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nicht wiederkehren darf. Denn einerseits repräsentirten die Systeme, welche die Scholastik zu vereinigen trachtete, das kirchliche Dogma und die platonisch-aristotelische Philosophie, zwei charakteristisch verschiedene Weltanschauungen. Und andrerseits war es nicht das fromme Selbstbewußtsein und sein lebendiger Inhalt, dessen sie sich geistig zu be mächtigen suchte, sondern eine Reihe fertiger und in sich schon erstarrter Dogmen, eine tote Tradition, die mit einer ebenfalls toten philosophischen Tradition zu verquicken weder ein wissenschaftliches noch ein jemals in lebendiger Religiosität anzueignendes Resultat ergeben konnte. Trotzdem sind doch die Intentionen der Scholastik von ihrer verfehlten Methode wol zu unterscheiden. Ja jene stehen sogar mit denen von Schleiermacher's Theologie in einer notorischen Analogie, wie das von Anselm entnommene Motto seiner Dogmatik beweist. Bei beiden hat das religiöse Bewußtsein den Primat, nur daß jene es nicht in seiner freien Innerlichkeit, sondern lediglich in der Gestalt des kirchlich festgestellten Dogmas zu erkennen vermochte. Endlich meint Schleiermacher, daß besonders die evangelische Kirche sich darüber klar sei, daß die ihr eigentümliche Gestaltung der dogmatischen Säße nicht von irgend einer philosophischen Form oder Schule abhänge, oder überhaupt von einem speculativen Interesse ausgegangen sei, sondern nur von dem der Befriedigung des unmittelbaren Selbstbewußtseins allein mittelst der echten und unverfälschten Stiftung Christi". Aber historisch richtig ist auch das nicht ganz. Denn tatsächlich kehrte grade der erste und älteste evangelische Dogmatiker, Melanchthon, alsbald zu einer festeren dialectischen Organisirung der Dogmatik — vermittelst eines eklectischen Aristotelismus zurück, und vollends die spätere alte Dogmatik ist ja wieder voll von scholastisch - dialectischer Methode nicht nur, sondern namentlich im Gottesbegriff auch von philosophischer Speculation. Wir verwerfen heute einstimmig die Art wie das geschehen. Gleichwol wäre es abgeschmackt, diese dogmengeschichtlichen Tatsachen lediglich als Symptome einer zweitausendjährigen Verirrung zu betrachten. Vielmehr sind es Symptome eines in der Sache selbst liegenden Zwangs. Was sich fragt kann nicht sein, ob die Dogmatik auf ein Zusammenarbeiten mit der Philosophie angewiesen sei, sondern in welcher Art und in welchem Umfange es geboten sei.

Dieser Eindruck wird verstärkt, wenn wir uns furz der bekannten Tatsache erinnern, daß Schleiermacher selbst sich dem gebieterischen Zwange der Sache nicht hat entziehen können. Obwol für Schleiermacher der positive Charakter des Christentums das Motiv war, sowol für seine Abgrenzung der Obliegenheiten der Dogmatik, wie für seine Definition der gesamten Theologie, so hat er doch, wir wir schon sahen, auf eine Verknüpfung der Theologie mit dem allgemein wissenschaftlichen Bewußtsein durch seine philosophische Theologie" nicht nur nicht verzichten wollen, sondern er hat sich sogar der entschiedenen Inconsequenz schuldig gemacht, die letztere in seine Dogmatik hereinzuziehen, hier das „rein positive" Christentum auf dem religions-psychologischen, geschichtsphilosophischen („ethischen“) und historisch-comparativen Wege als eine besondere Stufe und Art der Religion überhaupt zu erweisen. Er hat also das Christentum wissenschaftlich aus dem Wesen der Religion, dieses aus dem Wesen des Menschen als Creatur abzuleiten unternommen. Das sollen zwar alles nichtdogmatische Lehnjäße aus andern Wissenschaften sein. Allein er hat doch das unabweisbare Bedürfnis empfunden, die Dogmatik auf eine breite allgemein-wissenschaftliche Basis zu gründen, und sich nicht entschließen können, das Christentum ohne irgend welche Anknüpfung in unserem sonstigen Bewußtseinsinhalt lediglich in die Luft zu stellen. Das Christentum ist nichts anderes,

als eine besondere Art der Religion überhaupt. Alle Religion aber ist Abhängigkeitsgefühl. Das heißt aber nichts anderes als: alle Religion ist in erster Linie eine unmittelbare Aussage des menschlichen Bewußtseins über ein Factum metaphysischer Natur, nämlich über die creatürliche Situation des Menschen.

