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gewährleistet war durch die Wahrsagergeister, die Engelserscheinungen und all die überschwänglichen Träume, in denen die Apokalypsen dieser Zeit Weltgericht und Auferstehung der Todten ausmalen. Die Sadducäer hinwiederum konnten sich dieser Schwarmgeisterei gegenüber um so mehr ablehnend verhalten, als der ältere Hebraismus von einer Auferstehung der Todten nichts wußte, und der Glaube an einen permanenten Verkehr Gottes mit allen einzelnen Subjecten vom Standpunkt des jüdischen Theismus aus mindestens von zweifelhafter Orthodoxie war. So standen sich jene heißblütige, orientalische Mystik mit all den phantastischen Erwartungen, wie wir sie aus dem Buche Henoch und Esra kennen, und die Theologie des alten Testaments gegenüber, der das Loos des Menschen auf dieser Welt sich erfüllt. „Wer weiß, so mochten die Sadducäer mit dem Prediger Salomo sprechen, ob der Geist des Menschen nach oben, der Geist des Thieres nach unten steigt. Alles wohl erwogen, fürchte Gott und halte seine Gebote"

Consequenter Weise mußten dann aber die Sadducäer auch behaupten, daß die Erfüllung der prophetischen Verheißzungen nicht weiter zu erwarten sei. Sie begründeten das mit der eigenthümlichen Wendung, daß die Freiheit des Menschen aufgehoben sein würde, wenn der Gang der Geschichte schon für die Zukunft feststände.'

So kam zwischen Pharisäern, Sadducäern und Essäern jene Frage nach der menschlichen Freiheit und ihrer Begrenzung durch Gottes Voraussicht zur Verhandlung, die Josephus freilich bis zum Unverständlichen in's Griechische färbt.2 Am consequentesten haben die Essäer die menschliche Freiheit geläugnet und alles Geschehende auf Gottes Walten zurückgeführt. Aus der hellenischen Sprache des Josephus in's Hebräische zurückübersetzt, hat ihre Ansicht wohl so gelautet, wie der genialste Schüler des Pharisäismus sie formulirte, daß Gott Beides wirke, Wollen und Vollbringen, den Einen bilde als Gefäß zur Ehre, den Andern zur Unehre, und daß neben seiner Allmacht keine menschliche Willkür Raum habe. Die Pharisäer selbst

1 Nach Ant. X; 11, 7.

2 Ant. XVIII; 1, 3. 4; XIII; 5, 9. Bell. II;

8, 14. Vgl. über diese Stellen meinen Auffat, Protest. Kirchenzeitung 1862, Nr. 44. Von Fatum und Schicksal (eiμaquévy, to zęsŵr, ý túyn), wie Josephus unterschiebt, kann auf jüdischem Boden so wenig die Rede gewesen sein, als von der Annahme einer Seelenwanderung, wofür er die Auferstehungslehre ausgibt. Bell. II; 8, 14.

freilich blieben auf halbem Weg stehen, indem sie einen Synergismus annahmen. „Die Sadducäer aber, sagt Josephus, bekämpfen die Lehre vom Verhängniß durchaus und behaupten, es gebe weder eines, noch würde des Menschen Glück dadurch bestimmt, sondern Alles beruhe auf uns selbst, so daß wir ebensowohl die Ursache unseres eigenen Glückes seien, als durch eigene Unentschlossenheit unser Unglück uns zuzögen". Von einem Verhängniß ist nun allerdings bei den Pharisäern und Essäern schwerlich die Rede gewesen. Es ist vielmehr lediglich die Frage der Prädestination, die innerhalb des jüdischen Theismus einen Sinn hat. Ueber das Fatum haben die Rabbinen sicher nicht speculirt. Die menschliche Freiheit und ihre Begrenzung durch Gott war Vorwurf ihrer Betrachtungen, und der Römerbrief steht diesen Speculationen sicher näher als die stoischen Philoso= pheme, denen sie Josephus vergleicht.

Auch hier stellten sich die Sadducäer der mystischen Prädestinationslehre der neuen Schule gegenüber auf den Boden des alten Testaments. Sie sprachen wohl mit Jesus Sirach: „Gott hat von An ang den Menschen geschaffen und ihn seiner Willkür überlassen. Willst du, so kannst du die Gebote halten und wohlgefällige Treue beweisen. Er hat dir Feuer und Wasser vorgelegt: wonach du willst, kannst du deine Hand ausstrecken. Der Mensch hat vor sich Leben und Tod; und was er will, wird ihm gegeben werden. Er hat Niemanden befohlen, gottlos zu sein, und Niemanden Erlaubniß ge= geben, zu sündigen".2 Es war das ein Standpunkt, wie er praktischen Staatsmännern und dem klaren Verstand einer auf das Leben ge= richteten Aristokratie wohl anstand, wiewohl Pharisäer 3 und Essäer 4 sich sehr dawider ereiferten. Namentlich Henoch hält donnernde Neden gegen die „Sünder", welche eine Vorsehung, eine obere Welt der Engel und Geister, eine Auferstehung, eine Vergeltung nach dem Tode, ein lettes Gericht und ein messianisches Reich läugnen.5 Oh daß meine Augen Wasserwolken wären, um über euch zu weinen, ruft er über sie aus, und meine Thränen wie eine Wasserwolke, daß ich Ruhe bekäme von dem Kummer meines Herzens!"

