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Drittes Kapitel.

Goethe.

Bis zur italienischen Reise.

1.

Leipzig, Straßburg, Weglar.

Nicht ohne Behagen erzählt Goethe in Wahrheit und Dichtung, daß bei seiner Geburt der Stand der Gestirne günstig gewesen. Schon in Straßburg hatte er sich, wie aus den von 2. Schöll herausgegebenen »Briefen und Auffåßen« (S. 69) zu ersehen ist, in eines seiner Studienhefte angemerkt, daß ein altes astronomisches Lehrgedicht den unter dem Zeichen der Venus Geborenen eine glückliche Schriftstellerlaufbahn verheiße.

Es muß etwas wahrhaft Damonisches in der strahlenden Jugenderscheinung Goethe's gelegen haben. Von Anbeginn macht er überall, wo er auftritt, sogleich den Eindruck eines »ganz singularen Menschen«. Unter seinen Knabengespielen ist er immer der Erste. Jeht, da wir durch erhaltene Briefe in sein Leipziger Leben einen genaueren Einblick haben als der eigene Bericht Goethe's gestattet, wissen wir, daß auch seine Leipziger Freunde schon seine künftige Größe ahnten. Jung-Stilling hat aus der Straßburger Zeit lebhaft geschildert, wie der lebensfrohe, liebenswürdig gutmüthige Jüngling, mit seinen frischen großen Augen und der prachtvollen Stirn und dem schönen Wuchs,

Hettner, Literaturgeschichte. III. 8. 1.

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einem Gott gleich den unwiderstehlichsten Zauber übte und in seinem gesellschaftlichen Kreise unbestritten die Regierung führte, obgleich er sie niemals suchte. Kestner, der Albert im Werther, kann in seinem Wehlarer Tagebuch aus der Zeit der ersten Bekanntschaft mit Goethe nicht müde werden, sich über die überraschenden Eigenthümlichkeiten des dreiundzwanzigjährigen jungen Mannes Rechenschaft abzulegen; zulcht bricht er mit den Worten ab: »Ich wollte ihn schildern, aber es würde zu weitläufig werden, denn es läßt sich gar viel von ihm sagen; er ist mit einem Wort ein sehr merkwürdiger Mensch; ich würde nicht fertig werden, wenn ich ihn ganz schildern wollte." Und mit jedem Jahr wächst die Bewunderung Aller, die das Glück haben, in seine Nähe zu treten. Am 13. September 1774 schreibt Wilhelm Heinse (Bd. 8, S. 118) an Gleim: »Goethe war bei uns, ein schöner Junge von fünfundzwanzig Jahren, der vom Wirbel bis zur Zehe Genie und Kraft und Stärke ist, ein Herz voll Gefühl, ein Geist voll Feuer mit Adlerflügeln; ich kenne keinen Menschen in der ganzen gelehrten Geschichte, der in solcher Jugend so rund und voll von eigenem Genie gewesen wåre wie er; da ist kein Widerstand, er reißt Alles mit sich fort. Und Jacobi (Auserles. Briefwechsel, Bd. 1, S. 179) schreibt an Sophie La Roche: »Goethe ist nach Heinse's Ausdruck Genie vom Scheitel bis zur Fußsohle; ein Besessener füge ich hinzu, dem fast in keinem Fail gestattet ist, willkürlich zu handeln. Man braucht nur eine Stunde bei ihm zu sein, um es im höchsten Grad lächerlich zu finden, von ihm zu begehren, daß er anders denken und handeln solle als er wirklich denkt und handelt. Hiermit will ich nicht andeuten, daß keine Verånderung zum Schöneren und Besseren in ihm möglich sei; aber nicht anders ist sie ihm möglich als so wie die Blume sich entfaltet, wie die Saat reift, wie der Baum in die Höhe wächst und sich krönt.« Auf Goethe geht es, wenn Klinger in seinem

Trauerspiel »Das leidende Weib« eine der handelnden Personen sagen läßt: »Ein wunderbarer Mensch, der Doctor! der Erste von den Menschen, die ich je gesehen, der alleinige, mit dem ich sein kann. Der trågt Sachen in seinem Busen! Die Nachkommen werden staunen, daß je so ein Mensch war!« Selbst Wieland, den der junge Dichter durch seine humoristische Satire »Götter, Helden und Wieland« in jugendlichem Uebermuth herausgefordert und tief verleht hatte, war, wie sein eigener Ausdruck lautet, nach der ersten persönlichen Berührung mit Goethe so voll von ihm wie ein Thautropfen von der Morgensonne; er nennt ihn einen Zauberer, einen schönen Herenmeister mit schwarzem Augenpaar und Götterblick; nie habe in Gottes Welt sich ein Menschensohn gezeigt, der alle Güte und alle Gewalt der Menschheit so in sich vereinige, so mächtig alle Natur umfasse, so tief sich in jedes Wesen grabe und doch so innig im Ganzen lebe.

