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gramms übertrågt Herder seine neuen Anschauungen. Poesie ist nur, wo Natur, Naivetåt, Gemüth und Phantasie ist.

Wer wird behaupten wollen, daß Herder allein jene tiefe Erregung der Geister hervorgerufen habe, welche die siebziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts in der Geschichte der deut= schen Dichtung so åußerst denkwürdig macht? Wir brauchen nur hinüber nach England zu schauen, auf Macpherson und Chatterton, auf Cowper und Robert Burns, um zu gewahren, daß die geschichtlichen Vorgänge und Bedingungen, welche Herder erzeug ten, überall wirkten und walteten. Aber gewiß ist, daß in Deutschland diesem dunklen Drången und Ringen die richtigen Bahnen und Ziele Keiner so kräftig wie Herder gezeigt hat. In Herder's Wiedererweckung der Volkslieder wurde das alte Märchen vom Verjüngungsbrunnen geschichtliche Wahrheit. Vor Allem Goethe's und Bürger's Bildungsgeschichte muß man betrachten, um das Vollgewicht dieser Thatsache lebendig nachzuempfinden. Am ersten und greifbarsten bekundete sich die Macht dieser Einwirkung naturgemåß in der Lyrik. Erst jezt hörte man wieder den frischen und innigen Naturton åchter Empfindung; und diese unverfälschten Herzensklänge erschufen sich eine sinnlichere und bildlichere Sprache und setzten den Reim wieder in seine alten Rechte ein. Wo Lied und Gesang als untrennbar gedacht und empfunden wurde, war die schleppende Odendichtung unrettbar verloren. Und mit dem singbaren Liede erstand und erstarkte zugleich der schlichte Volkston der Romanze und Ballade, welche durch Gleim's verhängnißvolles Vorbild sich zum Niedrigkomischen verflacht und entwürdigt hatte. Die neue deutsche Lyrik kam urplößlich, wie die Blume im Frühling plößlich aus dem Boden sproßt.

Was Wunder, wenn wir Herder auch in der Musik, welche er als die natürliche Schwester der Dichtung betrachtete, als -Freund und Verehrer schlichter Volksmelodien, als begeisterten Bewunderer und Kenner des alten italienischen Kirchenstils, als

warmen Beförderer eines reinen evangelischen Kirchengesanges erblicken?

Besonders wichtig aber ist Herder auch für die bildende Kunst geworden. Auch hier hat Herder eine völlig neue Epoche eingeleitet; ein Verdienst, das meist übersehen wird, weil die Wirkungen nicht so schnell und so unmittelbar eintraten wie in der Dichtung.

Obgleich ihm, dem im fernen Norden Weilenden, alle eige= nen Erfahrungen und Anschauungen fehlten, hatte ihn doch Winckelmann's Kunstgeschichte auf's mächtigste ergriffen und zu dem emfigsten Studium der kunstwissenschaftlichen Schriften Leffing's, Mengs', Hagedorn's, der Englånder und Franzosen geführt. Bei der neuen und tiefen Einsicht, welche Herder vom Wesen der Poesie hatte, wurden ihm die Befangenheiten und Einseitigkeiten seiner nächsten Vorgänger sogleich lebendig fühlbar. Es nöthigt zu immer steigender Bewunderung der seltenen Jugendkraft Herder's, wenn wir sehen, daß die fruchtbaren Gedanken, welche er 1778 in seiner »Plastik« aussprach, bereits in dem 1768-1770 theils in Riga, theils auf der Reise geschriebenen Vierten kritischen Wäldchen vollständig ausgebildet vorliegen. Wir wissen, wie es der Grundmangel der durch Winckelmann und Rafael Mengs emporgekommenen Kunstanschauung war, daß sie dem herrschenden Zopf des französischen Rococo gegenüber den Weg, groß, ja, wo möglich, unnachahmlich zu werden, einzig und allein in die ausschließliche Nachahmung der Antike stellte, so daß selbst die besten italienischen Meister des sechzehnten Jahrhunderts, daß selbst Rafael vor dieser schroffen Ausschließlichkeit zurücktreten mußten; die hoheitsvollen Formen der antiken Kunst wurden als für alle Zeiten bindend und undurchbrechbar betrach= tet. Wir wissen, welche gefährliche Bedeutung diese Enge der Anschauung namentlich für die Malerei gewann; hatte bisher die gesammte neuere Plastik einseitig unter der Uebermacht der Ma

lerei gestanden, so übertrug man jeßt nicht minder einseitig auf die Malerei die Geseze statuarischer Zeichnung. Auch Lessing hatte, wie die Nachträge zum Laokoon sattsam bezeugen, an dieser Einseitigkeit keinen Anstoß genommen. Wie aber håtte Herder mit seinem offenen Sinn für das individuell Geschichtliche, für das lebendig Gefühlte und Naturwüchsige, an diesen gewaltsamen Beschränkungen sein Genüge finden können? Sowohl die starre Unwandelbarkeit solcher vermeintlich zeit- und ortloser Idealform wie die unkünstlerische Stilvermischung des Bildnerischen und Malerischen hat Herder bekämpft.

