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Literatur.

Schiller in seinem Verhältnis zur Freundschaft und Liebe sowie in seinem inneren Verhältnis zu Goethe. Von Gustav Portig. Hamburg u. Leipzig 1894, Leopold Voß; XVI u. 775 S.

Gustav Portig, der unsern Lesern aus seiner früheren theologischen Zeit durch sein überaus fleißiges, aber noch von der Theologie der unzulänglichen Vermittelung stark beeinflußtes Werk über „Religion und Kunst“ bekannt sein wird, hat sich seither aufs eingehendste mit Schiller und Goethe beschäftigt und in Schiller nicht nur die Goethe weit überragende persönliche Darstellung der reinsten Freundschaft und Liebe verehren gelernt, sondern auch unsern größten Gedankenlyriker und Dramatiker und einen Denker ersten Ranges, den Herold eines kraft- und lebenerfüllten Idealismus, der in eigner freier Tat den tiefsten Wahrheits- und Schönheitsgehalt sättigt mit dem reinsten Gemüt.

Dieser enthusiastischen Verehrung Schiller's, die aber mit vollem Verständnis für Goethe's Universalgenie verbunden ist, danken wir Portig's umfangreiches geistvolles Buch. Der Hamburger Aesthetiker, der allerdings an seines Lieblingshelden Tun und Dichten und Denken selten Kritik übt, ist tatsächlich doch nicht den einseitigen Schillerschwärmern zuzurechnen, die Goethe's Größe verkennen und in den Staub zu ziehen suchen. Wenn er auch Uebergriffe der Goethomanie bei Hermann Grimm und Erich Schmidt wie bei Hillebrand, Hettner und Hehn abwehrt, so richtet sich sein Schwertschlag doch viel schärfer wider Goethe's giftige Gegner in Vergangenheit und Gegenwart, die Börne und Heine, Wolfgang Menzel, Hengstenberg und Ph. von Nathusius bis zu dem Wiener Jesuiten Sebastian Brunner und Paul Haffner, dem Bischof von Mainz.

Daß ein großer Teil des Lesepublicums auch bei Schiller's Freundschafts- und Liebesverhältnissen auf Interessantes und Pikantes ausgeht, ist dem Verf. nicht unbekannt. Wenn er aber grade daraus die Verpflichtung herleitet, jedes derartige Gelüst fernzuhalten und jene Heiligtümer im Lebensgange Schiller's unter den denkbar höchsten Gesichtspunkten zu betrachten“, so hätte er Schleiermacher mit demselben Maße messen und nicht nach Erwähnung seiner tiefgehenden Neigung" zu Eleonore Grunow in mis

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verständlichster Weise fortfahren sollen: Gleichzeitig pflegte er ein offenkundiges Verhältnis 1) zu der Gattin eines jüdischen Arztes“ u. s. w. S. 359.

Die Darstellung des Schiller'schen Verhaltens in der Freundschaft und Liebe ist für Portig, wie er selbst gesteht, nur Mittel zum Zwecke. Für ihn gruppiren sich alle anderen Beziehungen in Schiller's Leben nur um das einzigartige Verhältnis zu Goethe herum. Ihm ist das gleichzeitige Erscheinen und Wirken von Goethe und Schiller nicht blos eine historische Tatsache ersten Ranges innerhalb der Geschichte der Poesie, sondern auch etwas Urbildliches, was in der Geschichte der ganzen Menschheit nur einmal existirt. Zwar hat das innere Verhältnis von Goethe und Schiller eine Anzahl von ähnlichen Verteilungen der Idee an zwei Persönlichkeiten zur Seite. Aber nur innerhalb des deutschen Volkes der Neuzeit, und zwar des protestantischen Teils, nur auf dem Gebiete der Poesie als der geistigsten aller Künste, konnte eine Menschwerdung jenes Ur-Gegensaßes stattfinden, welchen Schiller und Goethe selbst als einen in ihnen verkörperten bezeichnet haben, an welchen Kant als der größte deutsche Philosoph seine ganze Lebensarbeit gesetzt hat. Es ist dies der Ur-Gegensatz von Natur und Freiheit, welcher in der Einheit von Goethe und Schiller als die tatsächliche Lösung des höchsten philosophischen Problems erscheint. Die Begriffe der „Natur" und der „Freiheit“ find freilich nur die denkbar einfachsten Abkürzungen für die beiden großen Weltanschauungen, deren Wurzeln eine mit Geist gesättigte Natur in zahllosen Entwicklungsstufen und eine auf einem Naturgrunde ruhende, aber dem Wesen nach alle Natur überragende Willensfreiheit sind. Schon jede einzelne dieser Weltanschauungen ist so reich und groß und tief, daß ihre Ausgestaltung das Zusammenwirken vieler auserlesener Geister erfordert. Gleichwol liegt das Ziel aller Philosophie ebenso in der organischen Verbindung der „Natur“- und der „Freiheits"-Systeme, wie die göttliche Vernunft uns die geistige Einheit von Goethe und Schiller nur in der Form des Gegensaßes dieser beiden Männer geben konnte. So sehe ich denn in der Zusammengehörigkeit von Goethe und Schiller ein Weltgesetz verwirklicht, welches ich das des Gegensatzes in meinem Buche genannt und eingehender begründet habe“.

