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Absynthschenke

Wie sollten die Menschen in ihren Novembernebeln Gottes Tau verspüren? Wie sollten sie im Blutgrund der Erde die Harfe der Sterne hören?

Orpheus trat in ihre Keller und Kavernen. In den Schenken kauerte die grüne Sphinx Absynth neben der fahlen Kokotte.

Ein Pianola schlug mit roten Kolben die schwarze Wand der Erde ein. Polka! Eine Polka!

Die Menschen hockten dumpf beisammen. Heizer, denen die schwarze Kohlensonne das Herz versengt. Gepäckträger duckten sich immer noch unter den hundert Koffern des Tags.

In giftiger Ecke sprang Gold aus den bebenden Spielerhänden. Daneben Huren dunkles Unkenrufen.

O wie sollten die Menschen in dieser ilölle die göttliche Stimme vernehmen! Wie sollte sie Orpheus Liebe betören!

Er sang das Lied der Landschaft Doris. Seine Arme schlangen sich um die Zweige der Verzweiflung. Sein Auge troff vom Pech der Trauerfackeln.

Eismeer ge

Seinem Gesang war einst das schmolzen. Gebirge bröckelten in seiner Hand wie Mörtel. Der Pacific hatte eine Lerche über sich flattern fühlen.

Fische waren um seine Füße gesprungen. Leoparden hatten Tränentürkise im Auge gehabt. Aber hier: die Armsten, die Starrsten der Welt! Greise aus grauen Asylen hustend. Entlassene Postbeamten. Und die Krüppel der Hochöfen. Bettelei fraß aus ihren Augen die Scham. Falschheit färbte ihre Rede grün. Regen hatte ihr Herz gelöscht.

Die jüdischen Hausierer mit ihren Teppichballen. Adlige Apachen in schmalen Hüften. Und allen weinten schwarze Mütter aus stinkenden Spitälern nach.

Hier die Härtesten, hier die Starrsten der Welt: wie solten sie den schwellenden Trost Orpheus verspüren ?

Aus der Ecke sang er. Lächelte fern. Er wollte allen ins Knopfloch die Kamelie der Liebe stecken.

Da lachten die Schatten. Ein Kutscher warf ihm seinen Lackzylinder nach. Eine Geschminkte rief: Wärst besser im Bett, mein Adonis.

Ein Schlosser verlangte eine Polka. Das Pianola schluckte den rohen Groschen und schlug mit roten Krallen drauf los.

Ein Fleischer in fleckiger Schürze raffte die Bleichsucht vom Büfett. Sie tanzten rot und schwarz. Fleisch und Nacht. Sie tanzten über die bucklige Erde.

Bettler litaneiten. Diebe pokerten. Verbrecher wetzten die Dolche ihrer Augen.

Der Wirt schmiß Orpheus hinaus.

IV

Globus Kino

Da trat Orpheus ins Licht der Mittagsplätze. Vor dem Zirkus, als Clown, schlug er die große Trommel der Sonne.

Als Karussellbesitzer drehte er die Orgel der Welt: und seine Büffe! und Elefanten schmiegten sich den lächelnden Kindern an.

Abends, im Variété, zwischen Yankeegirls und Apachentanz, war sein Kuplet von der Menschenliebe die dritte Nummer.

Zwischen halbeins und halbzwei, Mittwochs, war er der schüchterne Klavierlehrer und erlöste ein Mädchen aus der Fessel der Mutter.

Sonntagsvereine, im eichengeschmückten Tanzsaal, luden den christlichen Orpheus ein.

In der Sakristei, als Organist, übte er mit den Chorknaben den heiligen Psalm von der Nächstenliebe ein.

Aus den Hinterhäusern schnarrte das heisere Grammophon den Walzer der Bruderliebe.

Morgens, im kalten Korridor, zwischen aufgestülpten Stühlen, trällerte ihn der rote Pikkolo

Es war der Schiager der Welt, vom großen neuen Frühling kündend. Aber die Menschen dachten nicht, daß er von Gott komponiert war. Sie tanzten und wurden nicht leichter. Sie beteter. und wurden nicht freier. Sie pfiffen und wurden nicht froher.

Da stieg Orpheus in die Katakomben der Stadt: wurde im Globus-Kino die zweite Geige.

Oben flatterte die graue Leinwand der Zeit. Die Menschen glaubten an nichts mehr als an die Realität. Jeder, ein neuer Kopernikus, ließ die Erde um den eigenen Kopf sich drehn.

Sie erkannten sich tief in dieser Nacht. Das „Ah!" dieser Erkenntnis machte sie erst zu Brüdern.

Dort in ihren Leidenschaften: dort war jeder König, Verbrecher, Liebender. O es gab nichts als die Realität.

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