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Bettler, dem die Hunde die offenen Schwären lecken, den Besessenen, der wie ein Thier nackt, schreiend und sich mit Steinen schlagend in den Gräbern haust.2 Nie erstrahlte seine suchende und findende Liebe göttlicher als hier, wo sie sich zu den Elendsten herabneigte, an denen das Judenthum mit der Weisheit Elihu's vorübergegangen war, daß entweder sie gesündigt hätten oder ihre Eltern, sonst würde Jehova sie nicht also gestraft haben.

Es ist aber nicht nur die irdische Noth, die sein Erbarmen besonders in Anspruch nimmt, sondern in noch höherem Maaß das geistige Elend, sofern es seines Elends sich auch wirklich bewußt ist. Hatten die theokratisch ehrenwerthen Kreise des Volks sich im Ganzen unempfänglich gezeigt für das Evangelium des Gottesreichs, so waren dagegen diejenigen, die mit der Acht der Theokratie belegt waren, Jesu um so begeisterter entgegen gekommen. Schon bei der Erweckung des Johannes hatte man die Wahrnehmung gemacht, daß sich die Zöllner und Dirnen am eifrigsten zu der neuen Botschaft herzudrängten. Die Parias der Nation, für die die Theokratie keine Indulgenzen mehr hatte, und alle tiefer geschädigten Gewissen, denen die leeren Formen des Pharisäismus keinen Trost boten, lauschten eifrig auf die Botschaft, daß Gott ein Vater der Liebe, der Barmherzigkeit sei, und Allen verzeihe, die ihn herzlich darum bitten. Hier fand Jesus einen Glauben und eine Liebe, die das satte und selbstgerechte Judenthum ihm stets würde verweigert haben, und seinem eigenen Wesen, als dessen Grundzug die erbarmende Liebe und der Trieb zu helfen und zu retten sich überall offenbart, entsprach diese Wendung der Dinge im innersten Herzen. „Des Menschen Sohn ist gekommen zu suchen und selig zu machen, das verloren ist“, sagt er mehr als einmal, und wenn die Pharisäer sich wundern, wie er mit Zöllnern und landkundigen Sündern könne zu Tisch liegen, so gibt er zur Antwort: „Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Gehet aber hin, und lernet, was das sei: Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer. Denn ich bin nicht gekommen, die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder."4 Es wird ein beliebtes Thema seiner Gleichnisse, daß die Rettung des Verlorenen das höchste Ziel der Religion sein müsse. Das war unter Anderem auch der ursprüngliche Sinn des Gleichnisses

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vom verlornen Sohn, das das paulinische Evangelium später auf Heidenthum und Judenthum deutete. Im Munde Jesu ist der jüngere Sohn, der die Zucht des Vaters abwirft, sein Erbe verspielt, zum Hüter der Säne herabkommt, der Jude, der sich der theokratischen Pflichten entschlagen, des Segens Abrahams verlustig gegangen und Genosse der Unreinen geworden ist, der nun aber in sich schlägt und heimkehrt zu des Vaters Hause, ein Lebender aus den Todten und als solcher vom Vater empfangen. Der israelitische Fromme aber, der gearbeitet im Weinberg des Herrn, hört die Festklänge des Empfangs und weigert sich zornig herzuzutreten. Er rechnet dem Herrn vor, wie viele Jahre er ihm gedient und wie er doch niemals wie dieser Sünder mit Paufen und Cymbeln sei gefeiert worden. Noch läßt sich der Herr des Hauses herab, sich zu entschuldigen. „Mein Sohn, sagt er, du bist allezeit bei mir und alles was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Muthes sein, denn dieser dein Bruder war todt und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wieder gefunden!" Bald aber lauten die Worte der Rechtfertigung schärfer, wie Worte der Anklage; die Pharisäer sind nicht mehr die Tadellosen und Starken, die Zöllner nicht mehr die Verlornen und Kranken. Wer, fragt er sie, hat des Vaters Willen erfüllt, der ja sagte und das Gegentheil that, oder der nein sagte, und den es nachher reuete. Wahrlich die Zöllner und Buhldirnen mögen wohl eher in's Himmelreich kommen als ihr". Und so stellte er in dem herrlichen Gleichniß vom Zöllner im Tempel beide Typen sich gegenüber: „Der Pharisäer trat hin und betete bei sich selbst also, Gott, ich danke Dir, daß ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche, ich gebe den Zehnten von Allem, was ich erwerbe. Und der Zöllner stand von ferne, wollte auch seine Augen nicht aufheben gen Himmel; sondern schlug an sine Brust, und sprach, Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch, dieser ging mehr gerechtfertigt hinab in sein Haus als jener".2 Durch solche Reden brach er denn freilich mit der mächtigen Volkspartei. Da sein Auge so kritisch auf ihr ruhte, ist auch sie herausgefordert, sein Verhalten an dem Maaßstab des Gesetzes zu messen. „Warum ißt euer Meister mit Zöllnern und Sündern?" fragt man die Jünger. „Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüßte

