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und daher handelt es sich hierbei auch nur um die Hauptgedanken, nicht um die Ausführung im einzelnen. Das aber muß mit allem Nachdruck behauptet werden, daß sich auch heut noch kein philosophisches Werk eine tiefergehende Wirkung erobern kann, das sich nicht ernstlich und überzeugend in dem einen oder andern Sinn mit der Problemstellung Kants und ihrer Behandlungsart auseinandergesetzt hat. Selbst die berühmtesten Philosophen der nachkantischen Zeit, Fichte und Schelling, Schleiermacher und Hegel, Herbart und Schopenhauer, sind doch alle dem Schicksal nicht entgangen, daß die Tage ihres Ruhms dahinsanken, und daß man dann immer wieder auf Kant zurückgriff. Und wenn nicht alles trügt, so sind gegenwärtig auch die Tage des Positivismus gezählt; schon ist ihm das,,Gewogen und zu leicht befunden" mit Flammenschrift an die Wand gezeichnet, und es wird abermals geschehen, daß die Philosophie auf den Pfaden Kants zurückerobert wird. Liegt es aber so, dann ist damit naturgemäß die Aufgabe für den Philosophieunterricht in der Schule gestellt, sie lautet: Einführung in die kritische Philosophie Kants.

Es braucht nicht erst gesagt zu werden, daß es sich dabei nicht um eine Lektüre der drei kritischen Hauptschriften selber handeln kann. Denn das läge weit über den Horizont der Schule hinaus, und dazu würde sich auch niemals die genügende Anzahl geeigneter Lehrer finden. Selbstverständlich ist die Ausführung jenes Vorschlags nur möglich, wenn von einem gründlichen Kenner der Kantischen Philosophie ein Lehrbuch geschaffen wird, das die Grundgedanken des erkenntnistheoretischen, ethischen und ästhetisch-teleologischen Kritizismus genau im Kantischen Sinne, aber in freier, klarer und möglichst kurzer Fassung zur Darstellung bringt. Ich denke dabei etwa an eine solche Darstellung, wie sie August Stadler für die Kritik der reinen Vernunft in seiner gründlichen Arbeit,,Grundsätze der reinen Erkenntnistheorie in der Kantischen Philosophie“ gegeben hat; nur müßte die Ausführung für die Schüler bei derselben objektiven Gründlichkeit noch freier und einfacher sein. Wird ein solches Lehrbuch geschaffen, so müßte der philosophische Unterricht in der Schule sich auf dieser Grundlage mit dem größten und in seiner Wirkung kaum abwägbaren Nutzen gestalten. Ich wüßte nichts, was auf dem Gebiete der reinen Erkenntnis den Geist der Schüler so zu vertiefen imstande wäre, und es könnte gewiß nicht ausbleiben, daß unter dieser männlichen Zucht der Gedanken den Universitätsstudien und dem ferneren Leben überhaupt ein reicher Segen erwüchse. Der zur geistigen Führung berufene Teil der Nation würde wieder zum Nutzen aller philosophisch denken lernen und nun nicht mehr bloß in der An

lehnung an die hellenische Geistesart, sondern aus dem eigenen Innern des deutschen Wesens heraus.

Wir haben damit, so gut wir es vermochten, die anfangs gestellten Fragen beantwortet. Mögen diese Auseinandersetzungen auch an ihrem Teile dazu beitragen, den unphilosophischen und daher einseitigen und trivialen Geisteszustand in unserem Volke überwinden zu helfen. Wie uns Meister Ludwig Uhland gesungen hat, ist die deutsche Poesie vor Zeiten in einen tiefen Dornröschenschlaf versunken; heut ist die Philosophie dem Spindelstich erlegen. Wo ist der Königssohn, der sie wieder wachküßt?

Schmidt, Zur Wiedergeburt des Idealismus.

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Die Frauenbildung und das klassische Altertum.

