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den Gesängen der Barden und Skalden ruft. Die »>Fragmente über die neuere deutsche Literatur« aber, mit welchen Herder 1766 zuerst als Schriftsteller auftrat, geben diesen Gedanken eine Ausführung und Anwendung, welche die Grundlegung und Erweckung einer völlig neuen Epoche wurde. Warum die alttestamentlichen Dichtungen, die Griechen, die Römer so außerlich und eintönig nachahmen, da doch unsere Psalmisten, Epiker, Dithyramben-, Oden- und Idyllendichter sattsam beweisen, daß solche Nachahmungen immer mißlingen und schlechterdings mißlingen müssen, weil unsere landschaftliche Natur, unsere Geschichte, unsere Mythologie, unsere ganze Religion, unsere Begabung, unsere Sprache eine so durchaus andere ist als die Natur, Geschichte, Mythologie, Religion, Begabung und Sprache der Urbilder? Warum nicht statt der elenden Nachahmungen lieber Erklärungen und Uebersehungen, damit wir, wie Herder noch immer von dieser Zeit sagen konnte, die Griechen, bevor wir sie nachahmen, auch wirklich kennen lernen? Die Summe dieser Betrachtungen gipfelt im dritten Fragment, dessen Inhalt Herder in einem gleichzeitigen Briefe (Lebensbild, Bd. 1, 2. S. 270) in den Sah zusammenfaßt: »Wir sind schiefe Römer in Sprache, Philosophie, Mythologie, Ode, philosophischem Lehrgedicht, Elegie, Satire, Beredtsamkeit, wenn wir nichts als Römer, nichts als Horaze, Lucreze, Tibulle, Cicerone sein wollen.« Mit so unzweifelhaftem Recht Herder am Schluß dieses Fragments (1767. S. 331. 3ur schönen Literatur und Kunst, Bd. 2. S. 332) sagen konnte, daß, wer da meine, er wolle ihn von der Kenntniß der Alten abhalten oder ihn im Studium derselben ermüden, sein Buch ins Feuer werfen solle, so scharf und nachdrücklich betont er, daß es unsere unerlåßliche Aufgabe sei, den noch immer vorwaltenden lateinischen Zuschnitt unserer Bildung und also auch unserer Dichtung endlich abzuwerfen und die Fåden unserer eigenen, naturwüchsigen, ächt volksthümlichen Bildung, welche die zweite Hälfte