Wer Einsicht in das unverbrüchliche Wesen der Plastik hat, wird wahrlich nicht widersprechen, wenn Herder (3ur schönen Literatur und Kunst, Bd. 19, S. 68) die Bildwerke der Griechen als »Muster der Wohlform«, als Darstellung der »einfa= chen reinen Menschennatur« und darum als »Leuchtthürme« bezeichnet, die dem Schiffer, der nach ihnen steuert, sichere Fahrt bieten; zumal Herder sogleich hinzuseßt, daß die Griechen uns nur Freunde, nicht aber Gebieter, nur Führer und Vorbilder, nicht aber Unterjocher sein sollen. Von der Malerei dagegen for= dert Herder den lebendigsten Wechsel der Gestalten je nach dem Wechsel der Geschichte und Menschenart. Herder stand in der Anerkennung der alten deutschen Malerschulen noch sehr vereinzelt, als er auf seiner Reise nach Italien am 10. August 1788 au3 Nürnberg (Zur Philosophie und Geschichte, Bd. 21, S. 255) an die Seinigen schrieb: »Unter allen Gemålden, die es hier giebt, interessirt mich Dürer am meisten; solch ein Maler möchte ich auch gewesen sein. Sein Paulus unter den Aposteln, sein eigenes Bild, sein Adam und Eva, sind Gestalten, die in der Seele bleiben; auch sonst habe ich von ihm schöne, schöne Sachen gesehen; auch ein Gemälde von ihm in der Burg, da er in seiner Krankheit sich wie einen Halbtodten gemalt hat und den rechten Aufschluß seiner Gesichtszüge und des ganzen vornehmen kråf

tigen reinlichen Wesens giebt, das in ihm gewohnt hat. Sonst auch viele andere schöne Sachen, die an eine Zeit deutscher Art und Kunst erinnern, die nicht mehr da ist und schwerlich je wiederkommen dürfte.«< Und von demselben Standpunkt beurtheilte Herder auch das Wesen und die Geschichte der Baukunst. Zwar sehen wir zuerst auch ihn in die herrschende Verachtung der Gothik noch rückhaltslos einstimmen, wenn er sie in einem am 2. December 1769 zu Paris geschriebenen Tagebuchblatt (Lebensbild, Bd. 2, S. 428) nur künstlich im Kleinen nennt, ohne Sinn für das Große, ohne Simplicitåt, ohne menschlichen Ausdruck, ohne Freude; aber schon 1773 veröffentlichte er in den Blåttern für deutsche Art und Kunst die jugendmuthige Verherrlichung Erwin von Steinbach's von Goethe, und seitdem ist Herder der geschichtlichen Würdigung der Gothik unwandelbar treu geblieben. Es ist eines der schönsten Kapitel in Herder's Ideen zur Geschichte der Menschheit, welches (Zur Philosophie und Geschichte, Bd. 7, S. 298) die großen Meisterwerke des Mittelalters preist und die gothische Baukunst aus der Verfassung der Städte und dem Geist der Zeiten erklärt; »wie die Menschen denken und leben,«< heißt es dort, »so bauen und wohnen sie.« Der hohe Begriff der künstlerischen Monumentalitåt, seit Jahrhunderten aus dem Bewußtsein der Menschen geschwunden, war auch für die bildende Kunst in Herder wieder aufgelebt, wenn auch erst schwankend und dåmmernd. Und damit war jener verderbliche Wahn von einem entwicklungslosen, ewig bindenden Formenideal, welcher die Kunst zu todter philologischer Nachahmung verdammt, in der Wurzel vernichtet. Die durch Zeit und Volksthümlichkeit bedingte Eigenart des schaffenden Künstlers, seine Ursprünglichkeit und Schöpferlust, war wieder in ihr Recht eingesetzt. Die Wahrheit,« sagt Herder einmal (Zur schönen Literatur und Kunst, Bd. 20, S. 18), war zu allen Zeiten dieselbe; daß jeder wahrnehmende Mensch aber seinen Gegenstand eigen schildern kann, als ob er

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noch nie geschildert wåre, darüber, důnkt mich, sollte kein mißtrauender Zweifel walten; er schafft sich neue Bilder, wenn die Gegenstände auch tausendmal angeschaut und besungen wåren, denn er schaut sie mit seinem Auge an, und je treuer er sich selbst bleibt, desto eigenthümlicher wird er zusammenseßen und schildern; er haucht dem Werk seinen Genius ein, daß es seinen Ton tonet. Und in der Adrastea (Zur Philosophie und Geschichte, Bd. 11, S. 77) fagte Herder in gleichem Sinn: »Wer sich an Eine Zeit, gehöre sie Frankreich oder Griechenland zu, sclavisch anschließt, das Zweckmäßige ihrer Formen für ewig hålt und sich aus seiner eigenen lebendigen Natur in jene Scherbengestalt hineinwähnet, dem bleibt das Ideal, das über alle Vôlker und Zeiten reicht, fern und fremd.«

Die zweite Seite, der stilistische Gegensah der Plastik und Malerei, hebt sich noch schärfer heraus; in gleicher Anwendung gegen die Franzosen, welche die Plastik malerisch, und gegen die Anhänger Winckelmann's, welche die Malerei plastisch behandelten. »Ich verfolgte beide Künste,« sagt Herder in der Plastik (Zur schönen Literatur und Kunst, Bd. 19, S. 40), »und ich fand, daß kein einziges Gesetz, keine Wirkung der einen ohne Unterschied und Einschränkung auf die andere passe; ich fand, daß grade, je eigner etwas einer Kunst sei und gleichsam als einheimisch in derselben in ihr große Wirkung thue, desto weniger lasse es sich platt anwenden und übertragen; ich fand arge Beispiele davon in der Ausführung, aber noch ungleich årgere in der Theorie wie Philosophie dieser Künste, die beide Künste nicht als Schwestern oder Halbschwestern, sondern meistens als ein doppelt Eins betrachten und keinen Plunder an der einen gefunden haben, der nicht auch der anderen gebühre.« Es ist hier nicht zu untersuchen, inwieweit es haltbar und erschöpfend ist, wenn Herder die Malerei als die Kunst des Gesichts und die Plastik als die Kunst des Gefühls oder des Tastsinns bezeichnet und die

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