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dungen unter dem systematisirenden Gesichtswinkel ließe sich aus den Werken unserer systematischen Theologen zusammenstellen!

Kehren wir zurück zu dem Gebiete, um welches es sich für uns handelt, so hat z. B. der oben genannte apologetische Führer Zöckler S. 37f. an den einzelnen გ. Schriften des Neuen Testamentes fast der Reihe nach zeigen zu können geglaubt, daß es keinerlei Continuität des wissenschaftlichen Urteils mehr gebe, sondern allenthalben ,,quot capita tot sensus". Was ist davon zu halten? Darüber mag uns zunächst eine historische Orientirung belehren. Eine biblische Kritik in umfassendem, größerem Stil eristirt wenigstens in Deutschland erst seit dem 1791 in Halle verstorbenen Johann Salomo Semler. Dieser aber ging in seinem bezüglichen Wirken direct zurück auf die Reformation. Er war überzeugt, daß der gelehrten Theologie seiner Zeit genau das gleiche Recht zustehen müsse, wie denjenigen Theologen, welche zweihundert Jahre zuvor in Luther's Nachfolge verschiedene Rangordnungen neutestamentlicher Bücher aufzustellen sich nicht gescheut hatten und dabei im übrigen Theologen von anerkannter Rechtgläubigkeit geblieben waren. Auch die neutestamentliche Literatur sollte deshalb nunmehr nach denselben Gesetzen behandelt und beurteilt werden, welchen alle menschliche Schriftstellerei unterliegt, d. h. die Verfasserschaft, Zeitlage und Tendenz einer Schrift sollte statt nach der kirchlichen Tradition, vielmehr nach historischen Analogien und innerer Wahrschein lichkeit aus dem literarischen Product selbst heraus erforscht werden. Auf diesem Wege stellte sich schon dem genannten Bahnbrecher eine gewisse Gegensäglichkeit zwischen paulinischer und juden christlicher Literatur im Neuen Testament heraus und erschienen ihm die sogenannten katholischen Briefe als Ausgleichsversuche. Schon deshalb kann es, wenn Baur auf ein ähnliches Schema geraten ist, nicht lediglich apriorische Geschichtsconstruction im Sinne Hegel's gewesen sein, was ihn darauf geführt hat. Merkwürdigerweise läuft auch bei Semler die Scheidelinie mitten durch die johanneische Literatur hindurch, indem das vierte Evangelium auf die paulinische, die Apokalypse auf die judenchristliche Seite zu liegen kam. Und so wenig wie die Apokalypse vom vierten Evangelisten, so wenig konnte der Hebräerbrief von Paulus geschrieben sein, trotz der fast anderthalbtausendjährigen Tradition, die ihn als 14. Paulusbrief kennzeichnete. Der erste Petrusbrief schien kaum mehr als unmittelbare apostolische Schrift gelten zu können; der zweite aber samt dem Judasbrief wurde in das 2. Jahrhundert verwiesen.

Es war zweckdienlich, an diese Dinge, welche die Lage vor hundert Jahren bezeichnen, zu erinnern, weil daraus sofort die wesentliche Verwandtschaft derselben mit der heutigen erhellt. Alle Hauptprobleme sind dieselben geblieben, ja die Resultate waren vor 100 Jahren zum guten Teil schon vorweggenommen, wenn auch noch nicht methodisch richtig erreicht. Der ganze Strom der neutestamentlichen Kritik hat, weit davon entfernt, in hundert Bächlein nach allen Weltgegenden zu verlaufen, gleich von vornherein ein Fahrwasser gebildet, welches nur immer tiefer und breiter wurde, aber keine grundsatzmäßige Ablenkung aus der einmal genommenen Richtung erfahren hat. Was heute die Schüler Hofmann's und Hengstenberg's, was Zöckler und Genossen bekämpfen,

sind im wesentlichen die Semler'schen Aufstellungen, und die gleichen Aufstellungen find es auch, darin sich mit unwesentlichen Abweichungen im Detail die Vertreter aller kritischen Richtungen und Schulen zusammenfinden.