Auch die Stimmung des Volkes war ganz allgemein ihnen abgeneigt. Freilich hatten sie das geschriebene Gesetz für sich und machten

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1 Ant. XIII; 5, 9. 2 Sir. 15, 14 ff. 3 Jos. Ant. X am Schluß. 4 Henoch, 98, 6; 100, 10; 104, 7. * Ant. XIII; 10, 6.

5 Henoch, Dillmann p. LIV.

XVIII; 1, 4. Bell. II; 8, 14.
Hausrath, Zeitgeschichte. I. 2. Aufl.

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an das Volksleben geringere Ansprüche. Aber die Richtung der Zeit war gegen sie. Was die Makkabäer mit ihrem Blute vertheidigt hatten, von dem wollte der gemeine Mann nicht gesagt wissen, daß es unkanonisch sei. Er beugte sich lieber den zahllosen Vorschriften der Pharisäer, denn das Volk liebt eine Religion, die es ihm nicht zu leicht macht, wofern nur der in Aussicht gestellte Lohn so entsprechend ist, wie es hier der Fall war. Da nun die gerichtliche Praris der Pharisäer eine milde war, und ihr Verkehr mit dem Volk etwas von den einschmeichelnden Formen eines um die einzelnen Seelen besorgten Demagogenthums hatte, da sie selbst auf Schritt und Tritt den Compler aller Gesetzesvorschriften in jedem Moment darstellten und die Spuren harter Askese und vielfacher Enthaltung in trüben Mienen zur Schau trugen, so betrachtete der gemeine Mann den Pharisäer mit der Verehrung, die der Hindu dem „von Bußkraft leuchtenden“ Brahmanen zollt, während die vornehme, barsche und auf das gemein Gesetzliche dringende sadducäische Priesterschaft dem Volk verhaßt war.1

In der That hatte die Jolirung von dem Volksleben die Aristokratie nicht liebenswürdiger gemacht, und der Talmud hat über die in unserer Periode herrschenden Sadducäerfamilien jenen fünffachen Weheruf erhalten, dessen Berechtigung nach den Berichten des Josephus nicht zu bezweifeln ist.2 Um so heller strahlte daher der Ruhm der Pharisäer, deren Loosung das schöne Wort Hillels war: Trenne dich nicht von der Gemeinde“ und die ihr ganzes Leben dem Volke weihten.3 Dein Haus sei geöffnet gegen die Straße, sagte ein Vorgänger Hillels,4 und die Armen seien die Kinder Deines Hauses" und selbst der strenge Schammai ließ sich vernehmen: „Sprich wenig, thue viel und nimm alle Menschen auf mit freundlichen Bieberden" 5

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Dazu kam dann freilich, daß die Pharisäer den Nationalhaß und das religiöse Vorurtheil gegen die römische Oberherrschaft theilten und förderten und den volksverhaßten Herodäern als geschworene. Feinde gegenüberstanden, während die Sadducäer, dem jeweiligen Regiment devot ergeben, sich untereinander in Familienzwistigkeiten

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1 Ant. XIII; 10, 6. XVII; 2, 4. XVIII; 1, 3. 4. Bell. II; 8, 14. 2 Vgl. oben S. 66. 3 Pirke Ab. II; 4. Ant. XIII; 10, 6. 4 Pirk. Ab. 1, 5. Jose ben Jochanan. 5 ibid. 1, 5. 15; 2, 7.

bekämpften, die dem gemeinen Mann unverständlich und darum verwerflich waren. Allerdings fehlte es auch an Widerspruch gegen die forcirte Frömmigkeit der Pharisäer nicht, wie ja nicht selten das Volk Das verspottet, was es zugleich officiell verehrt.2 Den Frömmsten legte man lächerliche Uebernamen bei und theilte sie in Klassen, nach der Art ihrer Uebertreibungen: in Schleppfüße", die so erschöpft sind vom Fasten, daß sie nicht gehn können wie andere Leute, in „Blutrünstige", die sich die Stirne anrennen, weil sie stets mit niedergeschlagenen Augen einhergehn, in Mörser-Pharisäer", die zusammengeklappt wie der Griff eines Mörsers einherwandeln, in Bucklige", die den Kopf hängen, in „Allesmacher", die stets auf der Lauer sind, wie sie ein Gesetz erfüllen können, in Gefärbte", denen man von Weitem die fromme Manier ansieht.3 Aber trotz diesem scharfen Auge für die Auswüchse der Richtung war im Grund das Volk selbst pharisäisch gesinnt und trug seine Lehrer auf den Händen.

