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Der Nordpol des Himmels als Sitz des höchsten Gottes.

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Zahlenverhältnis des Gestirnumlaufs die Offenbarung göttlichen Willens sieht, notwendig zu einem esoterischen Wissen von der Einheitlichkeit der göttlichen Kräfte führen mußte. Aber auch das kosmogonische System selbst führte über den rohen Polytheismus hinaus. Das Weltbild mit seiner Dreiteilung führte zur Verehrung einer obersten Göttertrias, die in den 3 Reichen des himmlischen und irdischen Alls ihre besonderen Offenbarungsstätten hat: Anu, Bel, Ea. Aber auch diese kosmische Theologie drängte auf eine monarchische Spitze: Anu ist der summus deus im eigentlichen Sinne, er heißt schon bei Gudea der König der Götter1. Er thront im höchsten Punkte, im Nordpol des Weltalls. Durch die (3 bez. 7) Himmel steigt man zu ihm empor2.

Eine m. E. höchst beachtenswerte Vermutung H. Zimmerns, darf ich hier mitteilen: das Ideogramm für Anu sowohl wie für ilu (allgemeiner Name für Gott, auch wohl als Nomen proprium Ilu mit Anu wechselnd) ist. Das ist vielleicht ursprünglich ein Bild des Pols und der von ihm ausgehenden 8 Himmelsrichtungen; eine Variante zu scheint mit 16 Richtungen zu sein3. Ilu und ebenso das entsprechende sumerische an würde dann ganz konkret den Nordpol am Himmel als den Punkt, in dem die verschiedenen Richtungen (d. h. die 8 bez. 16 Hauptmeridiane) zusammenlaufen, bezeichnen. Weil dieser Nordpol des Himmels göttliche Verehrung genoß und als Sitz des obersten Gottes betrachtet wurde, so wurden Anu und ilu (bez. Ilu als nomen proprium) Gottesnamen, speziell für den summus deus. Aus diesem Grunde hinge dann ilu vielleicht doch mit (Präposition der Richtung) zusammen (im Sinne von Kibla, Weltrichtung).

Außer Anu haben im babylonischen Weltbild unter bestimmten Verhältnissen Sin und Ninib Anrecht auf den göttlich verehrten Nordpunkt. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß

1) Cylinder A Col. X, 12, s. oben S. 9.

2) S. ATAO 112.

3) Thureau-Dangin, Recherches, Suppl. Nr. 5bis, wo freilich nur 15 Richtungen (aus Versehen?) sich finden.

4) Die Gründe und Belege s. ATAO 15. 26f. 45.

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Der Mondgott als summus deus.

jeder dieser beiden Götter mit Vorliebe als summus deus verherrlicht wird1.

In der Bibliothek Asurbanipals findet sich die Abschrift des folgenden Hymnus auf Sin, den Mondgott2:

Herr, Herrscher unter den Göttern, der im Himmel und auf
Erden allein groß ist,

Vater, Nannar, Herr Gott Anšar, Herrscher unter den Göttern,
Vater, Nannar, Herr, großer Gott Anu, Herrscher unter den

Göttern,

Vater, Nannar, Herr, Gott Sin, Herrscher unter den Göttern,
Vater, Nannar, Herr von Ur, Herrscher unter den Göttern,
Vater, Nannar, Herr von Gišširgal, Herrscher unter den

Göttern,

Vater, Nannar, Herr der Kopfbinde, Glänzender, Herrscher unter den Göttern,

Vater, Nannar, an Königsherrschaft sehr vollkommen, Herrscher unter den Göttern,

Vater, Nannar, der in hehrem Gewande einherschreitet, Herr-
scher unter den Göttern;

Kräftiger junger Stier mit starken Hörnern, vollkommenen
Gliedmaßen, lasurfarbenem Bart voller Üppigkeit und
Fülle,

Frucht, die von selbst erzeugt wird, von hohem Wuchs, herr-
lich anzuschauen, an deren Fülle man sich nicht (ge-
nug) sättigen kann,

Mutterleib, der alles gebiert, der bei den lebenden Wesen einen glänzenden Wohnsitz aufschlägt,

Barmherziger, gnädiger Vater, in dessen Hand das Leben des ganzen Landes gehalten wird.

O Herr, deine Gottheit ist wie der ferne Himmel, wie das
weite Meer, voller Ehrfurcht.

Der erschaffen das Land, gegründet die Tempel, sie mit
Namen benannt hat,

1) Es kann auch andere Gründe haben. Zu Sin s. unten S. 31f.
2) IV R 9; übersetzt zuletzt von Zimmern KAT3 608 f.

Der Mondgott als summus deus.

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Vater, Erzeuger der Götter und Menschen, der Wohnsitze aufschlagen ließ, Opfer einsetzte,

Der zum Königtum beruft, das Scepter verleiht, der das Schicksal auf ferne Tage hinaus bestimmt.

Gewaltiger Anführer, dessen tiefes Inneres kein Gott durchschaut,

Hurtiger, dessen Kniee nicht ermatten, der eröffnet den Weg der Götter seiner Brüder,

Der vom Grund des Himmels bis zur Höhe des Himmels glänzend dahin wandelt, der da öffnet die Tür des Himmels, Licht schafft allen Menschen,

Vater, Erzeuger von allem, der auf die Lebewesen blickt..., Herr, der die Entscheidung für Himmel und Erde fällt, dessen Befehl niemand abändert,

Der da hält Feuer und Wasser, der da leitet die Lebewesen, welcher Gott käme dir gleich?

Im Himmel, wer ist groß? Du allein bist groß!

