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und Schiller auf der höchsten Höhe ihres großartigen Bildungsganges mit so tiefer innerer Wahlverwandtschaft zu den Griechen gezogen wurden. In jenem denkwürdigen Briefe vom 23. August 1794, in welchem Schiller das Wesen und Streben Goethe's mit so meisterhafter Klarheit und Schärfe gezeichnet hat, schreibt Schiller an Goethe: »Wåren Sie als ein Grieche, ja nur als ein Italiener geboren worden, und håtte schon von der Wiege an eine auserlesene Natur und eine idealisirende Kunst Sie umgeben, so wåre Ihr Weg unendlich verkürzt, vielleicht ganz überflüssig gemacht worden. Schon in die erste Anschauung der Dinge håtten Sie dann die Form des Nothwendigen aufgenommen, und mit Ihren ersten Erfahrungen håtte sich der große Stil in Ihnen entwickelt. Nun, da Sie als ein Deutscher geboren find, da Ihr griechischer Geist in diese nordische Schöpfung geworfen wurde, so blieb Ihnen keine andere Wahl als entweder selbst zum nordischen Künstler zu werden oder Ihrer Imagination. das, was ihr die Wirklichkeit vorenthielt, durch Nachhülfe der Denkkraft zu ersehen und so gleichsam von innen heraus und auf einem rationalen Wege ein Griechenland zu gebåren.«< Und dies tiefsinnige Wort gilt nicht blos von Goethe, sondern mit geringer Einschränkung auch von Schiller selbst. Weil Goethe und Schiller die Entfaltung und Bethätigung der reinen und schönen Menschennatur, die ihr sittliches und künstlerisches Ideal, der Gewinn und das Ziel ihrer Bildung war, in ihrer eigenen Gegenwart und Wirklichkeit nicht fanden, suchten sie sich von dieser Gegenwart und Wirklichkeit möglichst loszulösen und auf die schöne Menschlichkeit der alten Welt und deren einfach hohe Kunst und Dichtung zurückzugehen. Es ist eine der wunderbarsten Thatsachen, in welcher großartig freien und lebendigen Weise diese beabsichtigte künstlerische Wiedergeburt hellenischer Art und Kunst ihnen gelang. Vor Allem Iphigenie, Tasso, die römischen Elegieen, Hermann und Dorothea und die gleichzeitigen

kleineren Idyllen Goethe's sind die unvergånglichen Denkmale dieses gewaltigen Strebens. Schiller stellt sich mit seinen Ele gieen und Epigrammen und tragödie würdig zur Seite.

mit seiner großen Wallensteins Goethe und Schiller sind in

der Geschichte der Dichtung, was Rafael und Michelangelo und die großen Italiener der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts in der Geschichte der bildenden Künste sind. Hier wie dort ist die Reinheit und Hoheit der alten Kunst höchstes Muster; aber hier wie dort behålt der lebendige Herzschlag des eigensten heimischen Denkens und Empfindens seine unverbrüchlichen Rechte und führt zu den reizvollsten Erfindungen. Die Dichtung Goethe's und Schiller's ist Renaissance im höchsten und schönsten Sinn. Wer hier von willkürlichem und gewaltsamem Abfall von der Macht und Frische des Volksthümlichen spricht, ahnt und weiß nicht, daß in der vollendeten Kunst Gehalt und Gestalt unbedingt eins sind. Aber fühlbar macht es sich doch, daß diese hohe Idealität unserer größten Geister nicht, wie es naturgemåß sein soll, von der Welt, in welcher sie lebten und wirkten, gehoben und getragen, sondern unaufhörlich von derselben gehemmt und durchkreuzt wurde. Die naive Sicherheit des Stilgefühls wurde beirrt. Es war schwer und fast unvermeidlich, daß, was zuerst tief innerliche lebendige Nachbildung gewesen, allmålich in äußerliche Nachahmung und in allerlei blos philologische Experimente und Spielereien entartete. Goethe dichtete die kalte verkünftelte Achilleis und verfiel in der Natürlichen Tochter, in Pandora und in den dramatischen Festspielen aus dieser Zeit, in eine wirre Symbolik und Allegorik, von welcher sich seine dramatische Gestaltungskraft nie wieder erholt hat. Schiller verlor sich in seinen spåteren Dramen mehr und mehr in die trüben Irrgånge falscher Schicksalstragik und fand erst im Tell wieder die sichere Bahn des unmittelbar Volksthümlichen.