Führt also die Einleitung der Dogmatik Schleiermacher schon unwiderstehlich zur Anlehnung an eine ganze Reihe philosophischer Disciplinen, so führt ihn der gefundene Religionsbegriff sogar direct auf die Metaphyfik hin. Und die Dogmatik oder die Beschreibung der frommen Bewußtseinszustände" kann sich diesem Zuge umso weniger entziehen, als das Christentum seinem eigentümlichen Wesen nach grade für Schleiermacher nichts anderes ist, als die durch die Erlösung erreichte Möglichkeit, das Abhängigkeitsgefühl endlich rückhaltlos so zu vollziehen, wie es dem metaphysischen Wesen der Sache, der wahren Causalitätsstellung des Absoluten gegenüber dem Gesamtcomplex seiner Wirkung, der Welt, tatsächlich entspricht. Es begreift sich hiernach, daß Schleiermacher's metaphysische Grundansicht, zu der er sich mit seinem modificirten Spinozismus bekanntlich trotz aller kritischen Zurückhaltung nicht nur bekennt, die er vielmehr gradezu als kritischen Maßstab bei der Beurteilung der Leistungen des Erkenntnisvermögens verwendet, überall in der Dogmatik durchblickt, ganz besonders gleich im Anfang der systematischen Entwicklung, wo es sich um die dem Christentum mit aller Religion überhaupt gemeinsamen Aussagen über Gott und sein Verhältnis zur Welt handelt. Nicht weniger aber trägt bekanntlich sowol sein Sünden wie sein Erlösungsbegriff den psychologisch-metaphysischen Charakter, der von der Bestimmung des Christentums als sittlicher oder teleologischer" Religion nur ungenügend alterirt wird. So wenig dies letztere befriedigen kann, so richtig dürfte an und für sich der im Kerne metaphysische Inhalt der allgemein-religiösen Grundaussage getroffen sein. Hiernach aber erscheint der Umstand weit begreiflicher, daß wir in Schleiermacher's Dogmatik seine Metaphysik wiedererkennen, und die Aussagen des christlich frommen Bewußtseins vielfach kunstvoll, ja künstlich genug auf ihren Sinn zurückgeführt sehen, als die Beflissenheit, mit welcher er auf der Trennung besteht, und dabei noch betonen zu müssen glaubt, daß diese Trennung zwar nicht die Form, umso mehr aber den Inhalt betreffe. Vielmehr das Umgekehrte ist tatsächlich der Fall und im Wesen der Sache begründet.

Schleiermacher - Studien.

Von

M. Fischer, Pfarrer in Berlin.

I.
Rechtfertigung.

Unwillkürlich kam uns diese Ueberschrift in die Feder für einen Aufsaß, der Studien über und aus Schleiermacher in unseren Tagen einleiten möchte. Schleiermacher selbst hat einst seine Reden über die Religion" mit einer Rechtfertigung" begonnen im Gefühl, daß grade die, welche sich über das Gemeine erhoben haben und von der Weisheit des Jahrhunderts durchdrungen sind", über sein Unternehmen Gehör zu verlangen für einen so gänzlich von ihnen vernachlässigten Gegenstand" wie über ein Wagnis sich sehr wundern würden. Jezt naht mit dem Jahre 1899 das Jubiläum der „Reden“. Nun ist zwar die Ueberlieferung, daß damals ein Neues geworden sei in der Theologie und für die Kirche, noch nicht verstummt im jungen Geschlechte, das im Pfarramte und in der Vorbereitung dazu der Zukunft im neuen Jahrhundert entgegenwächst. Aber es ist inzwischen bekanntlich doch die absolute Theologie gefunden und das eigentliche Feld für die Praxis entdeckt, und dafür scheint von dem Alten nichts mehr zu lernen und zu gewinnen zu sein, vielmehr veraltet dünkt er den Jungen. Freilich kann man über das Warum und Wiefern gar wunderliche Urteile hören und wundern muß man sich auch manchmal darüber, wie wenig sie von dem wissen, was sie tatsächlich von ihm her haben. Wie jener samaritanische Fremdling in seinem Verhältnisse zum Heiland gegenüber den Neun, könnte man sich Schleiermacher und einem großen Teile der theologischen und kirchlichen Welt unserer Tage gegenüber fühlen, wenn man noch etwas mehr von ihm sagen und geltend machen will, als jene freundliche Anerkennung seines otium cum dignitate.

