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Tag. Hillel, der die Vorschriften der Torah, die bisher in 248 Gebote, nach der Zahl der menschlichen Glieder, und in 365 Ver: bote, nach der Zahl der Tage eingetheilt worden waren, in 18 Titel einordnete, hatte damit den Schulstreit auf die Bahn gebracht, welches Gebot denn unter allen nun das höchste sei, und so eine Art von Classification des Sittlichen angeregt. Die Frage, welches Gebot groß sei im Gesetz, die Hillel selbst schon in einer Jesu zusagenden Weise beantwortet hatte, wurde auch Jesu von einem seiner Schulweisheit frohen Schriftgelehrten gestellt. Er aber gibt dem Frager das Schemah Jisrael, Höre Israel, der Herr unser Gott ist ein einiger Herr (5 Mos. 6, 4) zur Antwort, das die stammelnden Kinder als ihr erstes Gebet zu lernen haben,2 eine Antwort, gegen die auch vom Standpunkt der Schule schlechterdings nichts einzuwenden war. Jesus so auf der einen Seite die Specificirung des Sittlichen in einzelne Gebote bekämpft, so zeichnet er mit geradezu satirischen Zügen die Frömmigkeit, die sich in der Erfüllung eines solchen Pflichtenregisters erschöpft und in ihrem Bestreben, jedem einzelnen Gebot Genüge zu thun, sich schließlich so weit gefördert sieht, wie jener Pharisäer im Tempel, die eigenen Tugenden in Nummern aufzuzählen und am Wochenkalender anzustreichen. Das war ja auch die letzte Folge des Bestrebens, die Geseße bis zum kleinsten und jedes einzelne noch pünktlicher als alle anderen Schulgenossen erfüllen zu wollen, daß der Mensch voll Bewußtsein seiner Tugend, dieselbe sich, der Welt und schließlich auch Gott vorzuzählen wußte. Mit unerbittlicher und nie veraltender Satire geißelt darum Jesus diese gespreizten Volksheiligen und Musterisraeliten, die allenthalben das Licht ihrer Tugend scheinen lassen: ihre Praris, von den Gebetsstunden auf der Gasse überrascht zu werden, um dann im Angesicht der Oeffentlichkeit die Gebete verrichten zu können;3 den wunderbaren Zufall, daß sie immer gerade in der ersten Reihe in der Synagoge sizen; die unwilligen Mienen, wenn man sie nicht zuerst grüßt auf der Straße und im Gespräch sie nicht Rabbi, Rabbi nennt; die saueren angegriffenen Gesichter, aus denen man sehen soll, daß sie einer Ertrafasttag machen ;4 die Prahlerei ihres Almosengebens, das mit Posaunen auf den Straßen verkündet wird; ihre Gewissenhaftigkeit beim Zehnten, die selbst die paar Körner Anis verzehntet, die in ihre Küche kommen, und ihre

1 Grätz 3, 226.

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2 Mr. 12, 28. 3 Mth. 6, 5.

+ Mth. 6, 16.

heilige Reinheitsangst, die den Wein vor dem Trinken seiht, um auch keine Mücke zu verschlucken. So bis in die kleinen, ein Lächeln weckenden, Eitelkeiten des äußeren Auftretens verfolgte er all diese Absurditäten des Pharisäismus, daß selbst die Feinheiten einer frommen Kleidung seinem Spotte nicht entgehen. Wenn das Judenthum im Gesetz las: „Du sollst die Gesetzesworte binden zum Zeichen auf deine Hand, und sollen dir ein Denkmal vor deinen Augen sein, und sollst sie über deines Hauses Pforten schreiben, und an die Thore", so hatte die jüdische Frömmigkeit diese bildliche Mahnung wörtlich genommen. Vom dreizehnten Jahre an band man in zwei Kapseln die eine Hälfte der obigen Vorschriften an Lederriemen auf der Stirne fest, während man die andere in vier Abtheilungen auf Pergament an der Innenseite des linken Armes zunächst dem Herzen unterbrachte. So hatte man buchstäblich das Gesetz immer vor Augen und am Herzen. Schon die Sadducäer machten gegen diese vollendete Aeußerlichkeit die Glosse, daß die angeführte Stelle des Deuteronomium so wenig wörtlich zu nehmen sei, als Proverb. 3, 3: Laß Frömmigkeit und Warheit niemals von deiner Seite. Hänge sie wie ein Halsgeschmeide um und schreibe sie in die Tafel deines Herzens".2 Aber nur um so größer schnitten darum die Pharisäer ihre Denkzettel, rechte Symbole, wie man das Gesetz äußerlich abzuthun gedachte. So trugen sie auch die Quasten an den Enden des Mantels, die das jüdische Gewand auszeichnen sollten, damit ihr, wo ihr sie ansehet, gedenket der Gebote Jehova's", so groß als möglich, um aus der Länge der Zizith auf den Umfang ihrer Frömmigkeit schließen zu lassen.3 Auch solche fleine Eitelkeiten erläßt ihnen Jesus nicht. Alle ihre Werke, sagt er, thun sie, daß sie von den Leuten gesehen werten. Denn sie machen. ihre Betriemen breit und die Quasten an ihren Kleidern groß. Sie gehen einher in langen Gewändern und lassen sich gern grüßen auf den Märkten und haben gern die ersten Size in den Schulen und die ersten Plätze bei den Gastmälern; die der Wittwen Häuser fressen und zum Schein lange Gebete halten".4 „Wenn ihr betet, ist darum seine Weisung an die Jünger, sollt ihr nicht sein, wie die Heuchler, die da gern stehen und beten in den Schulen und an den Straßenecken, auf daß sie den Schein haben vor den Leuten und wenn du

