefasst wird." Dieser Ausspruch von Heppe1) ist gewiss richtig, da der Protestantismus eine Entwicklungsstufe der christlichen, insbesondere der abendländischen Kirche ist. Aus jenem Satze folgt aber auch die Regel, dass auffallende Veränderungen im geschichtlichen Gange des Protestantismus nur richtig dargestellt werden, wenn man sie aus den begleitenden Veränderungen in dem Begriff der Kirche versteht. Von dieser Regel hat nur Heppe keinen Gebrauch gemacht, indem er die confessionelle Entwicklung der altprotestantischen Kirche Deutschlands" (1854) verfolgt hat. Dieses Buch, welches zur Ergänzung des oben genannten Werkes geschrieben ist, um die Entwicklung des Protestantismus bis zum Jahre des Augsburger Religionsfriedens zu charakterisiren, nimmt durchaus keine Rücksicht auf Veränderungen in dem evangelischen Begriff der Kirche, durch welche die Einschränkung und der Umschwung der ursprünglichen Absicht der Reformation verständlich würde. Vielmehr unternimmt Heppe, festzustellen, dass zwischen Luther und Melanchthon eine specifische Abweichung der theologischen Gesammt

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1) Im Eingang seiner Geschichte des deutschen Protestantismus von 1555-1581", Bd. I (1852).

anschauungen obgewaltet, dass die öffentliche Lehrbildung im Wirkungskreise beider Männer ursprünglich unter dem fast ausschliesslichen Einflusse Melanchthons gestanden habe, dass also die seit dem Leipziger Interim beginnende Gegenwirkung der sogenannten echten Lutheraner gegen Melanchthons Lehrweise, welche in der Bergischen Concordienformel den Sieg gewonnen und die Bildung der lutherischen Kirche erreicht hat, den einfachen Abfall von der ursprünglichen Absicht der Reformation darstelle 1). Die Vergleichung der Lehrweisen beider Reformatoren, welche dieser Darstellung zu Grunde gelegt wird, beschränkt sich durchgehend auf die bekannten Abweichungen von Luther, welche Melanchthon in den Lehren vom Abendmahl und vom freien Willen

begangen hat. Hierauf aber legt Heppe das entscheidende Gewicht deshalb, weil er darin die systematische Anlage und die ethische Tendenz der Theologie Melanchthons ausgedrückt findet, durch welche der Idee des Protestantismus volle Genüge getan und die Anschauungsweise Luthers überboten wäre. Nach Heppe hat die Lehre Luthers vom Abendmahl und von den Sacramenten überhaupt den Sinn, dass die Kirche das Heil sachlich enthält und darbietet, und ist Luthers Lehre von der Unfreiheit des Willens in der Bekehrung, welche das ethische Interesse verletzt, von ihm nur insofern eingeschränkt worden, als die Beteiligung der Menschen an dem Heilsinstitut der Kirche verständlich gemacht werden sollte. Umgekehrt soll Melanchthons Wiederaufnahme der Willensfreiheit in die Lehre von der Bekehrung und seine Deutung des Abendmahls dem normalen Grundgedanken der persönlichen Darbietung und Aneignung des Heiles in Christus Ausdruck verleihen 2). Ueberdies aber bestimmt Heppe den Vorzug der Theologie Melanchthons dahin, dass er in diesem Grundgedanken den teleologischen Charakter der christlichen Offenbarung betont, die Soteriologie in innigster organischer Beziehung zur Theologie und Anthropologie entwickelt und so die im Christentum gegebene Vermittlung

1) Confess. Entwicklung S. 157. 177.

2) A. a. O. S. 14--23.

des Göttlichen und Menschlichen zur reinsten wissenschaftlichen Anschauung gebracht habe 1).

Gesetzt dass dieses alles richtig wäre, so könnte man sich bei Heppes Erklärung des Umschwungs der deutschen Reformation zur lutherischen Kirche schon deshalb nicht beruhigen, weil die Annahme eines einfachen Abfalls von der frühern Richtung des Protestantismus das Gegenteil des geschichtlichen Verfahrens ist. Was vorläufig als Abfall von der Vergangenheit oder als Bruch mit derselben erscheint, darf man in der Erforschung der Geschichte nicht als die vollständige Tatsache hinnehmen oder für dieselbe ausgeben. Vielmehr legt ein solcher Schein grade die Aufgabe nahe, durch die genauere Erforschung der Tatsachen dasjenige festzustellen, was ihm zuwider und was geeignet ist ihn aufzuheben. Ferner hat die Darstellung des theologischen Gegensatzes zwischen Luther und Melanchthon, welche Heppe vorträgt, keine Ueberzeugungskraft. Die Formel, welche für Luthers Gesammtansicht aufgestellt wird, dass er das Heil als eine Sache an die Action der Kirche auf den Einzelnen gebunden habe, würde ihn von den directen Vertretern des römischen Katholicismus nicht unterscheiden, und ist nicht der Sinn seiner Abendmahlslehre. Denn was er über den Inhalt des Abendmahls behauptet, wird von dem Werte des persönlichen Wortes Christi abhängig gemacht, also von dem Factor, in welchem vorgeblich die besondere Eigentümlichkeit der Ansicht Melanchthons bestehen soll. Der Vorzug der Theologie Melanchthons als eines in seiner Art vollkommenen Systems wird auch nicht zugestanden werden können. Diese Annahme Heppes ist in materieller Beziehung schon von Landerer 2) zurückgewiesen worden. In formeller Hinsicht füge ich nur hinzu, dass Melanchthon gar keine Disposition zu teleologischem und organischem Verständnis der christlichen Lehre gehabt haben kann, da das lockere Gefüge der Loci theologici, bei welchem er stehen geblieben ist, und die Schwäche ihres gegenseitigen Zusammenhanges, welche

1) Gesch. d. Protestantismus Bd. I, S. 44.

