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Herrscher geworden. Sie eigneten sich nun den Namen Papa, Papst, Vater zu, den sie noch heut zu Tage vorzugsweise vor allen andern Bischöffen tragen. Neubekehrte Völker mußten ihre geistliche Oberherrschaft anerkennen; Fürsten und Könige bewarben sich um ihre Gunst, und sie verschenkten Länder und Würden, die ihnen nicht gehörten. Durch erdichtete Erzählungen und untergeschobene Schriften beredeten sie die Christenheit, fie seyen die Statthalter Christi auf Erden, ihnen sey die Aufsicht und Herrschaft über die Kirchenzucht und die christlichen Gemeinden ertheilt worden, seit der Zeit des Apostels Petrus, der der erste Bischoff in Rom gewesen; alldieweil sie sich zugleich unter dem Schein der Demuth und im grellsten Widerspruch mit ihren Behauptungen servi servorum Domini (Knechte der Knechte des Herrn) nannten. Und so schlecht, schwelgerisch, wollüstig, habsüchtig, ehrgeißig und kriegsluftig viele unter ihnen auch waren, so blieben doch die Christen in Europa, die nicht dem griechischen Kaiserthum unterworfen waren, bey ihrem ehrerbietigen Gehorsam gegen diese Häupter der Kirche, weil Unwissenheit, Aberglauben und lang gewohnte Unterwürfigkeit unter die Aussprüche der Geistlichkeit ihnen alles, was von dieser Seite herkam, als heilig und geseßmäßig vorstellten.

Gregor VII. ( 1073—1085) war es hauptsächlich, der die päpstliche Hierarchie so stark befestigte und so weit ausdehnte, bis sie unter Innocenz III. ( im J. 1215) den Gipfel ihrer Höhe erreichte. Schlau, herrschsüchtig und standhaft strebte Gregorius, auch Hildebrand genannt, alle christliche Regenten und Völker zu Lehnsleuten und Unterthanen des römischen Stuhls zu machen. Er excom

municirte die widerspenstigen Fürsten, d. h. er that fie in den Bann, schloß sie vom Genuß des heiligen Abendmahls aus, entzog ihnen alle kirchliche und bürgerliche Rechte, sprach die Unterthanen vom Eid der Treue gegen fie los, entseßte sie der Regierung, und sie mußten sich zuweilen, wie Kaiser Heinrich IV., den allerschimpflichsten Demüthigungen unterziehen, um Länder und Völker behalten zu können. Der feinste Kunstgriff zur Erreichung seiner Absicht war die Einführung des Cölibats. Er zwang alle Geistliche zum ehelosen Stande, damit sie von allen den Banden, die den Menschen so eng an Weib und Kind und Vaterland knüpfen, losgerissen, nur den Päpsten und keiner weltlichen Obrigkeit unterworfen wären, und damit sie, nur im Schuße der Kirche stehend, ihre Kräfte und ihr Vermögen auch nur für diese verwenden möchten. Mit dem größten Eifer behauptete er die Infallibilität, die Unmöglichkeit, daß sich ein Papst in seinen Aussprüchen irren könne, drang allen Gemeinden den römischeatholischen Nitus auf; und die Investitur, d.h. das Recht, Bischöffe zu erwählen und zu bestätigen, welches er und seine Nachfolger sich ausschließlich anmaßten, gab Anlaß zu den größten Streitigkeiten zwischen den Päpsten und den Throninnhabern, welche meynten, doch so viel Recht zu haben, die Bischöffe in ihrem eigenen Lande ernennen zu dürfen. Aber alle diese gewalthätigen Eingriffe in fremde Rechte, diese unbegränzte Herrschsucht und der Eigensinn, womit die Päpste alles, auch die unbedeutendsten Kleinigkeiten, als gewisse Kirchengebräuche, Feyer der Festtage ein wenig früher oder später, den Vorrang vor dem Patriarchen von Constantinopel, die Duldung der Bilder in der Kirche und dgl. m. durchseßen wollten; empörten die griechischen

Christen zuleht so sehr, daß sie sich förmlich von den römischen trennten, und die Ausdehnung der päpstlichen Macht dadurch beträchtlich schmälerten. Diese Absonderung — in mancher Hinsicht unnöthig und schädlich – geschah kurz vor Gregor VII.

Auch die Kreuzzüge (1096-1270), der stärkste Beweis des damaligen Aberglaubens und Fanatismus, zwar nicht von den Päpsten erdacht, aber alsobald von ihnen benußt, geleitet und betrieben, trugen unendlich viel zur Vergrößerung ihrer Macht bey. Kaiser und Könige, Herzoge und Grafen, mächtige Vasallen zogen aus über Land und Meer zur Eroberung des heiligen Grabes, nachdem vorher viele unter ihnen ihre Güter den Klöstern, der Geistlichkeit verkauft, verpfändet, oder verschenkt hatten, um diesen Zug, der alle Sünden tilgte, mitmachen zu können. Millionen von Menschen giengen dabey zu Grunde, große und vornehme Häuser starben aus oder verarmten, ungeheure Schäße wurden eingebüßt, und in dieser Zerrüttung und Verarmung, welche hauptsächlich England, Frankreich und Deutschland drückten, nahm das Ansehen, die Gewalt und der Reichthum der Päpste und der gesammten Geistlichkeit immer zu.