des sechzehnten Jahrhunderts gewaltsam durchschnitten, wieder aufzunehmen und mit aller Kraft fortzuführen. Statt, daß man (ebend. S. 247) die Alten håtte erwecken sollen, um sich nach ihnen zu bilden und sich von ihnen den Geist einhauchen zu las sen, den man brauche, um nach seiner Zeit und in seinem Lande wahre Größe zu erreichen, sei man bei der åußeren Schale geblieben; man habe nur gelernt, was die Alten gedacht, nicht aber, wie sie denken; man habe die Sprache gesprochen, in der sie gesprochen, nicht die Art, wie sie sprachen. In Deutschland habe Luther auch in diesem Gesichtspunkt großes Verdienst. Er sei es gewesen, der die deutsche Sprache, einen schlafenden Riesen, aufs geweckt und losgebunden, der die scholastische Wortkråmerei wie jene Wechslertische verschüttet; er habe durch seine Reformation die ganze Nation zum Denken und Gefühl erhoben. Nachher aber sei Alles wieder verdorben worden, und nicht blos unsere naiv körnigte Sprache, sondern unsere gesammte Bildung sei von Latium gefesselt. Sei es denn nicht gewiß, daß die Römer auf einer andern Stufe der Kultur gestanden als wir, daß wir sie in einigen Stücken hinter uns haben, und in anderen, wo sie vor uns sind, nicht nachahmen können? Es sei nicht schlechterdings ein Ruhm, wenn es heiße, dieser Dichter singe wie Horaz, jener Redner spreche wie Cicero, dieser philosophische Dichter sei ein anderer Lucrez, dieser Geschichtschreiber ein zweiter Livius; aber das sei ein großer, ein seltener, ein beneidenswerther Ruhm, wenn es heißen könne, so håtte Horaz, Cicero, Lucrez, Livius geschrieben, wenn sie über diesen Vorfall, auf dieser Stufe der Kultur, zu dieser Zeit, zu diesen Zwecken, für die Denkart dieses Volks, in dieser Sprache geschrieben hätten. „O, das verwünschte Wort: Klassisch! Es hat (S. 197) uns Cicero zum klassischen Schulredner, Horaz und Virgil zu klassischen Schulpoeten, Cåsar zum Pedanten, Livius zum Wortkråmer gemacht; es hat den Ausdruck vom Gedanken und den Gedanken von der ihn erzeu= Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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genden Gelegenheit gesondert. Dieses Wort war es, das alle wahre Bildung nach den Alten als noch lebenden Mustern verdrångte, das den leidigen Ruhm aufbrachte, ein Kenner der Alten, ein Artist zu sein, ohne daß man damit höhere Zwecke erreichen dürfte; dies Wort hat manches Genie unter einen Schutt* von Worten vergraben, seinen Kopf zu einem Chaos von fremden Ausdrücken gemacht, es hat dem Vaterland blühende Fruchtbäume entzogen!«< Und es ist derselbe Drang nach dem Volksthümlichen und Volksmåßigen, wenn Herder in der zweiten Ausgabe der Fragmente (3ur schönen Literatur und Kunst, Bd. 1, S. 132) von den deutschen Schriften verlangte, fie müßten durchaus idiotistisch, eigenthümlich, aus der Tiefe der Muttersprache, geschrieben sein, gleich als ob keine andere Sprache in der Welt sei. »Lasset uns idiotistische Schriftsteller, eigenthümlich für unser Volk und unsere Sprache, sein; ob wir klassisch find, mag die Nachwelt ausmachen!« Und noch bestimmter und greifbarer hat Herder dieses gewaltige Thema 1777 in der Abhandlung über die >> Aehnlichkeit der mittleren englischen und deutschen Dichtkunst« ausgesprochen. Wehmuthsvoll ist sie durchklungen von der tiefen Klage, daß wir nicht mehr auf unserer altdeutschen Dichtung fußen und daß wir dadurch unseren volksthümlichen Geschmack verloren haben. Herder sagt (3ur schönen Literatur und Kunst, Bd. 7, S. 57): »Aus ålteren Zeiten haben wir durchaus keine lebende Dichterei, auf der unsere neuere Dichtkunst wie Sprosse auf dem Stamme der Nation gewachsen wäre, dahingegen andere Nationen mit den Jahrhunderten fortgegangen sind und sich auf eigenem Grunde, aus Nationalproducten, auf dem Glauben und Geschmack des Volks, aus Resten alter Zeit gebildet haben, dadurch ist ihre Dichtkunst und Sprache national geworden; wir armen Deutschen aber sind von jeher dazu bestimmt gewesen, nie unser zu bleiben, unser Gesang ist ein Pangeschrei, ein Wiederhall vom Schilfe des Jordan, der Liber, der Themse und Seine, unser Geist ein Mieth