So betrachtet hat die Epoche der sogen. Tübinger Schule keineswegs die Bedeutung eines absoluten Novums, vielmehr lag diese ganze Richtung durchaus schon in der von Semler gewiesenen Linie. In dieser Combination (Semler-Baur) stimmen Anhänger, wie Hilgenfeld, und Gegner Baur's, wie Uhlhorn und H. Schmidt-Haußleiter (S. 482f.) überein, und der französische Schweizer Godet behandelt Baur einfach als Semlerus redivivus" (Introduction au Nouveau Testament 1893, .56). Was Baur geltend machte, das waren die Semler'schen Grundanschauungen, nur solider fundamentirt, stärker befestigt, sorgfältiger ausgebaut, vor allem in einen großartigen historischen Zusammenhang eingefügt. „Die historische Schule innerhalb der Theologie", diese Bezeichnung, welche Baur und Zeller dem von der Gegnerschaft beliebten Namen „Tendenzkritik“ entgegenseßten, entsprach den Tatsachen und war vollkommen berechtigt. Uebrigens berührte jene Gegnerschaft selbst, soweit sie ernst zu nehmen war, keineswegs in erster Linie Fragen der literarisch-historischen Kritik, sondern es handelte sich überhaupt um die geschichtliche Situation und Constellation, darunter das Urchristentum sich zur katholischen Kirche fortgebildet und ausgestaltet hat. Es handelte sich namentlich darum, ob dem Judenchristentum in Wirklichkeit eine so allbedingende und durchgreifende Bedeutung im christlichen Altertum zukomme, daß ihm die Existenz der Kirche selbst zum besten Teile auf die Rechnung geschrieben werden kann, oder ob diese Kirche nicht vielmehr als eine heidenchristliche Stiftung zu begreifen sei. Es handelte sich endlich darum, ob das Durchschnittsbewußtsein des nachapostolischen Zeitalters nach Tübingischem Recept aus dem allmählichen Ausgleich beider Richtungen oder nicht ungleich besser aus den religiösen Dispositionen zu erklären sei, welche die heidnischen Massen, wenn sie in die Kirche hineindrangen, mitbrachten. Nach allen diesen Richtungen haben Ritschl und seine Nachfolger, zuallermeist A. Harnack, ohne Frage die Tübingische Operationsbafis mannigfach durchlöchert und den ursprünglichen Feldzugsplan mit geschickten Manoeuvres durchkreuzt und stehen seit einem Menschenalter vielfach siegreich der Tübingischen Auffassung gegenüber. Insonderheit hat auch die kritische Schule im weitern Sinne, wie sie mit der Zeit aus der Tübinger Keimzelle erwachsen ist und der unmittelbaren Gegenwart angehört, wesentliche Concessionen gemacht und sich nicht wenige Gesichtspunkte angeeignet, welche geradezu als Correcturen des Tübinger Programms gelten müssen. Im Verlaufe dieses Processes find viele alte Controversen hinter neuen Streitfragen, die sich aus der veränderten Gesamtanschauung ergeben haben, zurückgetreten, ́und über dem allen ist das Geschichtsbild des Urchristentums wesentlich bereichert worden. Man vergleiche nur etwa den 1885 in erster, 1894 in dritter Auflage erschienenen, ersten Band des „Lehrbuchs der Dogmengeschichte" von Harnack mit dem 30 Jahre ältern Buche Baur's über „Das Christentum der drei ersten Jahrhunderte" und man wird einen ungefähren Begriff von der rastlosen Arbeit, welche zwischen heute und damals

liegt, einen Ueberblick über die ungeahnte Menge neuer Fragestellungen und Gesichtspunkte gewinnen, welche mittlerweile aufgetaucht sind.