In den beteiligten Kreisen macht sich gegenwärtig eine starke Strömung bemerkbar, die Bildungsschätze des klassischen Altertums in geeigneter Weise der höheren Mädchenschule zu erschließen. Dieses Bestreben ist um so bedeutsamer, als es zu einer Zeit auftritt, in der dieser Gegenstand innerhalb der Gesamtgruppe der höheren Knabenschulen immer mehr zurückgedrängt wird. Freilich ist hier auch nicht beabsichtigt, für die Mädchen jenes geistige Erbe der antiken Welt vermittelst der Ursprache, sondern nur auf dem Wege von Übersetzungen fruchtbar zu machen. Aber es ist doch immerhin sehr charakteristisch, daß eine solche Bewegung auf dem Boden des höheren Mädchenschulwesens immer stärker auftritt, während die Realschule und die Oberrealschule dieses Gebiet fast ganz verlassen und auch das Realgymnasium nur das Lateinische als festen Unterrichtsgegenstand beibehalten hat. Die Einführung in die homerischen Gedichte und der Unterricht in der griechischen Geschichte ist ja von diesen Schulen wie auch von den höheren Mädchenschulen immer betrieben worden, aber hier handelt es sich um ein tiefer greifenderes Unternehmen und um einen ganz neuen Versuch: nämlich darum: ohne die Kenntnis der betreffenden Sprachen ein Verständnis für die geniale Kraft und die bleibende Bedeutung des antiken Geistes zu ermöglichen.

Daß dieses Unternehmen möglich ist, darüber sollte an und für sich kein Zweifel aufkommen, da gerade wir Deutschen in dieser Hinsicht auf eine entscheidende Erfahrung hinweisen können. Denn annähernd soll hier doch etwas ähnliches versucht werden, wie es auf dem Gebiete der religiösen Literatur mit Hilfe der Bibelübersetzung und ihrer schulmäßigen Behandlung seit Jahrhunderten zum allerbedeutsamsten Nutzen für unser Volk geschieht. Wer sich gegenüber jenem Versuch auf philologische Bedenken versteifen wollte, der sollte immer wieder und wieder bedenken, daß ja auch die Bibelübersetzung es unserem Volk ermöglicht hat und es in alle Zukunft ermöglichen wird, vermittelst ihrer aus dem lauteren Quell der Urkraft des religiösen

Geistes das Wasser des Lebens zu schöpfen. Gewiß sind auch hier Geistliche und kundige Lehrer nötig, die mit Hilfe der Kenntnis der Ursprachen ein tieferes Verständnis erschließen und vor argen Mißdeutungen bewahren, aber das sieghafte Vordringen des reformatorischen Geistes war doch erst damit ermöglicht, daß auch das einfachste Mütterchen auf dem Lande selber in stiller Feierstunde zu dem Bibelbuche greifen konnte. Und warum soll nun etwas Analoges in bezug auf den andersartigen Geistesquell, der vornehmlich durch das Hellenentum erschlossen worden ist, nicht möglich sein? Warum soll man nicht auch in die Tiefen des hellenischen Geistes auf dem Wege sinngetreuer und deutschklingender Übertragungen einzudringen vermögen, wenn kundige Führer für die rechte und sachgemäße Vermittlung sorgen? Alle dagegen geltend gemachten Gründe sind in der Tat ebensowenig stichhaltig wie die gegen die Verdeutschung der Bibel.