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er, wer und welch ein Weib das ist, die ihn anrührt", flüsterten die Pharisäer. Mit Fingern deuten sie auf den Anhang, den er sich an der Zollstätte aufgelesen hat.

Um se mehr nahm die einmal begonnene Entwickelung ihren Lauf und führte mit Nothwendigkeit schließlich auch über die Grenzen des Judenthums hinaus. Dem jüdischen Volk war das Gottesreich angeboten worden, und eben als Volk, als gegliederte Gesellschaft, hatte es den Ruf abgelehnt. Auf die Sammlung der Einzelnen sah Jesus sich angewiesen, und die da kamen, kamen eben deßhalb, weil ihnen die Theokratie nicht genügte. Jesus fand in seiner Aufgabe und in dem Begriff des Gottesreichs keinen Grund, sie abzuweisen, weil sie mit dem Priesterthum zerfallen waren. Aber dasselbe galt von den Heiden. Allerdings liegt die Sache nicht so, daß Jesus etwa, zurückgestoßen von den Juden, selbst sich zu den Heiden gewendet hätte, sondern das Heidenthum kam zu ihm. Er verhielt sich eher ablehnend als auffordernd, aber es gab Erlebnisse, die ihm den Ausruf ab= nöthigten: „Wahrlich, solchen Glauben habe ich in Israel nirgend gefunden!"

Ein Vorspiel zu dieser Wendung war sein Verhältniß zu den Samaritern. Auch abgesehen davon, daß Jesus an den Erennenden Zeitfragen innerlich unbetheiligt war, hatten in seinem Innern, wie es vor uns liegt, antipathische Stimmungen gegen die außer der Volksgemeinde Stehenden keinen Raum. Selbst wenn er auf der Wanderung nach Sidon jener Phönicierin sagte: „Laß zuvor die Kinder satt werden, denn es ist nicht recht, daß man der Kinder Brod nehme und werfe es vor die Hunde", erscheint er mehr bewegt von dem Gedanken, die Kinder darben zu sehen, als verlegt von der Forderung des heidnischen Weibes. So wird er auch von vorn herein keine widerwilligen Gefühle gegen die Samariter in sich gefunden haben, obgleich eben damals die Stimmung gegen sie besonders gereizt war, weil sie durch Roms Schutz eine starke Stellung den Juden gegenüber einnahmen und oft auch in Frechheit mißbrauchten. Auf seinen Reisen war Jesus unbedenklich durch die Ortschaften der Samariter gezogen, während der rechtgläubige Jude diesen unreinen Boden in weitem Bogen umging. Ja er besann sich nicht, in einer samaritischen Hütte Unterkunft zu verlangen, während doch die Lehrer eiferten: „Wer