Andererseits führt aber auch eine directe und kürzeste Verbindungslinie von jenem zu diesem Punkte, sobald man zu den speciell neutestamentlichen Fragen zurückkehrt und die Beurteilung der einzelnen Schriften nach ihrer Entstehung, Echtheit und Ab. zweckung ins Auge faßt. Hier gibt es tatsächlich keine gemeinsame Fahne der Schüler Ritschl's mehr, sondern nur eine mehr oder weniger weit gediehene Annäherung an die Aufstellungen der Tübinger Schule. Als Illustration dient die Stellung, welche zwei der hervorragendsten persönlichen Schüler Baur's heute einnehmen: auf der einen Seite sein Nachfolger Karl Weizsäcker, der sich auf so vielen Punkten mit Ritschl und den conservativern Strömungen berührt; auf der andern sein schwäbischer Landsmann in Berlin, Otto Pfleiderer, welcher wie auf systematischem, so auf historisch-kritischem Boden den Gegensaß zu Ritschl darstellt. Von jenem haben wir das hervorragende Werk: „Das apostolische Zeitalter der christlichen Kirche" (1886, 2. Aufl. 1892); von diesem die lichtvolle Darstellung: „Das Urchristentum, seine Schriften und Lehren in geschichtlichem Zusammenhang" (1887). Untersucht und vergleicht man beide Werke auf ihre Stellung zu den Fragen der neutestamentlichen Einleitung, so weisen sie ein auf allen Hauptpunkten mehr oder weniger übereinstimmendes Gepräge auf. Insonderheit sind die Negationen in beiden Büchern fast durchweg dieselben.

Erkenntnistheorie und Theologie

von

D. H. Lüdemann,

́Professor der Theologie in Bern.

V.

Nach Ritschl's ersten Aeußerungen ist, wie wir sahen, der Theologie ihr wissenschaftlicher Charakter dadurch gesichert, daß die Gottesidee derjenigen religiösen Weltanschauung, deren Construction und Rechtfertigung die Theologie zu leisten hat, sich in schlechthin einzigartiger Weise dazu eignet, das wissenschaftliche Grundproblem überhaupt zu lösen, d. h. das Zusammenbestehen von Natur und Geist zu erklären; und zwar zu erklären nach Maßgabe des Bewußtseins des Geistes von seiner Ueberordnung über die Natur, daher teleologisch, so daß der Geist der Zweck, die Natur das Mittel ist. Da nun nach Ritschl das Christentum in letzter Beziehung nichts anderes ist, als eine nähere Bestimmung darüber, in welchem Sinn der Geist Zweck und die Natur Mittel ist, oder da das Christentum nichts ist als die Enthüllung der bestimmten, von der göttlichen Wirksamkeit von Ewigkeit her innegehaltenen teleologischen Richtung, so ist auch die ganze Theologie für ihn nichts anderes als die nähere Entwicklung jenes ,,theoretischen Erkenntnis actes", mittelst dessen man durch die Heranziehung der christlichen Gottesidee das Nebeneinander von Natur und Geist erklärt. Dies ist offenbar der Grund, aus welchem sich Ritschl im Anfang weitergehender erkenntnistheoretischer Erörterungen überhoben erachtet hat, und alsbald ohne weiteres an die dogmatische Arbeit herangetreten ist. Das hat jedoch den Uebelstand zur Folge gehabt, daß man in der 1. Auflage fernerhin wol aphoristische, rein ad hoc concipirte erkenntnistheoretische Orakel verstreut fand, aber eine übersichtliche Zusammenfassung derselben zu einer „Theorie" vermißte. Solche Aphorismen finden sich z. B. in der 1. Aufl. insbesondere S. 213. 343. 357, für Nebenfragen auch S. 122. 235. Wir werden an diese Stellen unten je am betreffenden Ort erinnern.

