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dies hatte ich zu meinem Vater noch nicht davon geschrieben, und mein Vater, der es blos vom Hörensagen wußte, nahm den Punkt so gereizt auf und schalt mich darüber so! Ich möchte meinem Vater die Frage wohl zurückgeben: „Ist das wohl Recht?" Ich brach gleich nach Beendigung des Briefes in Thränen aus. Ich fühlte mich so allein. Diese Stimmung wurde dadurch noch genährt, daß ich Heines Gedichte, die stets so innig meine Seele bewegen, las. Besonders bei dem einen Gedicht:,,Einst zogen nach Frankreich zwei Grenadier', die waren in Rußland gefangen" usw., zerfloß ich in Tränen. Sie rührte mich so tief, die Liebe, die Treue jenes alten Kriegers gegen seinen großen Kaiser, und meisterhaft hat Heine dessen Schmerz geschildert in den Worten:,,Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!" Ich weiß nicht, wen ich in diesem Gedicht am meisten bewundern soll: Napoleon, den Grenadier, oder Heine, den großen Dichter. Freitag, 26. Juni

Ich ging heut Nachmittag mit Fritz nach Pfaffendorf. Da ich kein Geld hatte, gab mir Monsieur le directeur einen Thaler, und von Fritz borgte ich acht Groschen. Wir waren nicht lange draußen, so begann das Wettrennen. Doch wurden wir bei dieser Gelegenheit getrennt. Ich suchte Fritz bis achteinhalb Uhr und konnte ihn nicht finden. Ich ennuyirte mich daher, doch hatte ich noch keinen Sou ausgegeben. Da traf ich in einer Restauration zwei Handelsschüler, Kräger und Gliert, halb benebelt. Vor ihnen stand eine leere Weinflasche und anderthalb Grogkgläser. Bald kam auch Siegmund dazu. Wir legten zusammen, à Person zwölf

Groschen, und ließen eine Flasche Champagner geben. Siegmund empfahl sich, wir tranken, da zum Champagner das Geld fehlte, eine Flasche Lunel und Kräger, der bereits ein Schwein war, soff noch einen steifen Grogk. Wir machten dabei höllisch Lärm und brachten beständige Toaste auf Gesundheit der Handelsschule aus. Nun gingen wir zum Feuerwerk. Besoffen war ich, besoffener Glier, doch der Besoffenste war Kräger, der lange Bengel. Ich empfand dabei gräßliche Schmerzen der Reue, denn mein ganzes Geld bis vier Groschen war fort. ,,Meine güldenen Ducaten, sagt, wo seid ihr hingerathen," summte ich, während Kräger schrie: „Ihr seid Alle lumpige Kerls, ganz lumpig! Ich will keinen Lunel, Champagner will ich! Ihr seid Lumpenhunde!" Glier, bei dem es auch schon gewaltig zu dämmern anfing, gab sich alle Mühe, ihn zu halten. Wir kamen an die Tribüne. Kräger lief uns mit Gewalt weg. Wie ich später erfuhr, fiel er hin und wurde von einem Communalgardisten nach Hause gebracht. Glier setzte sich hin und wurde seekrank. Auch bei mir zeigten sich die Folgen des Champagners, aber auf ganz andere Art. Ich wurde poetisch. Ich tanzte umher und schrie: ,,Bacchus soll leben! Wo seid ihr Mänaden! Her mit dem Thyrsusstab, umrankt von strotzenden Reben! Auf, feiert das Bacchanal! Vivat Champagner! Champagner soll leben! Vivat Champagner! Es leben die Frauen! So, füllt den Becher! Komm, Apoll, komm, sauf, Dichtergeist! Bist mir doch unterthan Bruder Apoll samt dem donnernden Jupiter. Aber wo bist Du, alter Silenus?" Dazwischen jubelte ich:,,Wer niemals

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einen Rausch gehabt, der ist kein braver Mann!"

,,Zum Donnerwetter, Herr! Treten Sie mir nicht die Füße ab," ertönte eine Stimme. Sogleich kam meine Besonnenheit, mein Rausch schwand. Ich machte mit dem Herrn mit den abgetretenen Füßen Bekanntschaft, und siehe da, es war ein Schuster. Wir trugen den eingeschlafenen Glier nach Hause. Nachher ging ich, um das Schusterlein zu belohnen, mit ihm ins Café Français und gab auch noch die letzten vier Groschen aus. Wäre ich nicht Handelsschüler, hätte ich ein schönes Gedicht auf Champagner gemacht, aber so! Sonnabend, 27. Juni

Ich hatte große Lust, ins Theater zu gehen, da Madame Neumann-Haizinger in ,,Stille Wasser sind tief" und ,,List und Phlegma" auftritt. Aber woher Geld? Da nahm ich die Bücher der dritten Klasse, die ich nicht mehr brauche, und ging mit Fritz zu Freund Antiquus, der mir zehn gute Groschen gab. Abends ging ich ins Theater. Sonntag, 28. Juni

Heut kam wieder ein Brief meines Vaters, doch plein d'amour, obgleich er meinen durch M. Zadig noch nicht erhielt. Abends nahm mich Herr Director mit ins Theater, wo Theaterschau gegeben wurde. Am meisten gefiel mir, oder vielmehr, am tiefsten ergriff mich,,Nathan der Weise".