2) In Herzogs Realencyklopädie Bd. IX, S. 288 ff.

ihn nicht beunruhigt zu haben scheint, das Gegenteil eines Systems darstellt 1). Endlich verrät Melanchthon selbst nirgendwo eine Spur davon, dass er sich derjenigen Stellung gegen Luther bewusst gewesen wäre, welche Heppe für die wirkliche hält. Man müsste aber erwarten, dass Melanchthon, der 14 Jahre lang auf Luthers abgeschlossenes Wirken zurückgeschaut hat und den grössten Teil dieser Frist im Kampfe mit der Theologenpartei gestanden hat, welche sich auf Luther berief, die Einsicht in die Verhältnisse vorweggenommen hätte, welche Heppe als die richtige vertritt.

Die Frage, wie die lutherische Kirche als das Resultat der deutschen Reformation zustande gekommen ist, wird schwerlich richtig beantwortet werden, wenn man sich bloss die Abweichungen zwischen Luther und Melanchthon vergegenwärtigt, und zwar als einen solchen Gegensatz, der die gesammte theologische Art beider beträfe und nur durch die Ausschliessung der Autorität des einen gelöst werden konnte. Denn bekanntlich behält die Vorrede der evangelischen Stände zum Concordienbuch, welche mit zu diesem Documente der fertig gewordenen lutherischen Kirche gehört, die Autorität Melanchthons vor, insoweit seine Schriften mit dem neu ge

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1) Nur zwei Mal, so viel ich finde, ist Melanchthon im Stande gewesen, eine teleologische Formel für den Gesammtinhalt des Christentums aufzustellen; jedoch wird durch deren Vergleichung mit der Anlage der Loci erst recht klar, dass dieselben die teleologische und organische Betrachtungsweise nicht befolgen. In den , Elementa doctrinae physicae" (C. R. XIII, 199) bezeichnet er die natürliche Erkenntnis Gottes als tenuior quam definitio ecclesiae necessaria, in qua patefecit deus tres personas, et arcanam voluntatem de colligenda ecclesia aeterna et de remissione peccatorum". Diese definitio in ecclesia illustrior führt er demnächst dahin aus, dass der dreieinige Gott condiderit et servet coelum et terram et omnes creaturas, et in genere humano condito ad imaginem suam et certam obedientiam elegerit sibi ecclesiam, ut ab ea haec una et vera divinitas agnoscatur, invocetur et colatur iuxta verbum divinitus traditum, et in vita aeterna coram conspiciatur et celebretur. Enarratio symboli Nicaeni (C. R. XXIII, 198): Pater domini nostri J. Chr., qui condidisti genus humanum, ut inde tibi aeternam ecclesiam colligas, cui sapientiam et bonitatem tuam communices."

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wonnenen Massstabe der Kirche Augsburgischer Confession übereinstimmen. Man wird also vielmehr zu erforschen haben, welches Mass der Uebereinstimmung zwischen Melanchthon und der lutherischen Partei in der Epoche des zwischen ihnen waltenden Streites stattgefunden hat. Nur auf diese Weise würde erklärt werden, dass der Sieg der lutherischen Partei über Melanchthon, der im Concordienbuch erreicht ist, zugleich diejenige Capitulation zwischen beiden einschliesst, welche durch die partiale Anerkennung des Ueberwundenen bezeichnet ist. Die Untersuchung, welche durch diese Bemerkungen angezeigt ist, wird auch dadurch nahegelegt, dass der hauptsächliche Gegner Melanchthons, Flacius, welcher im ganzen und grossen durch die Concordienformel als Sieger erwiesen worden ist, ein specieller Schüler Melanchthons war und von dem charakteristischen Einfluss dieses Lehrers schwerlich frei geworden ist, indem ihn die Ergebenheit gegen Luther und dessen geschichtliches Werk in den Kampf gegen jenen trieb. Also auch um den theologischen Charakter dieses Mannes zu verstehen, käme es darauf an, den Punkt aufzufinden, in welchem für ihn die Autorität der beiden Reformatoren zusammenfliesst.

Wir verdanken Preger eine überaus sorgfältige Biographie von Flacius; allein derselbe hat sich der eben bezeichneten Aufgabe nicht angenommen, obgleich an ihrer Lösung das kirchengeschichtliche Interesse jener Biographie hängt. Für Flacius gesammtes öffentliches Wirken handelt es sich, wie Preger 1) sagt, um das Vorherrschen der lutherischen oder der melanchthonischen Richtung in der Kirche. Um dieses zu erläutern, unternimmt nun derselbe eine Vergleichung der theologischen Methode und der kirchlichen Haltung beider Reformatoren, welche wiederum nur einen Gegensatz zwischen ihnen feststellt. Nämlich von Preger wird Luthers Lehre mit dem Ehrenprädicat der organischen Entwicklung belegt, Melanchthon als der Analytiker bezeichnet, der nie aufgehört habe, die Fundamente der Reformation zu prüfen, und deshalb nie zu abschliessenden Resultaten über den Unwert der alten

1) A. a. O. Bd. I, S. 30 ff.

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