ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

heitsliebe, den selbst ein Kant der menschlichen Gebrechlichkeit nicht zugemutet hat. Dem kategorischen Imperativ des Alten von Königsberg wird schon genügt, wenn die Regierung den Schwärmern erklärt: Na ja, wenn ihrs so nennen wollt, uns solls auch recht sein.

In diesem Buche ist die ,,Demokratisierung" und ,,Parlamentarisierung" stets als eine Sache behandelt worden, die keinen Pfifferling wert ist. Was ist denn für ein Unterschied zwischen Hertling, Michaelis und Bethmann? Es sei denn, daß der eine etwas geschickter die Worte setzen mag als der andre. Aber in der Sache selbst ist sogar mit dem Mikroskop kein Unterschied zwischen ihnen zu entdecken. Sie sagen heute Ja und morgen Nein, und übermorgen beweisen sie, daß ihr Nein doch eigentlich Ja sei. Und die Gläubigen hören nicht auf, zu glauben. Von den bürgerlichen Parteien wollen wir gar nicht erst reden; sie, und zumal die Liberalen, leben ja von Selbsttäuschungen. Aber daß die Regierungssozialisten, die doch einmal in ihrer Marx wenig. stens hineingerochen haben, sich allen Ernstes einbilden können, ein großer Militärstaat mit einer jahrhundertalten Überlieferung könne durch eine oder ein paar zweideutige Resolutionen eines ohnmächtigen Reichstags im Handumdrehen umgekrempelt werden, das heißt, die Grenzen menschlicher Dummheit um eine beträchtliche Spanne weiterrücken.

Solange die Welt steht, hat ein Militärstaat noch niemals, wenn er einen militärisch erfolgreichen oder auch nur nicht ganz erfolglosen Krieg geführt hatte, aus freien Stücken auf die Eroberungen verzichtet, die er unter den gegebenen Umständen machen konnte oder auch nur machen zu können einige Aussicht hatte. Es wäre sinnlos, ihn deshalb anzuklagen, denn niemand kann wider sein innerstes Wesen handeln. Ein großer Militärstaat, der in einem langen Kriege das Blut des Volkes in Strömen vergossen hat, kann sich nicht,

als mit dem einzigen Lohne seiner Anstrengungen, mit dem tröstlichen Bewußtsein abfinden, daß er einen dauernden Frieden auf demokratischer Grundlage erfochten habe, also ein Völkerrecht, das ihn und seinesgleichen für alle Zukunft unmöglich macht. Nicht einmal ate bloße Zumutung, sich durch seinen Edelmut unsterblich zu machen, geht in den Kreis seiner Vorstellungen hinein; er versteht sie nicht, so wenig wie irgend jemand sonst sie verstehen würde, der in seiner Haut steckte; wer hätte denn auch Blut und Schweiß in Strömen vergossen, nur um sich die Gewißheit seines Selbstmordes zu sichern?

Mit dem Lamentieren über die Erklärung vom 28. Dezember ist also gar nichts getan. Sie spricht aus, das, was ist. Ein Vorzug, der sich den schönen Reden des Grafen Hertling so wenig nachrühmen läßt, wie er sich den sänftigenden Reden der Herren v. Bethmann und Michaelis nachrühmen ließ. Zwar der Wille der deutschen Volksmassen sträubt sich entschieden gegen die Erklärung vom 28. Dezember; an dieser Tatsache kann aller Spektakel der Vaterlandspartei und ähnlicher Klüngel nichts ändern. Aber es fragt sich, ob sich dieser Wille zu einem Gegengewicht organisieren läßt, der die Appetite des Militärstaats zu bändigen vermag. Der nächste dazu, diese Aufgabe zu lösen, wäre der deutsche Reichstag, allein diese treffliche Körperschaft hat sich längst mit Würde in die bescheidene Rolle zu fügen gewußt, zu Hause bei Muttern hinterm Ofen zu hocken, sobald entscheidende Würfel über die Schicksale der Nation zu rollen beginnen. Die Regierungssozialisten ihrerseits freilich haben eine Tat vollbracht, die sich gegen die Erklärung des 28. Dezember wendet, eine große Tat in Worten", bei denen es nach dem berühmten Muster ihrer Gönner von der Regierung ganz darauf ankommt, wie man sie auffaßt. Wie alle Parteien, die sich in eine Sackgasse verrannt haben, aus der es keinen Ausweg mehr gibt,

haben sie sich als letzte Zuflucht eine Resolutionsschmiede errichtet, aus der sie ihre ,,Null- und Nichtigkeits"-Erklärungen in die Welt senden. Aber der Militärstaat läßt sich dadurch nicht schrecken, daß seine Gefangenen mit ihren Ketten rasseln, und selbst die verschämten Drohungen, zu denen sich die Scheidemänner ganz von hintenherum versteigen, werden ihn so wenig erschüttern, wie sich ein granitner Turm dadurch erschüttern läßt, daß eine Kinderschar ihn mit Muscheln einzuwerfen droht.