Auf Erden, wer ist groß? Du allein bist groß!

Wenn dein Wort im Himmel erschallt, werfen die Igigi sich

auf das Antlitz nieder,

Wenn dein Wort auf Erden erschallt, küssen die Anunnaki den Boden,

Wenn dein Wort droben wie der Sturmwind dahinfährt, so

läßt es Speise und Trank gedeihen,

Wenn dein Wort auf die Erde sich niederläßt, so entsteht das Grün.

Dein Wort läßt Recht und Gerechtigkeit entstehen, so daß die Menschen Rechtes sprechen.

Dein Wort ist der ferne Himmel, die verborgene Unterwelt, die niemand durchschaut,

Dein Wort, wer verstände es, wer käme ihm gleich?

O Herr, im Himmel an Herrschertum, auf Erden an Herrschaft hast du unter den Göttern, deinen Brüdern, keinen Rivalen.

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Ninib als summus deus.

Auch bei Ninib erklärt sich eine monarchische Stellung unter den Göttern, die bis zur Einzigartigkeit gesteigert wird, aus dem Weltbild. Ninib gehört der Nordpunkt der Ekliptik, der höchste Punkt, den kein Planet überschreitet1. Die Annalen Asurnaṣirpals sowie eine Inschrift Samsi-Adad IV. beginnen mit Hymnen auf Ninib2, die ihm Einzigartigkeit zuschreiben:

„Ninib, dem Starken, Allgewaltigen, Erhabenen, dem höchsten der Götter, dem Streitbaren, Riesigen, dessen Ansturm in der Schlacht ohnegleichen ist, dem ersten Sohne, dem Zermalmer (?), dem Erstgeborenen Eas3, dem gewaltigen Kämpen der Igigi, dem Berater der Götter, der die Riegel hält von Himmel und Erde, der die Quellen öffnet, der auf die weite Erde tritt, dem Gotte, ohne den Bestimmungen im Himmel und auf Erden nicht bestimmt werden, dem Großmächtigen (?), Starken, dessen Befehl nicht geändert wird, dem Fürsten der Weltteile, der den Herrscherstab und Bestimmungen der Gesamtheit aller Städte verleiht, dem Regenten, dem Ungestümen, dessen Lippenwort unabänderlich ist, dem Gewaltigen, dem Umfassenden, dem Entscheider unter den Göttern, dem Gepriesenen, dem Utgallu, dem Herrn der Herren, dessen Hand die Enden Himmels und der Erde anvertraut sind, dem Könige des Kampfes, dem Mächtigen, der den Widerstand bezwingt, dem Sieghaften, Vollkommenen, dem Herrn der Quellen und der Sterne, dem Starken, Schonungslosen, dessen Andrang Flutstrom ist, der das Land der Feinde niederwirft, der die Bösen (?) niederschlägt, dem erlauchten Gotte, dessen Ratschluß nicht verändert wird, dem Lichte Himmels und der Erde, der das Innere des Weltmeeres erleuchtet, der die

1) Die urkundlichen Belege s. ATAO 15.

2) S. Jensen, Kosmologie 465 ff.; meinen Artikel Ninib in Roschers Lexikon der Mythologie.

3) Nicht Bel. Sohn Eas widerspricht nicht der Einzigartigkeit. Ea (Oannes) ist der Repräsentant der S. 8 gekennzeichneten Offenbarung, die oopia, die auch über dem summus deus steht.

Ninib als summus deus.

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Bösen vernichtet, der die Unbotmäßigen beugt, der die Feinde vernichtet, dessen Namen unter allen Göttern kein Gott ändert, der da Leben schenkt, dem barmherzigen Gotte, zu dem zu treten gut ist, der in Kelach wohnt, dem großen Herrn, meinem Herrn. -"

„Dem Ninib, dem starken Herrn, dem Machthaber, dem hehren und erhabenen Fürsten, dem Helden der Götter, der den Riegel Himmels und der Erden hält, der alles regiert, dem Gepriesenen (?) der Igigi, dem Starken, dem Übergegewaltigen, dessen Macht nicht übertroffen wird, dem Erstling der Anunnaki, dem Starken unter den Göttern, dem Herrlichen, der seinesgleichen nicht hat, dem Allgewaltigen, dem Utgallu, dem erhabenen Herrn, der auf dem Sturm einherfährt, der wie Samas, das göttliche Licht, die Weltteile übersieht, dem Starken unter den Göttern, der Glanz aussendet, mit Furchtbarkeit erfüllt ist, dem Vollkommenen an gewaltiger Kraft, dem Erstgeborenen Bels, dem Helfer der Götter, seiner Erzeuger, der Ausgeburt von Ešara, dem sieghaften Sohne, der am glänzenden Firmament gewaltig ist, dem Regenten, Sproß der Kutušar, der Herrin, des Anu und Dagan, dessen Wort nicht verändert wird, dem Großmächtigen, Erhabenen, Großen, der Kraft besitzt, dessen Glieder üppig entwickelt sind, der ein weites Herz, einen klugen Sinn hat, dem Starken unter den Göttern, dem Erhabenen, der da wohnt in Kalhu, dem prächtigen Heiligtume, dem geräumigen Orte, der Wohnung des Utgallu -".

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III. Der monarchische Polytheismus der Volksreligion.

Wie steht es nun aber mit dem „krassen Polytheismus" der Babylonier, der uns, wie allgemein anerkannt ist, in dem babylonisch-assyrischen Kultus entgegentritt? Dieser Kultus ist ein Produkt der Mythologie. Die Mythologie aber ist

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