Aber kann nun auch die Durchführbarkeit dieses Unternehmens nicht wohl bestritten werden, so ist es doch eine weitere Frage, ob die Bekanntmachung mit den hervorragendsten Erzeugnissen des antiken Geisteslebens wirklich auch heute noch von so entscheidender Wichtigkeit ist, daß wenigstens die gebildete Minorität männlichen und weiblichen Geschlechtes nicht von der Aneignung dieser Bildungsmittel absehen darf. Eben daß hierbei nur eine Minorität des ganzen Volkes in Betracht gezogen wird, zeigt schon, daß der Behandlung dieses Gegenstandes bei weitem nicht die Bedeutung zukommt, welche wir der Erschließung der biblischen Urkunden beimessen. Und dazu kommt, daß seit etwa einem Menschenalter in immer weiteren Kreisen die Auffassung Platz greift, die geistige Entwicklung unseres Volkes sei zu so selbständiger Höhe emporgediehen, daß sie nunmehr der Zucht des Altertums entwachsen sei. Die Einführung in die antiken Studien, so läßt sich diese Richtung hören, gehöre daher nur noch auf die Universität, nicht aber auf die Schule. Hält man dieser Ansicht die Überzeugung der entgegengesetzten Partei entgegen, die noch immer mit Niebuhr dem Gedanken huldigt, ,,daß Altertumswissenschaft immer das Salz der Erde war", und die daher auch heute noch die Auffassung vertritt, daß dieser Gegenstand das Fundament aller höheren Bildung sein und bleiben müsse, so kann man sich ein Bild von der Verwirrung machen, die gegenwärtig auf diesem Gebiet herrscht. Und so drängt sich Jahr für Jahr eine Flut von Vorschlägen der allerentgegengesetztesten Art an die Unterrichtsverwaltung heran, und es muß in der Tat kein leichtes sein, in diesen gegeneinanderbrandenden Wogen das Steuerruder fest in der Hand zu behalten.

Um nun zu der Frage Stellung zu nehmen, ob es in unserer

Zeit ratsam und geboten sei, die höhere Mädchenschule durch eine geeignete Auswahl von Übersetzungen in den Geist des klassischen Altertums einzuführen, werden wir zuerst das Prinzip aufsuchen müssen, nach dem die Entscheidung zu treffen ist. Dabei ist denn von vornherein klar, daß hierbei nicht die sogenannte formale Bildung, wie sie durch eine gründliche Erlernung der lateinischen Sprache erstrebt wird, in Betracht kommen kann. Das ist ein rein sprachliches Problem und muß ganz für sich erörtert werden; es ist nur verwirrend, wenn man die prinzipielle Untersuchung, ob unter den konkreten Sprachen die lateinische am geeignetsten zur Einführung in den Geist der Sprache überhaupt sei, mit der ganz anderen über die inhaltliche Wertung der antiken Geisteserzeugnisse vermengt. Wir scheiden daher die Erörterung über die Bedeutung der antiken Sprachen für die formale Bildung in dieser Auseinandersetzung von vornherein aus und fragen vielmehr nach dem allgemeinen Prinzip, nach welchem die inhaltliche Aneignung der Bildungsschätze eines fremden Volkes für die höhere Bildung der eigenen Nation als notwendig erachtet werden muß. Alle anderweitigen Diskurse, so geistreich und tiefsinnig sie sonst auch immer sein mögen, gewinnen so lange keinen festen Halt, bevor diese sichere Grundlage der Entscheidung nicht gefunden ist.

Um ein solches Prinzip ausfindig zu machen, muß man sich zu allererst darüber klar sein, daß weder der innere Wert der Literatur eines fremden Volkes, und wäre er auch der allerbedeutendste, noch die eigene begeisterte Wertschätzung einer solchen der primäre Faktor für die Gewinnung eines solchen Prinzips sein kann. Daß Philologen und Historiker bei dieser pädagogischen Entscheidung in Wirklichkeit von jener unhaltbaren Ansicht ausgegangen sind, ist der hauptsächlichste Grund der heutigen Unsicherheit auf diesem Gebiet, und so zeigt sich auch hier, wie verheerend der unphilosophische, rein historische Positivismus in dem Geistesleben unseres Volkes gewirkt hat. Wie heut keine Philosophie mehr gelehrt wird, sondern nur noch Historie und physiologische Psychologie, so ist auch die philosophische Pädagogik durch die psychologistische völlig verdrängt worden. Nicht Gesetze und Prinzipien, sondern schwankende Induktionen, und nicht das Wesen, sondern das zufällig Gewordene in den Tatsachen, das ist es, was heut zum Ausgangspunkt der Forschung gemacht wird. So ist es auf allen Geistesgebieten, seitdem man auch bei uns unter der Diktatur des historischen und psychologischen Positivismus philosophisch zu denken verlernt hat. Die Folgen aber zeigen sich am deutlichsten in den schwankenden Zuständen auf pädagogischem Gebiet.

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