lingsgeist, der wiederkåut, was Anderer Fuß zertrat. Und jeßt, da wir uns schon auf so hohem Gipfel der Verehrung anderer Völker wähnen, jeht, da uns die Franzosen, die wir so lange nachgeahmt haben, Gott Lob und Dank! wieder nachahmen, jeht, da wir das Glück genießen, daß deutsche Höfe schon anfangen, deutsch zu buchstabiren und ein paar deutsche Namen zu nennen, Himmel, was find wir nun für Leute! Wer sich noch um's rohe Volk bekümmern wollte, um ihre Grundsuppe von Märchen, Vorurtheilen, Liedern, rauher Sprache, welch ein Barbar wåre er! Er kåme, unsere klassische silbenzählende Literatur zu beschmußen, wie eine Nachteule unter die schönen buntgekleideten singenden Gefieder! Und doch bleibt es immer und ewig, daß der Theil von Literatur, der sich auf das Volk bezieht, volksmåßig sein muß oder er ist klassische Luftblase; und doch bleibt es immer und ewig, daß, wenn wir kein Volk haben, wir kein Publicum, keine Nation, keine Sprache und Dichtkunst haben, die unser sei, die in uns lebe und wirke. Da schreiben wir denn nun ewig für Stubengelehrte, machen Oden, Heldengedichte, Kirchen- und Küchenlieder, wie sie Niemand versteht, Niemand will, Niemand fühlt. Unsere klassische Literatur ist ein Paradiesvogel, so bunt, so artig, ganz Flug, ganz Höhe, aber ohne Fuß auf deutscher Erde.«

Daher, wie bei Leffing, so auch bei Herder die freudige Begeisterung für Gleim's Grenadierlieder, welche er sogar über die Kriegsgesånge des Tyrtåus stellen zu dürfen meint. Es ist leicht, über solche Begeisterung zu spotten; richtiger ist es, nach ihrem Grund zu fragen. Und daher, wie bei Lessing, so auch bei Herder das feste Einstehen für die Größe und Herrlichkeit Shakespeare's. Es war nicht blos die Tiefe der Poesie, welche ihn zu Shakespeare zog, es war ebenso sehr das sichere Gefühl, daß hier germanische Art und Kunst sei. Wie freudig begrüßte Herder den Dichter des Göt von Berlichingen! In spåten Lebensjahren

wurde der freilich långst vorbereitete Bruch mit Goethe durch Herder's hartes Urtheil über Goethe's Natürliche Tochter herbeigeführt, deren antikisirende Haltung seiner gesammten Kunstanschauung von Grund aus widerstrebte.

Hier ist die Wiege jenes jungen Dichtergeschlechts, das sich nicht blos in Shakespeare, sondern auch in Hanns Sachs und in die alten deutschen Volksbücher vertiefte.

Und wie hätte sich der schäßereiche Schacht der alten Volkspoesie öffnen können, ohne alle bisher geltenden Kunsturtheile und Werthbestimmungen durchweg zu verändern! Der vielstimmige Gesang der v. Hiedensten Zonen und Zeiten predigte nur die eine große Lehre, welche Herder in der herrlichen Abhandlung über Ossian und die Lieder der alten Völker (3ur schönen Literatur und Kunst, Bd. 8, S. 14) aussprach: »Je wilder, d. h. je lebendiger, je freiwirkender ein Volk ist (mehr heißt das Wort nicht!), desto wilder, d. h. desto lebendiger, freier, finnlicher, lyrisch handelnder müssen auch seine Lieder sein. Je entfernter von künstlicher wissenschaftlicher Denkart, Sprache und Letternart das Volk ist, desto weniger müssen auch seine Lieder für's Papier gemacht und todte Letternverse sein; vom Lyrischen, vom Lebendigen und gleichsam Tanzmåßigen des Gesanges, von lebendiger Gegenwart der Bilder, vom Zusammenhang und gleichfam Nothdrang des Inhalts und der Empfindungen, von Symmetrie der Worte und der Silben, vom Gange der Melodie und von hundert andern Sachen, die zur lebendigen Welt, zum Spruch und Nationalliede gehören und mit diesem verschwin= den, — davon und davon allein hångt das Wesen, der Zweck, die ganze wunderthätige Kraft ab, die diese Lieder haben, die Entzückung, die Triebfeder, der ewige Erb- und Luftgesang des Volks zu sein!« Die Schranken der Reflexionsdichtung sind gefallen. Selbst bis in die Betrachtung der Fabel und des Epi

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