Dienstag, 30. Juni

Heut ist Fritzens Geburtstag. Da ich ihm zwölf Groschen, ebensoviel an Philippsohn schuldig bin und für meinen Rock acht Groschen bezahlen muß, und überdies Fritz, wenn auch nur eine

Kleinigkeit schenken wollte, so ging ich mit meinem dicken Scheller zum Antiquar. Allein schon schlug es siebendreiviertel, um acht mußte ich in Funkenberg sein bei Herrn Dr. Feller. Mit den dicken Büchern konnte ich mich nicht schleppen. Mein Entschluß war schnell gefaßt. Ich gab sie, da sie schon etwas zerfetzt waren, dem gegenüberwohnenden Buchbinder, sie einzubinden. Als ich nach Hause kam, kam Frau Director, ich weiß nicht wieso, auf ein mir unangenehmes Gespräch. Ich hatte ihr nämlich, als ich Freitag Abend halb molum nach Hause kam, gesagt, ich hätte keinen Heller mehr. Gleichwohl ging ich Sonnabend ins Theater. Nun wollte sie immer wissen, woher ich das Geld hätte, denn daß ich mir es geborgt, wollte sie mir nicht glauben. Sie warf mit lauter anzüglichen Redensarten, wie „Kaupeln“, „man weiß, wie es die jungen Leute machen, wenn ihr Vater kommt," um sich herum. Wahrscheinlich ist es, daß sie ein Gespräch von mir mit Fritz behorcht hat. Sie spricht auch davon, Schierholz etwas sagen zu wollen, von Bücherverkaufen. Ei, ei, Madame, ist es so weit gekommen? Dann muß ich anfangen, aus einer andern Tonart zu pfeifen. Donnerstag, 2. Juli

Ich führte heut ein recht ernstes Gespräch mit Moewes, und dieser versicherte mir, was ich auch glaube, daß mir mein vieles Sprechen manchmal Unannehmlichkeit bereite und schade.

Freitag und Sonnabend, 3. und 4. Juli Nichts weiter, als daß ich anfing, Elsners,,Wichtige Tage... Napoleons“ zu lesen. Das ist doch noch kräftige Sprache und Unwillen gegen die

Despotie der Tyrannen. Man sollte kaum glauben, daß bei einem Deutschen die Liebe zur Freiheit so groß sein kann. Herrliches Buch! Sonntag, 5. Juli

Heut empfing ich Brief von meinem guten, guten Vater! Und mit dem Brief neue Beweise seiner Liebe. Herr Director war von dem Schreiben, das er erhalten, so gerührt, daß er mir versicherte, so einen Vater wie den meinigen gäbe es in der Welt nicht mehr. Das ist wahrlich wahr! Gleichwohl hat Herr Director Hander meinem Vater geschrieben, ich wäre vorlaut, naseweis, lüderlich, anmaßend. So mache ich also meinem Vater noch immer keine Freude.

Montag, 6. Juli

Ach, ich weiß nicht, wie mir ist. Mich überfällt eine solche Bangigkeit nach Vater, Mutter und Schwester, daß ich jedesmal, wenn ich an meine liebe Heimat denke, in Tränen ausbrechen muß. Ach, mein Vater, kenntest Du die Wehmuth, die mein Herz beschleicht, das Sehnen, das mich ergreift, Du würdest gestatten, daß ich nach Breslau komme! Ich würde Dich, Geliebter, meine Mutter, meine Schwester, meinen Freund sehen. Hier wird die Luft immer schwüler, ich befinde mich gar nicht mehr wohl. Anfeindungen aller Art dringen auf mich ein. Niemand, dem ich in Liebe an die Brust sinken kann. Ach, meine Eltern, wohl sind die Worte meines Vaters wahr, als ich Breslau zu verlassen wünschte: ich würde mich noch oft dahin zurücksehnen.

Dienstag, 7. Juli

Immer mehr gehen mir die Augen auf. Ach, in welch anderm Lichte erscheint mir jetzt Frau

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