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wird, wenn man sich bemüht, einigen Theologen das Leben sauer zu machen. Die Theologie ihrerseits hat diese Lage gar nicht geschaffen. Zu der genaueren Kenntniß der Zeit und Heimath des Urchristenthums haben Orientalisten, classische Philologen und Palästinareisende die werthvollsten Beiträge geliefert, und so ist es gekommen, daß jezt Vieles im Zusammenhang zeitgeschichtlicher Vorstellungen und Verhältnisse sich darstellt, was vordem als specifische Offenbarung gegolten hat. Was bei Philo, Josephus und den Rabbinen zeitgeschichtliche Theologie ist, das kann nun einmal bei den Aposteln nicht Inspiration sein. Diese Situation ist durch die Entwickelung der letzten Jahrzehnte gegeben, wir haben sie nicht gemacht. Nun ist es immer so gewesen, daß die ersten Versuche, eine von der Zeit überholte Darstellungsweise der religiösen Grundthatsachen, durch eine entsprechendere zu ersetzen, zunächst sich dem Verdacht ausseßten, das Religiöse selbst zu schädigen. In diesem Stadium befinden wir uns heute auch auf geschichtlichem Gebiet".

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Indem wir diesen Standpunkt zur Sache heute noch festhalten, läugnen wir im Uebrigen durchaus nicht, daß die ersten Versuche einer rein geschichtlichen Behandlung der Anfänge unserer Religion noch manchfach ungenügend sind.

In wie großartiger Weise Chr. Ferd. Baur vor dreißig Jahren schon diese Aufgabe angegriffen hat, ist bekannt. Die innere Kritik historischer Quellen ist nie stolzer gehandhabt worden als beispielsweise in seiner Kirchengeschichte der drei ersten Jahrhunderte. 6.8 galt damals das gesammte literärische Material zu sichten und jedem Stück seine Stellung zuzuweisen. So wurde die alte Kirchengeschichte zunächst vorherrschend Literaturgeschichte. Allein die Darstellung des literärischen Processes ist nur ein Theil der zu lösenden Aufgabe. Die literärischen Denkmale sind immer nur ein zufälliger Niederschlag der geschichtlichen Bewegung, nicht diese selbst. Neben dem Kampf um theologische Auffassungen, der sich vornehmlich in der Literatur darstellt, steht noch ein reiches geschichtliches Material, für das sich

Baur weniger interessirte. Die eigentliche treibende Kraft des Christenthums war nicht seine Theologie, sondern der starke religiöse und ethische Impuls, der von Jesus ausging, Anderes ist lediglich local und individuell, Vieles entwickelt sich aus den Beziehungen der jungen Kirche zu ihrem Jahrhundert und dem Staat. Das Bild der theoLogischen Bewegung, das Baur so großartig gezeichnet hat, zu ergänzen nach diesen Seiten, ist die Aufgabe, die die historische Theologie von dem großen Todten überkommen hat. Eine Wendung zur Herstellung der geschichtlichen Zusammenhänge, in die die Urkirche mit ihrer Zeit verflochten war, hat zuerst Renan genommen. Allein so gewiß derjenige die innere Ueberlegenheit des Christenthums über die Mächte seiner Zeit nicht begriffen hat, der zur Erklärung seines Siegs der mechanischen Fortbewegung durch Wunder bedarf, eben so wenig läßt sich die große Bewegung mit den kindischen Vehikeln erklären, die Renan aufzeigt. Allerlei idyllische Situationen, läppische Zufälligkeiten, unschuldige Betrügereien machen keine neue Weltanschauung. Die Geschichte verbittet sich solche kleinliche Ableitungen, zumal die religiöse.

Worauf es ankommt, ist vielmehr die innere Ueberlegenheit des Christenthums über die Anschauungen und Tendenzen der damaligen Welt zu begreifen, so daß sich sein Gang versteht ohne die Krücke des Wunders und fördernder Zufälligkeiten. Es gehört dazu freilich vor Allem ein religiöses Verständniß, das für die Kraft der hier wirkenden Faktoren eine richtige Schätzung hat. Wenn die bewußte und prinzipielle Irreligiosität es unternimmt, das „Leben Jesu“ zu schreiben, so wird man dagegen immer einwenden dürfen, daß man, um einen Religionsstifter zu verstehen, gerade so gut religiös sein muß, als man musikalisch sein muß, um eine brauchbare Geschichte der Musik zu verfassen. Nur daraus, daß er die religiösen Kräfte nicht zu würdigen vermag, erklärt sich das abenteuerliche Urtheil von David Strauß, daß alles Wahre und Gute, was Jesus gesprochen habe, kaum in Betracht komme gegenüber den Wirkungen des Auferstehungsglaubens, weßhalb, historisch genommen, dieser als der größte welthistorische Humbug

zu bezeichnen sei, der jemals vorgekommen. Das also wäre historisch gedacht, eine Revolution wie das Christenthum aus einer Wahnvorstellung herzuleiten? Wenn eine Anschauung die andere ablöst, hat das seine inneren Gründe, und wo die fehlen, werden weder wirkliche noch eingebildete Mirakel die Weltgeschichte aus ihren Bahnen werfen. Demjenigen aber, der für die Macht religiöser Impulse keine Schätzung hat, werden freilich alle jene gewaltigen Umwandlungen der Weltgeschichte, die von diesem Punkte ausgingen, unverständlich bleiben und weil er Bewegung sieht, ohne die treibenden Kräfte zu erkennen, erscheint ihm der ganze Vorgang als Humbug! Eine solche Auf.fassung mag interessant sein, nur historisch nenne man sie nicht.

Eine geschichtliche Betrachtung des Christenthums ist nur die, die den Sieg des Christenthums als einen innerlic; nothwendigen begreift. Zu dieser Aufgabe will das vorliegende Buch in so fern einen Beitrag liefern, als es die Zeitlage jener großen Epoche beschreibt und zugleich zu schildern versucht, wie diese Zeit selbst sich in den kleinen religiösen Kreisen darstellte. Sollte es dabei zuweilen den Anschein haben, als ob die Zeitgeschichte sich in eine neutestamentliche Geschichte verwandle, so möge man das damit entschuldigen, daß die äußeren Einwirkungen der Zeit auf die junge Kirche zugleich immer bedingt waren von der inneren Entwicklung derselben. Der bevorstehende Abschluß des ganzen Werks wird dem Leser dennoch den Beweis liefern, daß der Verfasser sich seines Planes bewußt blieb.

Heidelberg, den 1. April 1873.

Hausrath.

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