1 Vgl. Keim, d. g. Chr. p. 51 ff. 2 Ant. XVIII; 2, 2.

eines Samariters Brod nimmt, ist wie Einer der Schweinefleisch ißt".1 Dabei konnte es ihm freilich begegnen, daß auch ihm die Herberge verweigert wird, darum daß er sein Angesicht gewendet hat, gegen Jerusalem zu ziehen". Höhnisch abgewiesen wollten die Zebedäiden, dem Thisbiten gleich, Feuer vom Himmel fallen lassen, Jesus aber schalt sie and wies ihren jüdischen Eifer zurecht.2 Ihm trübten solche einzelnen Erfahrungen keineswegs den Blick für die vergleichungsweise milderen Seiten des samaritischen Characters, und es war ihm unvergessen, daß jener zehnte Aussäßige, der allein für die Heilung gedankt hatte, ein Samariter gewesen war.3 Herausgefordert durch den Nationalstolz der Juden, erzählt er jene Parabel von dem Menschen, der zwischen Jerusalem und Jericho an den Räuberhöhlen vorüber fam, und unter die Mörder fiel. Priester und Levit ließen ihn liegen, während ein Samariter sich seiner annahm. So berichtete Jesus dem tugendsamen Rabbi, „der sich rechtfertigen wollte“ und sprach: „Gehe hin und thue desgleichen".4 Aehnliche Erfahrungen aber waren es, die ihn bald, zum größten Aergerniß der Rabbinen, zu der Verheißung fortschreiten ließen, daß das Gottesreich auch den Heiden solle geöffnet werden und Gefahr vorhanden sei, daß es den Juden verloren gehe. Hatte ihn nicht ein Heide, der Centurio des Antipas zu Kapernaum, der sein Haus nicht würdig fand, ihn aufzunehmen, durch seine Zu versicht zu dem Ausruf genöthigt: „Wahrlich solchen Glauben habe ich in Israel nirgend gefunden“5 und ähnlich hatte jene Phönicierin, die an ihm festhielt, troß der harten Rede von den Hunden, denen man nicht der Kinder Brod geben dürfe, ihm die Anerkennung abgenöthigt: „O Weib, Dein Glaube ist groß“.6 Aehnliche Erfahrungen muß er bereits damals gemacht haben, als er den Leuten von Nazareth durch die Behauptung Aergerniß gab, daß Gott sich schon durch die Propheten auch an das Heidenthum gewendet habe.7 Man hatte ihm damals keinen freundlichen Abschied bereitet für diese Worte, aber trozdem hat er bei Aussendung der Jünger die Predigt des Reichs noch durchaus auf die Schafe vom Hause Israel beschränkt. Jetzt aber geht er bereits viel weiter, indem er nicht nur von einer Zulassung der Heiden, sondern selbst von einer Ausschließung der Juden redet.

a Luc. 9,

51.

1 Pirke R. Eliezer cap. 38. Luc. 10, 29–37. 5 Luc. 7, 1-10. Mth. 8, 5-13. Vgl. Keim, menschl. Entw. 1. c. 7 Luc. 4, 25.

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Viele werden kommen vom Morgen und vom Abend, und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tische sißen: aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsterniß draußen; da wird sein Heulen und Zähneklappern". Es war das die Consequenz des jüdischen Unglaubens. Jesus konnte sich der Wahrnehmung nicht verschließen, daß selbst Tyrus und Sidon unter dem Eindruck seiner Thaten gläubiger sein müßten, als dieses Judenthum.1 Neben der Erinnerung an Naëman, den Syrer, und die Wittwe von Sarepta, gedachte er der heidnischen Leute von Ninive, und der Königin von Saba, die auch der Offenbarung gelauscht hatten, zu einer Zeit, in der Israel ein Volk mit tauben Ohren und verklebten Augen gewesen war. Daß diese Auffassung aber Resultat eines Fortschritts, einer Entwickelung war, das ist wie durch zwei Grenzsteine bezeichnet durch die doppelten Aussendungsworte, von denen das erste lautete: „Gehet nicht auf der Heiden Straße, noch in der Samariter Städte“, und das andere: Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker!"

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Während Jesus durch den Verlauf dieser Entwickelung sich mehr und mehr den von der Theokratie ausgeschlossenen Elementen genähert hatte, mußte er durch den gleichen Entwickelungsgang nothwendig mit den Vertretern derselben immer mehr auseinander gerathen. Seit die Zöllner seine Anhänger, die Samariter seine Günstlinge, die Heiden die Bürger seines Reiches hießen, war er für die pharisäische Partei ein Abgefallener und Volksverführer, gegen den der Kampf mit allen Mitteln aufgenommen werden mußte. Es entspricht nur dem gemeinen Lauf der Dinge, daß es zunächst nicht die geistigen Principien, sondern die Außenwerke des neuen Reichs waren, um die zuerst der Kampf entbrannte.

11. Momente des Kampfs.

Eine Geschichte des Kampfes Jesu mit den Pharisäern zu schreiben ist bei der Unsicherheit der Chronologie der einzelnen Streitreden nicht möglich. Auch scheint die weitverzweigte Partei in ihren einzelnen Fraktionen eine sehr verschiedene Stellung zur Predigt des

1 Keim, D. gesch. Chr. p. 54.

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