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So läßt sich denn die gegenseitige Stellung der beiden Parteien folgendermaßen zusammenfassen. Der Gegensatz zwischen Beiden ist wesentlich der eines herrschenden Priester- und Richterkreises, gegenüber einer fromm aufgeregten und aufregenden demokratischen Partei. Je mehr die Pharisäer sich in Uebertreibungen der religiösen Vorschriften, in bizarren Verzerrungen des mosaischen Wesens gefielen; je mehr ihrer die Sabbathsgesetze in's Lächerliche utrirten, die Reinheitsangst zur Carricatur weiterbildeten; je überschwänglicher sie sich auf göttliche Eingebungen und unmittelbaren Verkehr mit höheren Geistern beriefen, je heißblütigere Erwartungen sie von dem eintretenden messianischen Reiche hegten, zu dem David und die Propheten wiederkehren sollten; in je wahnsinnigerer Politik sie sich dem idumäischen Hause und der römischen Uebermacht zugleich entgegengesetzten, am Volke hezten, schoben, vorwärtsdrängten - um so kühler, hochmüthiger, vornehmer schloß sich der besitzende Stand, schloß sich die Aristokratie von allen diesen Bewegungen ab, um so zäher leistete sie allen diesen Neuerungen Widerstand; um so entschiedener zog sie sich auf das ge=

1 Ant. XVIII; 1, 4. XIII; 10, 6. Bell. II; 8, 14.

2 Mth. 6, 2.

5. 16; 9, 11. 14; 12, 2; 23, 5. 15. 23. Luc. 5, 30; 6, 2. 7; 11, 39; 18, 12. Johann. 9, 16. Pirke Aboth 1, 16. Ant. XVII; 2, 4; XVIII; 1, 3.

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3 Berach. 9, Ende. Sota 5, 7. Babyl. Talm. Sota 22, 6. Vgl. Epiph. haer. 11, 1.

schriebene Gesetz zurück, das von all den apokalyptischen Phantastereien nichts wisse und weder Engel noch Auferstehung lehre.

Der Verlauf dieses Kampfes zwischen Pharisäern und Sadducäern war endlich kein anderer als bei allen andern Nationen. Noch nirgends im Kampf zwischen Demokratie und Aristokratie hat zuletzt die Aristokratie das Schlachtfeld behauptet. So sehen wir auch im Verlauf unserer Periode die Volkspartei immer weiter vordringen. Die Pharisäer herrschen im Volk, sie leiten das Synedrinm; in den Kreis der herodäischen Familie selbst reicht ihr Einfluß, und schließlich erleben sie den Triumph, daß alle thatenlustigen jüngeren Glieder der Aristokratie zu ihnen übergehn.1 Während sie zu Herodes Zeit noch beiläufig sechstausend Mitglieder zählten,2 konnte man zu Ausgang der jüdischen Geschichte schließlich alle Schriftgelehrten unter sie rechnen.

„Die Pharisäer, so berichtet der Schriftsteller, der die letzten Kämpfe des jüdischen Staatslebens mit durchgekämpft hat, besitzen im Volke einen solchen Einfluß, daß sämmtliche gottesdienstlichen Verrichtungen, Opfer und Gebete nur mit ihrem Gutdünken dargebracht werden; ein so rühmliches Zeugniß gaben ihnen die Gemeinden, weil man überzeugt war, daß sie in Wort und That nur das Edelste suchten. Die Sadducäer sind nur wenige Männer; diese gehören freilich zu den vornehmsten Ständen, sie richten aber nichts Bedeutendes aus. So oft sie zu Aemtern gelangen, so stimmen sie, wenn auch unwillig und gezwungen, den Pharisäern bei, indem das Volk sie sonst nicht dulden würde".3

So waren die Männer des Amts den Führern der Partei zum Opfer gefallen. Die Beredtsamkeit der Synagoge hatte den Sieg davongetragen über den Glanz des Tempels, aber freilich nur, um dem Staat einen Abgrund zu graben, in dem Tempel und Schule zumal versank.

2. Die Effäer.

Die gleiche Sehnsucht nach Verwirklichung des Gesetzes, die den Pharisäer so rastlos im öffentlichen Leben umhertrieb, um das

1 Vita 2. 38 a. D.

2 Ant. XVII; 2, 4. 3 Ant. XVIII; 1, 3. 4.

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