So sieht die gegenwärtige Lage trübe genug aus. Aber dennoch: der prinzipientreue Sozialismus darf und kann niemals verzweifeln; er wäre nur dann verloren, wenn er selbst die Flinte ins Korn würfe. Es ist sein unveräußerliches Erbteil, auch in des Schiffbruches Knirschen nicht zu verzagen. Wie der sterbende Saint Simon das Häuflein seiner Jünger tröstete: Man muß begeistert sein, um große Dinge zu vollbringen, und wie der sterbende Rodbertus in dem Augenblick, wo seine Hoffnungen auf eine soziale Reformpolitik an der Profitsucht der herrschenden Klassen zusammengebrochen waren, dennoch die Zukunft in einem wundersam rosigen Schimmer sah, so sehen wir durch die nächtlichen Gewitterwolken die Morgenröte eines neuen Tages dämmern. Und wir liegen noch nicht im Sterben, sondern sind voll frischen Lebens.

INHALTSVERZEICHNIS

Klara Zetkin-Zundel
,,Parlamentarisierung"

Zum vierten Kriegsjahre.
Die dritte Ära .

Versöhnungsschalmeien
Papsttum und Weltkrieg .
Das Reich der Raritäten.

Komödie gegen Komödie

Diplomatisches

Das Gebot der Stunde

Die Zersprengten und die Phalanx

Tragik oder Unvernunft? .

Die deutsche Bureaukratie.

Neujahr 1918.

Vom Militärstaat.

[ocr errors]
[merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors]

Als vierte Serienpublikation der AKTION erscheint:

DER ROTE HAHN

herausgegeben von Franz Pfemfert

Buch 1: Victor Hugo: Über Voltaire

Buch 2: Hedwig Dohm: Mißbrauch des Todes
Buch 3: Leo Tolstoi: Der Fremde und der Bauer
Buch 4: Karl Otten: Die Erhebung des Herzens
Buch 5: Iwan Goll: Der neue Orpheus
Buch 6/7: Ferdinand Lassalle: Tagebuch
Buch 8: Gottfried Benn: Diesterweg
Buch 9/10: Franz Mehring: Kriegsartikel
Buch 11: Franz Pfemfert: Bis August 1914
Buch 12/13: Carl Sternheim: Prosa
Buch 14: Politische Lyrik

Victor

Buch 15: Otto Freundlich: Aktive Kunst
Buch 16: Ludwig Bäumer: Manifeste
In Vorbereitung: Bücher von Ludwig Rubiner,
Fraenkl, Theodor Lessing, Paul Boldt, Carl Sternheim, Max
Herrmann, Josef Capek, Herbert Kühn, Franz Jung, Wilhelm
Klemm, Jacob van Hoddis, Rudolf Hartig, Pol Michels, J. T. Keller,
Georg Heym, Otto Pick, Ludwig Bäumer, Edlef Köppen, Alfred
Vagts, Bakunin, Jean Paul u. a.

Das Buch kostet M.-,80, Doppelbände M. 1,60.

Seit Oktober 1916 existiert die Sammlung
DIE AKTIONS-LYRIK
herausgegeben von Franz Pfemfert

Band 1: 1914-1916. Eine Anthologie

Band 2: Jüngste tschechische Lyrik. Eine Anthologie Band 3: Gottfried Benn: Fleisch

Band 4: Wilhelm Klemm: Aufforderung. Verse Band 5: Der Hahn: Anthologie französischer Lyrik Band 6: Kurd Adler: Der Nachlaß. Gedichte Band 7: Maximilian Rosenberg: Verse

Die Sammlung wird fortgesetzt.

Band 7 kostet M. 5,-, jeder übrige Band kostet in Halbpergament M. 3.60

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »