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daß ich mich endlich finde und dann mich nie verliere; komm, sei mein Führer, Rousseau!« Und auch als allmålich zu Rousseau noch Hume und Shaftesbury (ebend. Bd. 1, 2. S. 298), Leibniz, Plato und Baco (3ur Philosophie und Geschichte, Bd. 18, S. 13) hinzugetreten waren, erweiterte sich zwar sein Gesichtskreis, aber das innerste Wesen seiner Empfindungs- und An= schauungsweise blieb unverändert dasselbe.

Die wichtigste Urkunde der Bildungsgeschichte Herder's ist das überaus denkwürdige Reisetagebuch, welches er größtentheils auf den Fluthen der Ostsee schrieb, als er 1769 als vierundzwanzigjähriger Jüngling sich von seinem einförmig engen Lehrerund Predigeramt in Riga losriß und zur Gewinnung neuer und größerer Lebenseindrücke auf gut Glück in die weite Welt fuhr. Wie ist es so ganz im Sinne Rousseau's, wenn Herder (Lebensbild, Bd. 2, S. 158) hier auf's tiefste beklagt, nur ein Tintenfaß von gelehrter Schriftstellerei, nur ein Wörterbuch von Künsten und Wissenschaften, ein Repositorium voll Papier und Bücher zu sein, und wenn er sich mitten in diesen Klagen in den feurigsten Ausdrücken gelobt, fortan nur dem werkthåtig handelnden Leben gehören zu wollen! Spielt er doch sogar zu Zeiten. (S. 182) mit dem hochfliegenden Gedanken, dereinst als erfahrener und wagender Staatsmann der rettende Genius Liefland's zu werden! Und am wärmsten schlägt sein Herz und am vollsten und nachdrücklichsten erströmt seine begeisterte Rede, wenn er, seine weitgreifenden Reformplåne zunächst auf die Reform von Schule und Haus beschrånkend, darauf finnt (S. 195), »den menschlich wilden Emil Rousseau's zum Nationalkind Liefland's zu machen und das, was der große Montesquieu für den Geist der Gesehe ausdachte, auf den Geist der Nationalerziehung einer friedlichen Provinz anzuwenden.« Er will ein Werk stiften, das Ewigkeiten dauern und Jahrhunderte und Länder umgestalten soll. »Und warum,« ruft sich Herder (S. 241) mit muthvollem Stolz zu,

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könnte ich eine solche Stiftung nicht ausführen? War es den Lykurgen und Solonen möglich, eine Republik zu schaffen, warum nicht mir, eine Republik für die Jugend? Ihr Zwinglis, Calvins, Oekolampadius, wer begeisterte Euch und wer soll mich begeistern? Zweck, großer Zweck, nimm alle meine Kräfte und Begierden! Ich gehe durch die Welt; was habe ich in ihr, wenn ich mich nicht unsterblich mache?«

Und aus dieser lebendigen Rousseaubegeisterung Herder's erwuchsen auch alle jene gewaltigen Ideen zur Umgestaltung und Verjüngung der Wissenschaft und Dichtung, welche seine eigensten und bleibendsten Thaten geworden sind. Das Große in Herder ist, daß er vom ersten Anbeginn den Anregungen Rousseau's eine durchaus neue und selbständige Wendung gab, wie sie Rousseau selbst niemals geahnt und versucht hatte. Während Rousseau aus seiner Grundanschauung nur die auf Staat und Gesellschaft bezüglichen Folgerungen zog, diese aber mit seltener Unerschrockenheit bis in ihre kühnsten Spihen verfolgte, verharrte Herder da gegen in acht deutscher Art mit der ausgesprochensten Vorliebe im stillen Bereich innerer Beschaulichkeit, und führte mit bewun= derungswürdigster Schöpferkraft die Ideen Rousseau's in die Betrachtung und Erforschung des innersten Wesens der Poesie, Religion und Geschichte. Es eröffnet einen tiefbedeutsamen Blick in die Bildungswege und Gedankenentwicklungen Herder's, wenn er in jenem Tagebuche (S. 185) trok seiner innigen Verehrung für Rousseau es eine thörichte Ausschweifung der Phantasie nennt, fich an eitle Romanbilder wegzuwerfen und mit Rousseau Zeiten zu preisen, die niemals gewesen. In Herder's schöpferischem, feinfinnigem und leicht beweglichem Geist wandelt sich Rousseau's Ruf nach Natur und Ursprünglichkeit sogleich in das rastlose kräftige Streben, den Ursprüngen menschlichen Daseins und Schaffens zu lauschen und die höchste Bildung wieder zu diesen lauteren Quellen schlichter Einfalt und Lebensfrische zurückzulenken

Wie Rousseau in seiner Stellung zu Voltaire und den französischen Encyklopådisten, ist daher auch Herder in seiner Stellung zu Lessing und den Helden des deutschen Aufklärungszeitalters zugleich ein Fortschritt und ein Rückschritt. Wie Rousseau, so erschließt auch Herder den erstaunten Zeitgenossen ungekannte Tiefen und Geheimnisse der Empfindung und Anschauung. Und wie in Rousseau ist auch in Herder seine Größe zugleich seine Schwäche. Im schwankenden Dämmerungston erregter Gefühlsinnerlichkeit, im schillernden Nebelkleide geistvoller, aber eigensinniger Geniesucht verschwimmen und schwinden nicht selten wieder die klaren Begriffsbestimmungen, welche von den großen Vorgångern långst unumstößlich festgestellt waren. Besonders von seinen Jugendschriften gilt, was Herder einmal selbst sagt, daß die Jugend lieber empfinden als wissen wolle. In seinen spåteren Schriften werden die Umrisse zwar fester und schårfer, aber auch in ihnen überwächst doch noch oft die Empfindung den Gedanken, die Ueberschwenglichkeit der Begeisterung die Ruhe der Untersuchung. Wie Plato's Philosophiren oft durch die Mythe, wird Herder's Dialektik oft durch Allegorie und Dichtung unterbrochen. Herder hatte das Bedürfniß, sich nach allen Seiten auszubreiten; aber er hatte nie das Bedürfniß, eine Sache endgiltig abzuschließen.

Herder's eigentliche Urthat, die treibende Kraft und Lebensseele seines gesammten Empfindens und Denkens, war seine geniale Einsicht in Wesen und Ursprung der Volkspoesie, wie sie in dieser Tiefe und Lebendigkeit noch Niemand erschaut und erkannt hatte.

Zwar war schon Lessing von der naiven Naturfrische der alten Volkslieder auf's tiefste ergriffen, und wir wissen, wie scharf er Nicolai abfertigte, als dieser die Lust an Volksliedern plump verhöhnte; zwar lenkten eben jezt auch Gerstenberg und Klopstock die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Edda; zwar war namentlich durch die Engländer, durch Lowth's Untersuchungen

über die hebräische Dichtung, durch Young's Gedanken über, Originalwerke, durch Dodd's Schönheiten Shakespeare's, durch Wood's Betrachtungen über Homer, durch Macpherson's Ossian und Percy's Sammlung alter Balladen die Unterscheidung zwischen Kunstdichtung und Volksdichtung lebendig geweckt worden. Herder jedoch, mit seiner tief innigen dichterischen Feinfühligkeit und mit seinem durch Rousseau geschärften Sinn für das Elementare und Naturwüchsige, war der Erste, welcher den Begriff der Volkspoesie zur vollen Geltung erhob und die Poesie als die naturnothwendige Muttersprache des menschlichen Geistes, als den Keim und Kern aller Religion, Philosophie und Geschichte erfaßte.

Diese tiefe Erkenntniß, daß, wie Goethe sich im zehnten Buch von Wahrheit und Dichtung treffend ausdrückt, die Poesie nicht das Privaterbtheil einiger weniger Gebildeter, sondern vielmehr eine allgemeine Welt- und Völkergabe sei, hat Herder immer und immer wieder und in den verschiedensten Wendungen ausgesprochen. Am klarsten und vollständigsten in dem 1768 geschriebenen Fragment: »Von Entstehung und Fortpflanzung der ersten Religionsbegriffe.« Die denkwürdige Stelle (Lebensbild, Bd. 1, 3, a. S. 390) lautet: »Der Denkart der Nationen bin ich nachgeschlichen, und, was ich ohne System und Grübelei herausgebracht, ist, daß jede sich Urkunden bildete nach der Religion ihres Landes, nach der Tradition ihrer Våter und nach den Begriffen der Nation, daß diese Urkunden in einer dichterischen Sprache, in dichterischen Einkleidungen und in dichterischem Rhythmus erschienen: also mythologische Nationalgesånge vom Ursprung ihrer åltesten Merkwürdigkeiten. Und solche Gesånge hat jede Nation des Alterthums gehabt, die sich ohne fremde Beihülfe auf dem Pfad ihrer eigenen Kultur nur etwas über die Barbarei hinaufgebildet. Wo nur Reste oder Nachrichten sind, da sind auch die Ruinen solcher Urkunden; die Edda

der Celten, die Kosmogenieen oder Theogonieen und Heldengesånge der åltesten Griechen, die Nachrichten von Indianern, Spaniern, Galliern, Deutschen und von Allem, was Barbar hieß, Alles ist Eine gesammte Stimme, ein einziger Laut von solchen poetischen Urkunden voriger Zeiten. Wer Iselin's Geschichte der Menschheit in einem so merkwürdigen Zeitpunkt beleben wollte, der bringe alle diese Nationalsagen und mythische Einkleidungen und Fragmente von Urkunden in die nackte dürftige menschliche Seele zurück, die sie auf solchem Wege zu bilden anfing, und mit allgemeinen Aussichten über Völker und Zeiten sammle er so aus der Barbarei einen Geist urkundlicher Traditionen und mythologischer Gesänge, wie Montesquieu einen Geist der Gesetze sammelte. Dort wenigstens sind überall redende Züge zum Bilde des menschlichen Geistes und Herzens, wie wir sie in unserm gebildeten und verkünftelten Zeitalter nicht finden. Alles, was wir vom Menschen in unseren verfeinerten Zeiten nur in schwachen dunklen Zügen sehen, lebt in den Urkunden dieses Weltalters.« An einer andern Stelle, in der Abhandlung über Ossian (3ur schönen Literatur und Kunst, Bd. 7. S. 63), nennt Herder die Poesie der Naturvölker das Archiv des Volkslebens, den Schatz ihrer Wissenschaft und Religion, ihrer Theogonie und Kosmogenie, der Thaten ihrer Båter und der Begebenheiten ihrer Geschichte, den Abdruck ihres Herzens, das Bild ihres häuslichen Lebens.

Namentlich Herder's Jugendthätigkeit wurzelt einzig in diesem hohen Grundbegriff. Sie ist die Durchführung desselben in seiner ganzen Tragweite; nicht blos für die Betrachtung der Dichtung und Kunst, sondern ebenso sehr für die Betrachtung der Sprache, der Religion und der Geschichte.

Grade die erste Epoche Herder's ist daher die unbedingt reichste und geschichtlich wirksamste. Die Briefe und Lebensnachrichten Herder's bekunden unzweifelhaft, daß auch alle seine

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