Auch in Maximilian Klinger, einem der wenigen Stürmer und Dränger, die gleich Goethe und Schiller durch Größe und Ernst des Charakters sich zu fester und månnlicher Klarheit herausarbeiteten, und in Jean Paul ist dieser klaffende Widerspruch zwischen dem unverbrüchlichen Menschheitsideal und der idealitätslosen Wirklichkeit das stete Thema; nur daß bei ihnen die Lösung nicht eine freie und harmonische Versöhnung ist, sondern in dem Einen herbe menschenverachtende stoische Entsa= gung, in dem Andern das bunte Farbenspiel humoristischer Weltbetrachtung.

Und in demselben tiefgreifenden Widerspruch haben wir auch den Schlüssel für die Entwicklungskämpfe der gleichzeitigen bildenden Kunst. In innigster Uebereinstimmung mit den großen dichterischen Bestrebungen Goethe's und Schiller's und von diesen auf's tiefste angeregt und gefördert, erblüht die bildende Kunst in Carstens und sodann in Thorwaldsen und Schinkel zur wunderbarsten Wiedergeburt reinsten und schönsten Hellenenthums, wie so geniales und lebendiges Antikisiren nur dem Zeitalter der Goethe'schen Iphigenie möglich war. Aber gar bald zeigte sich, daß diese hohe und ideale Formenwelt, weil nicht aus dem eigensten Geist der Zeit herausgeboren, in ihrer strengen Ausschließlichkeit dem modernen Gefühl und Bedürfniß zu eng und zu fremd war. Die einseitigste Anlehnung an die mittelalterliche Kunst stellte sich zu der antikisirenden Richtung in erbittertsten und erfolgreichen Gegensatz. Und noch heut haben wir keinen allgemein bindenden Stil gefunden, und werden ihn nicht finden, bevor nicht die Wirklichkeit selbst wieder eine künstlerisch schöne geworden.

Nur die Musik in der Tiefe ihres elementaren Gefühlslebens bleibt von diesen Schwankungen und Befangenheiten unberührt. Es ist die Zeit Mozart's und Beethoven's.

Es kann und wird dereinst gelingen, diesen Zwiespalt zwischen

Poesie und Leben, diesen traurigen Bruch zwischen den inneren Bildungsidealen und dem äußeren Dasein aufzuheben.

Die hohen Ideale und Ziele åchter harmonischer Menschenbildung, wie sie unsere große klassische Literaturepoche in ernsten und unablåssigen Bildungsmühen gefunden und in unsterblichen Dichtungen in Aller Herzen geschrieben hat, sind unverlierbar. Sind wir Deutschen in unserem Fühlen und Denken, in unserem Verhalten gegen die Sahungen der Kirchenlehre und der äußeren Sitte, freier und unerschrockener als die Engländer und die romanischen Völkerschaften, so haben wir dies lediglich der großen Erbschaft zu danken, welche wir von Kant und von Goethe und Schiller empfangen haben.

Und endlich sind wir in eine neue Epoche unserer Volks= entwickelung getreten. Die gewaltigen Ereignisse der lehten Jahre haben die Thaten der Våter vollendet. Aus Privats menschen sind wir politische Menschen geworden, dem Geist haben wir den entsprechenden Körper, der Freiheit und Schönheit höchster Bildung haben wir den naturnothwendigen Grund und Abschluß eines mächtigen und freien Volkslebens, einer schönen und lebenswerthen Wirklichkeit gegeben.

Gewiß war es einseitig und nur ein Zeugniß der politischen Unreife der Zeit, wenn Schiller in feinen inhaltsvollen Briefen Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen« den allgemeinen politischen Lehrsaß aufstellen wollte, daß man, um das politische Problem in der Erfahrung zu lösen, durch das ästhetische den Weg nehmen müsse, weil es die Schönheit sei, durch welche man zu der Freiheit wandere; Schönheit und Freiheit stehen in unauflöslichster Wechselwirkung. Aber Thatsache ist, daß die deutsche Geschichte seltsamerweise diesen Gang genommen hat.

Wir haben wahrlich nicht Ursache, über diesen scheinbaren. Umweg, der uns zum ersten Bildungsvolk der Welt gemacht hat, mit der Geschichte zu hadern. Nur wird es darauf an=

kommen, daß wir in der Sorge und Wirrniß unserer neuen politischen Arbeit die hohen Bildungsideale unserer großen Denker und Dichter nicht aus den Augen verlieren, sondern sie mit voller Bewußtheit immer mächtiger und mächtiger ausgestalten und verwirklichen.

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