Andere Mittel, diese Zwecke zu erreichen, waren ferners das Verbot, daß kein Laye die Bibel in seiner Muttersprache lesen solle, (denn es gab noch hin und wieder Uebersehungen davon); die Einführung des canonischen Rechts oder des päpstlichen Gesezbuchs, worin alle die Rechte und Ansprüche, die sie sich anmaßten, enthalten waren; die Einforderung großer Geldsummen unter allerley religiösen Vorwänden, z. B. für Erlassung von kirchlichen Strafen und Büßungen, für Ablaß der

Sünden, für vermeynte gottselige Anstalten und Unternehmungen, als Erbauung prächtiger Kirchen, Ankauf kostbarer Kirchengeräthschaften, und Kreuzzüge gegen noch ungläubige oder sogenannte kezerische Völkerschaften in Europa, gegen die Wenden im Jahr 1147, gegen die Waldenser und Albigenser ( 1208 ) und gegen die Preußen (1230); der Verkauf von allerley Aemtern und Dispensationen; die Einführung neuer Mönchs- und Bettelorden, der Dominikaner und Franziskaner ( 1220), eifrige Verfechter der päpstlichen Hoheit, eifrige Mißionarien und Ausspäher der Kezer, woraus denn die Inquisition, dieser Schandfleck der Menschheit, entstand und vom heiligen Dominikus herkam.

Unter solchen Umständen, da das Hauptaugenmerk der Päpste ausschließlich auf die Ausdehnung und Befestigung ihrer politischen und hierarchischen Gewalt und keineswegs auf Beförderung des wahren und thätigen Christenthums abzielte, verschlimmerte sich dasselbe immer mehr. Eine Irrlehre, ein Mißbrauch nach dem andern fam auf. Sieben Sakramente wurden angenommen: Taufe, Abendmahl, Firmung, Ehe, Beichte, Priesterweihe und legte Delung. Auf der Lateran - Synode machte Innocenz III. (1215) die Verwandlung des Brods in den Leib Christi und die Ohrenbeichte zu Glaubensartikeln; der Kelch wurde den Layen entzogen. Der Aberglaube stieg immer höher. Bilderdienst, Anrufung der Heiligen, unzählige Feste und kleinliche Gebräuche, der neuerfundene Rosenkranz, der Glaube an die Wunderkraft der Reliquien und vieler Bilder, an göttliche Offenbarungen und Erscheinungen der Heiligen und anderer Verstorbenen, an das Verdienst der Wall

fahrten und frommer Vergabungen wurden nach den listigen, eigennüßigen Absichten der Geistlichkeit fleißig und reichlich unterhalten, und erstickten beym gemeinen, unwissenden und verblendeten Volke allen Sinn für wahre Tugend und Frömmigkeit, und verwandelten die ganze Religion in Scheinheiligkeit und Ceremoniendienst. Sünden und Laster und die schändlichsten Vergehungen jeder Art wurden desto ungescheuter und mannigfaltiger begangen, je leichter es war, durch Büßungen und ums Geld Ablaß dafür zu erkaufen.

Nicht um ein Haar besser gieng es mit dem Studium der Theologie und der Gelehrsamkeit überhaupt. Die Philosophie wurde nur betrieben, um unzählige, unnüße Spißfindigkeiten und Fragen über Dinge aufzuwerfen, die gar nicht ins Gebiet der Religion und der gesunden Vernunft gehörten, z. B. ob Maria mit oder ohne Erbsünde gebohren worden sey? was daraus entstanden wäre, wenn nur Eva vom Apfel gegessen hätte? ob die Nahrungsmittel, so Christus genossen, die gleiche Verwandlung erlitten hätten, wie bey andern Menschen? ob eine Maus, die eine Hostie gefressen, göttlich zu ver ehren, weil sie das Allerheiligste in sich schliesse, oder ob sie mit dem Tode zu bestrafen sey, weil sie das Allerheiligste entheiligt habe ? u. dgl. m. So entstand die scholastische, d. h. die auf den hohen Schulen vorgetragene philosophische Theologie unter den abendländischen Christen, ohne wahre Auslegung der heiligen Schrift, ohne gründliche Gelehrsamkeit, und immer mit Vorausseßung der Wahrheit des herrschenden Lehrbegriffes. Denn die Scholastiker, um nie durch die Furcht vor Berkeßerungen in ihrem Disputiren gestört

zu

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