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Almosen gibst, sollst du nicht vor dir her posaunen wie die Heuchler thun in den Schulen und auf den Gassen, auf daß sie von den Leuten gepriesen werden“.1

Wenn wir nun Jesum in einer Welt, in der es außer den Verirrungen der Gesezesgerechtigkeit doch auch noch viele andere Hindernisse des Gottesreiches wird gegeben haben, mit diesem besonderen Nachdruck und solch unerbittlicher Polemik gerade gegen diese Richtung auftreten sehen, so handelte er darin in Consequenz der zeitgeschichtlichen Situation. Für den Augenblick erkennt er in der Herrschaft der Pharisäer das Haupthinderniß des Gottesreiches. Das Volk war zu sehr in ihren Händen, als daß vor ihrer Demüthigung an einen Erfolg im Großen gedacht werden konnte. Sie sißen auf dem Stuhle Mosis und haben die Schlüssel des Himmelreichs. Dem Volke schließen sie es zu und kommen doch selbst nicht hinein. Sie sind blinde Blindenleiter, die mit den Mißleiteten zusammen der Grube zuwandeln. Wie die Herrn des Volkes sind sie aber zugleich mit ihrem Sagungswesen eine wahre Last desselben. Jesus wirft ihnen vor, daß sie dem Volke schwere unerträgliche Bürden schnüren und auf die Schultern legen, aber keinen Finger rühren, um sie dem Nächsten zu erleichtern.? Ihre unzähligen Gebote, die kein Mensch auch nur im Gedächtniß behalten kann, und die man darum auf Schritt und Tritt ganz unwissentlich überschreitet, vergleicht er den verdeckten Gräbern, auf die man unversehens tritt und sich verunreinigt, ohne es zu wissen, wie Solches vor Kurzem Antipas beim Bau des benachbarten Tiberias begegnet war. In bewußtem Gegensatz zu dieser Härte betont Jesus mit Nachdruck, daß sein Joch sanft und seine Last leicht sei, und daß er statt neuer Qualen Ruhe gebe den bekümmerten Seelen.

Es sind im Einzelnen wenig Andeutungen darüber erhalten, welchen Erfolg dieser Kampf gegen den Pharisäismus gehabt hat, aber der Schlußverlauf des Lebens Jesu zeigt deutlich, daß im Ganzen das Volk sich dennoch auf die Seite der Pharisäer stellte. Zumal in Jerusalem selbst und in Judäa hatte die fanatische Heßerei der Frommen einen günstigen Boden, denn dort war die Menge wenig disponirt, den Sinn eines Gottesreichs zu verstehen, dessen Frömmigkeit nicht in Gesetzeserfüllung bestehe. Aber auch in Galiläa gönnte ihm dieser

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Kampf gegen eine so rührige Gegnerschaft kaum mehr eine ruhige Stätte. Jesus hatte Grund, Kapernaum zu meiden, und auch sonst am See wechselte er, wie wir sahen, häufig den Aufenthalt.1