Von Kindheit auf war der Grundzug seines Wesens unbeirrbar in ihm ausgesprochen. Wie Goethe in seinem Alter eine volle und in sich abgeschlossene Persönlichkeit vorzugsweise eine Natur zu nennen liebte, so geht auch bereits durch das vielthätige, oft scheinbar ziellos umherschweifende Lernen und Treiben des Knaben der dunkle, aber nichtsdestoweniger sich des rechten Weges bewußte Drang, den vollen und ganzen Menschen in sich herauszubilden und dieses freie Menschenthum unbedingt und rückhaltslos auf die ungestörte Gesundheit und Entfaltung der reinen Natur zu stellen. Und wie Goethe sein ganzes reiches Leben hindurch die Gewohnheit und das unabweisbare Bedürf niß hatte, Alles, was seine tiefe und leicht erregliche Seele erfreute, quålte und beschäftigte, zu eigener Selbstbefreiung in die verklärende Höhe dichterischer Gestaltung emporzuheben, so daß er eben dadurch der Dichter des tiefsten Seelenlebes reiner und gebildeter Menschlichkeit wurde wie kein anderer Dichter vor ihm

und nach ihm, so wandelten sich auch bereits dem Knaben alle Erlebnisse und Anlåsse, ja selbst die alltäglichsten Schulübungen, unwillkürlich in kleine Gedichte, Romane und Dramen, und kein Glück erschien ihm lockender und wünschenswerther als der Lorbeerkranz, der den Dichter zu zieren geflochten ist.

Schon die Dichtungen der Leipziger Studentenjahre find daher von entschiedener Bedeutung und Eigenthümlichkeit. Nur in den Oden an Behrisch (Bd. 2, S. 35) und in der Ode an Zacharia (Bd. 6, S. 55) hört man noch die alte Weise Klopstock's und Ramler's; dagegen sind die zwanzig Gedichte, welche im October 1769 unter dem Titel »Neue Lieder, in Melodien gesetzt von Bernhard Theodor Breitkopf« ohne den Namen des jungen Dichters erschienen, bereits so durchaus im Geist åchtester Goethe'scher Lyrik, so innig, so leicht und natürlich, daß sie spåter fast alle, nur mit geringen Veränderungen, in die Gedichtsammlung aufgenommen wurden; ja einige derselben, wie insbesondere die Brautnacht (Bd. 1, S. 42), die Freude (Bd. 2, S. 207), Wechsel (Bd. 1, S. 52), find von den besten Gedichten der besten Zeit ununterscheidbar. Und dasselbe hervorstechende Streben nach lebendiger Naturwahrheit liegt auch in den beiden gleichzeitigen kleinen Lustspielen, so gezirkelt und förmlich sie noch im zopfigen Alexandrinerschritt einherschreiten. In der »Laune des Verliebten« die bebånderten Buben und Mädchen des französischen Schäferspiels, wie dieselben namentlich durch Gellert auch auf der deutschen Bühne siegreichen Eingang gefunden; aber unvergleichlich anmuthsvoller und mit dem frischen herzgewinnenden Hauch selbsterlebter Empfindung. In den »Mitschuldigen« noch ein sehr dilettantisches Hinübergreifen in criminalistische Motive, welche ganz und gar aus dem Kreise reiner Komik heraustreten; aber ein scharf ausgesprochener Sinn für Raschheit der Handlung und für drastischen, oft sogar possenhaften Situationenwiß. Zumal gilt dies von der ersten ursprünglichen Niederschrift,

welche bisher ungedruckt ist, sich aber von Goethe's eigener Hand geschrieben durch glücklichen Zufall erhalten hat und sich jest im Besitz des Regierungsrath Wenzel in Dresden, des Verfassers des bibliographischen Handbuchs »Aus Weimars goldenen Tagen (Dresden, 1859)«, befindet. Es ist ein einaktiges Lustspiel von vierzehn Auftritten. Eine zweite Bearbeitung, im Jahr 1769 ebenfalls von Goethe's eigener Hand geschrieben, die aus dem Nachlaß Friderikens von Sesenheim stammt und jetzt zu den unschäzbaren Schäßen der Goethebibliothek Salomon Hirzel's in Leipzig gehört, ist jene Bearbeitung, von welcher Goethe im achten Buch von Wahrheit und Dichtung (Bd. 21, S. 166) berichtet, daß sie ihn nach seiner Rückkehr aus Leipzig in Frankfurt beschäftigte. Un Schwankhaftigkeit und dramatischer Bewegtheit steht diese zweite Bearbeitung hinter der ersten weit zurück; aber fie ist klarer und feiner in der Motivirung der Exposition, reiner und gehobener in der Sprache, sorgsamer in der Verwerfung des Schlüpfrigen und Verfänglichen. In dieser Form ist das kleine Stück in den siebziger Jahren oft auf dem Liebhabertheater in Weimar gespielt worden; Goethe spielte wiederholt die Rolle des Alcest. Die jest vorliegende Fassung enthält vielfache Verände= rungen; sie beruht auf den Ausgaben von 1787 und 1806.

Es eröffnet einen tiefen Blick in den ringenden Naturdrang, welcher schon in diesen ersten Anfången so bemerkbar hindurchbrach, wenn Goethe (vgl. Briefe an Leipziger Freunde, herausgegeben von D. Jahn, 1849, S. 158) am 13. Februar 1769 an Friderike Deser schreibt: »Wie möchte ich ein paar hübsche Abende bei Ihrem lieben Vater sein; ich hätte ihm gar so viel zu sagen! Meine gegenwärtige Lebensart ist der Philosophie gewidmet. Eingesperrt, allein, Zirkel Papier, Feder und Dinte, und zwei Bücher, mein ganzes Rüstzeug. Und auf diesem einfachen Wege komme ich in Erkenntniß der Wahrheit oft so weit und weiter als Andere mit ihrer Bibliothekarwissenschaft. Ein

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