Richard Rothe freilich sagt1): „in Schleiermacher durchdringt sich die moderne Philosophie, das moderne speculative Geistesleben in seiner freiesten, von jedem beson deren speculativen System unabhängigen Gestalt lebendig mit dem Christentum und versöhnt sich mit diesem und es tritt in ihm zuerst die souveräne Macht des über und in

1) Geschichte der Predigt, herausgegeben von Trümpelmann, S. 479.

sich selbst zur Klarheit gekommenen religiösen Gedankens hervor". Eine solche Erschei nung dürfte sich dann doch wol in der Entwickelung von zwei Menschenaltern noch nicht erschöpft haben. Aber Rothe ist ja selbst schon ein Alter und außerdem nicht nur der Metaphysik zu zeihen, sondern auch als Mystiker äußerst anrüchig.

"

Nun soll unsere Rechtfertigung auf keinen Fall etwa auf eine Auseinandersetzung mit diesen Gebildeten unter seinen Verächtern" hinauslaufen. Ferner auch mit der Art Kritik Schleiermacher's, wie sie in Nr. 49 des letzten Jahrganges unserer alten Protestantischen Kirchenzeitung von Zittel abgetan worden ist, wollen wir uns nicht einlassen. Ueberhaupt ist es auf eine Rücksichtnahme auf die positive oder negative Stellung der theologischen und allgemeinen Geistesbewegung zu Schleiermacher durch das Jahrhundert hindurch hier nicht abgesehen. Die Geschichte seiner Wirkung im 19. Jahrhundert wird berufenere Hand zu schreiben haben. Wir wollen ihn nur in sich selbst studiren und aus seinen Werken seinen Geist gewinnen und darstellen.

Warum?

„Von jedem evangelischen Theologen ist zu verlangen, heißt es bei ihm1), daß er im Bilden einer eigenen Ueberzeugung begriffen sei über alle eigentlichen Derter des Lehrbegriffs nicht nur, wie sie sich aus den Principien der Reformation an sich und im Gegensatz zu den römischen Lehrsäßen entwickelt haben, sondern auch sofern sich Neues gestaltet hat, dessen für den Moment wenigstens geschichtliche Bedeutung nicht zu übersehen ist. Es ist dem Geist der evangelischen Kirche wesentlich, innerlich empfäng= lich zu bleiben für neuere Untersuchungen. Es kann die Behandlung des Canons sich ändern, es kann auch eine andere Quelle für den dogmatischen Sprachge= brauch sich öffnen". Bedürfen wir etwa gegenwärtig solcher Empfänglichkeit besonders? ist Lust und Mut nötig zu neuen Untersuchungen?

Wir wollen es noch von einer anderen Seite mit Schleiermacher ansehen. Wie haben wir eine kirchliche Gegenwart zu beurteilen; welche Gesichtspunkte kommen dabei zur Geltung?

„Der Gehalt einer kirchlichen Gemeinschaft in einem gegebenen Zeitpunkte beruht auf der Stärke und Gleichmäßigkeit, womit der eigentümliche Gemeingeist derselben die ganze ihr zugehörige Masse durchdringt." Fassen wir die Einstimmigkeit oder Mannigfaltigkeit der Resultate aus der Entwickelung des Lehrbegriffs" dabei ins Auge und das Interesse der Gemeinde an dieser Function, sowie den Einfluß des kirchlichen Gemeingeistes auf die übrigen Lebensgebiete und seine Manifestation im gottesdienstlichen Leben, so können wir daraus den Gesundheitszustand der kirchlichen Lage bestimmen gegenüber den Krankheitszuständen des Indifferentismus und Separatismus 2).

Den Einfluß des kirchlichen Gemeingeistes auf die übrigen Lebensgebiete können wir hier nicht untersuchen und seinen Grad feststellen wollen. Dieser wird übrigens als aufs engste mit dem Stande in den beiden anderen Fragen verknüpft zu denken sein. Der aber ist jedenfalls niedrig genug. Das Interesse der Gemeinde an der Function. der Lehrentwickelung und damit zusammenhängend die Manifestation im gottesdienstlichen Leben sind offenbar sehr gering. Woran liegt das?