Es konnte nicht ausbleiben, daß man diese Aeußerungen entweder nicht verstand, oder übersah. Deutlich wurde nur die ganze in Ritschl's dogmatischem Reflectiren zutage

"

tretende Methode. Aber diese zeigte sofort ein merkwürdiges Doppelantliß: auf der einen Seite ein entschlossener Offenbarungsglaube: die Geltendmachung von Christi Person, Leben und Leiden als vollständiger Offenbarung nicht blos von Gottes Liebeswillen, sondern eben darin gradezu seines Wesens, Gottes selbst; auf der andern Seite das sich Resigniren der ganzen dogmatischen Erörterung auf eine durchaus rationale Zweckmäßigkeits. Reflerion, kraft deren die Rechtfertigung" oder die durch Christus offenbarte Verzeihung" der Sünde als Unwissenheit" sich als das unumgängliche Mittel erweist, um durch die „Gemeinde“ den Endzweck Gottes mit der Welt, oder das Gottesreich zu verwirklichen. Diesem Zweckmäßigkeitsgedanken erscheinen alle sonstigen dogmatischen Fragen untergeordnet. Er ist vor allem auch der Wert", der einerseits stets die Rolle des Wahrheitskriteriums, andererseits die des Principes spielt, welches die Auswahl des dogmatischen Stoffes bedingt. Wenn diese lettere Function wesentlich als eine ausscheidende erscheint, so hat dies nicht etwa seinen Grund in der monographischen Anlage des Ganzen. Wir sahen schon früher, daß diese imgrunde nur Schein ist. In Wirklichkeit legt vielmehr Ritschl auf die „Vollständigkeit des systematischen Ganzen" ein Hauptgewicht, und muß es auch, weil ein teleologisch angelegter Zusammenhang keine wesentlichen Lücken aufweisen darf, wenn er nicht sein Ziel verfehlen will.

So kommt es aber, daß Ritschl, ohne sich eigentlich erkenntnistheoretisch darüber gerechtfertigt zu haben, eine ganze Anzahl dogmatischer Probleme links liegen läßt, die einem weniger einseitig teleologisch gerichteten theologischen Denken keineswegs gleichgültig sein können, und auf welche auch das christlich-religiöse Bewußtsein von jeher eine Antwort gesucht hat. So werden z. B. - auf den Gottesbegriff werden wir noch besonders zurückgeführt werden - Fragen wie die nach dem Zusammenhang von Uebel und Sünde, nach Notwendigkeit oder Nichtnotwendigkeit der Sünde, nach Erklärung des Schuldbewußtseins bei Notwendigkeit der Sünde, nach dem Werden Christi zur Erlöserpersönlichkeit, nach dem Wesen seiner Wunderkraft", nach den metaphysischen Voraussetzungen seiner Gottheit“ u. a. m. alle nur gestreift, um abgewiesen zu werden, als die Competenz der Theologie überschreitend. So richtig nun dies lettere in einigen dieser Fälle - feineswegs in allen - zweifellos ist, so vermißt man doch dafür hier den wissenschaftlichen Grund, wenn doch z. B. die „Wunderkraft“ Christi keineswegs bezweifelt, die Gottheit" mit Emphase behauptet wird.

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Für diese Methode der Enthaltung und diese lediglich teleologische Zuspißung der gesamten dogmatischen Construction eine nachträgliche Rechtfertigung zu bringen, war der Zweck der Broschüre „Metaphysik und Theologie". Und jene Construction bedurfte dessen umso mehr, als man bis dahin namentlich eine Rechtfertigung dafür vermißte, so unbefangen und weitgreifend wie es hier geschah, den Gegensatz von Zweck und Mittel überhaupt mit dem Gottesbegriff verbunden, d. h. aber nach unbezweifelbar richtigem Sprachgebrauch metaphysisch" verwendet zu sehen.

Nun ist die Tendenz der Broschüre, wie es auch die der 1. Auflage des Haupt

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