12. Jesus und die Messiasidee.

Die letzte Reise, die Jesus vor der kommenden Passahzeit, also gegen Ende des Winters antrat, hält sich durchaus in den Grenzen des soeben in römische Verwaltung übergegangenen Landes des Philippus. Von Bethsaida ausgehend, wendet er sich nach dem Norden. Auf dem Weg nach Cäsarea Philippi, wo über dem schluchtenreichen Oberland die schneeigen Spitzen des Libanon und Hermon schimmern, zieht er mit den Zwölfen von Dorf zu Dorf.2 Je höher die Straße ansteigt, um so herrlicher wird der Anblick der Schneeberge. Im Norden lagert der gewaltige Hermon, dessen Schneefelder in der Sonne glänzen, im Nordwesten starren die dunkelen, riesigen Massen des Libanon.3 Ueber die sumpfige Hochebene des oberen Jordanthales steigt der Weg zur Stadt Cäsarea Philippi empor, dem schönsten Ort des heiligen Landes, der an den geheimnißvollen Quellen des heiligen Stromes gelegen war. Im Nordosten, umgrenzt von tiefen Schluchten, ragt heute noch das Castell von Paneas, der Thurm auf dem Libanon, der gen Damaskus schaut“, dessen Anblick schon der Sänger des hohen Liedes gepriesen. Unter dem Thurme braust der Waldbach, in dessen Strudel ein halbes Jahrtausend zuvor der Dichter des zweiundvierzigsten Psalmes, ein gramerfüllter, gefangener Mann, hinabgeschaut: „Meine Seele ist gebeugt in mir, weil ich dein gedenke aus dem Lande des Jordans und der Hermenberge; Fluth ruft der Fluth beim Rauschen deiner Wasserfälle; all deine Wogen, all deine Wellen gehen über mich".5 Südwestlich von der Stadt dacht sich das Plateau langsam ab. Zahlreiche Nischen bezeugen noch jetzt die Orte, wo einst die Bildsäulen der Nymphen des Stromes und der Satyre ge= standen. Hier hatte Herodes aus weißem Marmor dem Augustus

1 Mr. 8, 10. 13. 22.

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einen Tempel gebaut, und der eben verlebte Philippus hatte es sich zu einer Lieblingsaufgabe seines friedsamen Regiments gemacht, die Stadt mit Altären, Votivbildern und Statuen zu schmücken.1 / An der über den Quellen des Jordan sich erhebenden Felswand gähnt eine dunkle Höhle. Man sagte, wenn man der Schlucht in's Innere des Berges folge, so gelange man zu einem verborgenen See; die Quellen am Fuße des Hügels galten für den Abfluß desselben. Alles hier war neu und doch geheimnißvoll, und die Zeitgenossen, die den ganzen Bezirk dem großen Pan geweiht, hatten Wald und Feld mit Sagen. heidnischer Mythologie reichlich umkleidet. Wir werden Cäsarea Philippi in dieser Geschichte nochmals begegnen. Nach Eroberung Galiläa's suchen Titus und seine Geliebte Bernike, Agrippa II. und die anderen vornehmen Ueberläufer hier eine Sommerfrische. Da rauscht das Thal von frevler Siegesfreude und durch die stille Nacht klirrt der Becherklang. Im Frühling 35 war es ein Ort stiller Sammlung, verödet durch Philippus Tod, in den Händen der Römer ein sicheres Asyl des flüchtigen Messias. Den heimischen Kämpfen weit entrückt, ward es Jesu letter Ruhepunkt, wo er in der Stille die rechte Verständigung mit seinen Jüngern zu finden hoffte.

Es war in der Gegend von Cäsarea Philippi zum ersten Mal,2 daß Jesus mit seinen Anhängern über seine messianische Würde redete, sich zugleich aber das Ende Johannes des Täufers in Aussicht stellte. So wird denn auch hier der richtige Ort sein, Jesu Stellung zur Messiasidee in's Auge zu fassen.

Wie es je und je in der Geschichte der Völker gewesen ist, daß die Ideen, die die Vielen lang bewegten, endlich in einem Bewußtsein zur Klarheit, in einem Willen zum Entschluß reifen, so hatte in Jesu der messianische Gedanke persönliches Sein gewonnen. Zu der Predigt des Reichs war Jesu die Anregung, wie wir sahen, von Johannes gekommen. Er hatte, wie Jener, das Reich verkündet und hatte es, was Johannes nicht vermochte, auch geschaffen. Dieses Reich hatte aber, wie es die Propheten beschrieben und wie es lebte im Glauben Israels, einen persönlichen Mittelpunkt. Das messianische Reich war das Reich des Messias. Johannes hatte den Anspruch nicht erhoben, diesen Mittelpunkt zu bilden; er wußte, daß

1 Ant. XV; 10, 3. Bell. I; 21, 3. III; 10, 7. Vita 13. Renan, 2 Nach der ganzen Haltung von Mr. 8, 27-34.

chap. 8.

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