1) Sämtliche Werke. Zur Theologie. 1. B.: Kurze Darstellung des theologischen

Studiums 2c. § 219.7

2) A. a. D. § 234.

Wir können in Schleiermacher's Sinne nicht antworten: am Unglauben, am Indifferentismus u. s. w. Denn dann kommt ja doch sofort die Frage: woher diese? Wir müssen vielmehr bei der Kirche nachfragen nach der Schuld. Da leitet uns der § 240 der Kurzen Darstellung auf den rechten Weg. Es handelt sich da um die Frage des Verhältnisses der Kirche zur allgemeinen Wissenschaft. Auch diese ist als ein organisches Ganzes gedacht mit eigenem Wesen und Recht und es heißt nun da: „das Verhältnis kirchlicher Gemeinschaften zu eigentümlichen Ganzen des Wissens schwankt zwischen. den beiden Einseitigkeiten, der, wenn die Kirche kein Wissen gelten lassen will, als dasjenige, welches sie sich zu ihren besonderen Zwecken aneignen, mithin auch selbst hervorbringen kann, und der, wenn das objective Bewußtsein die Wahrheit des Selbstbewußtseins in Anspruch nehmen will." Wenn vonseiten des objectiven Bewußtseins d. h. des Weltwissens die Wahrheit des Selbstbewußtseins" d. h. die Objectivität des religiösen Verhältnisses so vielfach in Anspruch genommen, ja selbst von gewisser theologischer Seite es damit nicht mehr recht ernst genommen wird, wie viel Schuld hat daran doch die Kirche d. h. die in ihr herrschende Richtung, der sich auch ihr Regiment mehr oder weniger unterstellt, die kein anderes Wissen gelten lassen will, als das rein kirchlich producirte. Wir stehen auf dem Punkte, daß die Gemeinschaft des Weltwissens und die (kirchliche) des Gottesglaubens einander ausschließen zu müssen scheinen.

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Man könnte meinen, daß, von anderer Seite betrachtet, hier sogar ein Schwinden jenes Gegensatzes sich vollziehe, der die moderne Christenheit beherrscht, des Gegensaßes zwischen katholisch und protestantisch. Wenn im katholischen Ideal die Kirche als die absolut ethische Gemeinschaft gesetzt und Staat und Wissen ihr untergeordnet wird1), so find wir doch auf unserem Kirchengebiete offenbar in Annäherung dazu begriffen. Die Kehrseite, daß die Kirche höchstens noch als ein Institut betrachtet wird, durch das „die Leidenschaften reprimirt" werden sollen, hat sich ganz notwendig entwickelt. Und die Folge davon ist natürlich, daß sie nicht nur von Massen, die lieber solchen Leidenschaften gehorchen wollen, erst recht verachtet wird, sondern auch denen innerlich fremd geworden ist, die sie unter diesem Gesichtspunkte gelten lassen wollen, sowie ihr von denen nicht geholfen werden kann, die ihr mit solchem Sinne wirklich zugetan sind. Aber das ist doch nur scheinbar eine Annäherung in jenem Gegensaße. In Wirklichkeit ist es, wenn das Gebiet des Protestantismus nicht blos unter dem Gesichtswinkel positiver Kirchlichkeit betrachtet wird, ein Fortschritt in ihm zu größerer und klarerer Spannung, in der er erst die notwendige volle Ausgestaltung finden wird. Sowol die evangelische Innerlichkeit, als die protestantische Freiheit und die humanistische Welteinigkeit, die in der Idee der Reformation liegen, werden durch das Niederringen des katholischen Principes im Gebiete des Evangeliums und durch vollständige Ausfegung dieses alten Sauerteiges erst recht zur Entfaltung kommen und die Kirche des Wortes", d. h. nicht etwa eine scholastische Lehr- und Dogmenkirche oder eine sacramentale Cultuskirche, wol aber die der freien evangelischen Verkündigung, wo wer aus der Wahrheit ist Seine Stimme hört und durch Geist im Geiste gläubige Persönlichfeiten gezeugt werden, tritt in Wahrheit und Freiheit der Priesterkirche aller Gestalt gegenüber.

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1) Sämtl. Werke. Zur Philosophie. Bd. 5. System der Sittenlehre, S. 321.

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