Damit kennzeichnet der Verf. selbst im Unterschiede von einer beschränkteren Fassung der Literaturgeschichte sein Buch als ein geschichtsphilosophisches, das im Geiste Kant's und Schiller's eine Versöhnung der „Natur“- und der „Freiheits"-Systeme herbeiführen helfen möchte. Wenn Portig darin für die allbedingende Oberhoheit" des Kant - Schiller'schen Freiheitsbegriffes eintritt, so geschieht es in der ausgesprochenen Ueberzeugung, daß unsere ganze Culturherrlichkeit ohne das Ferment dieses Freiheits

1) vgl. dagegen W. Dilthey, Leben Schleiermacher's S. 202: Dies (Verhältnis zu Henriette Herz) war keine Beziehung wie zu Eleonore Grunow. Dieser geordneten harmonischen Existenz gegenüber bestand jene Gleichheit und gegenseitige Unbedürftigkeit, welche die Grundlage der Freundschaft ist"; und R. Haym, Die romantische Schule S. 414: „Ein Verhältnis nicht der Liebe, sondern der uneigennützigsten Freundschaft".

begriffs ein Koloß auf thönernen Füßen ist. „Es fehlt uns ein urwüchsiger, freier und doch im guten Sinne des Wortes gläubiger Idealismus; der Naturalismus einer unfehlbar gewordenen Kirche und der Naturalismus entchristlichter Massen teilen sich in das Erbe unserer Väter" (S. 534). Die anschauliche Schilderung der Erscheinungsformen des gegenwärtig herrschenden Naturalismus in der Architectur, Plastik, Malerei, Musik, Schauspielkunst, Poesie und Romanmacherei ist gradezu meisterhaft.

Von diesem Naturalismus und Materialismus unterscheidet sich der echte Realismus Goethe's ebenso gründlich, wie der echte Idealismus Schiller's etwas ganz anderes ist, als abstracter Spiritualismus oder Intellectualismus. Wie die Geschichte überhaupt in Wellenlinien und Spiralen verläuft, so schwankt auch die Entwicklung eines Culturvolkes zwischen einer mehr idealistischen und einer mehr realistischen Geistesströmung. Fürs practische Leben gibt Portig den guten Rat, beiden Richtungen gerecht zu werden, den Idealismus vor Tatenlosigkeit, den Realismus vor Ideenlosigkeit zu schüßen. Ihm persönlich aber steht der Idealismus höher und darum überragt ihm auch der Schiller'sche Idealismus den Goethe'schen Realismus. Dieser Idealismus ist imgrunde nichts anderes, als der felsenfeste Glaube, daß die ideale Welt nicht blos eine abstract ideelle, sondern eine wahrhaft reale, ja die einzige wahrhaft reale ist, in der Kunst, Wissenschaft und Religion ihren verborgenen Schwerpunkt haben. Diese Idealwelt mit ihren Gütern und Gaben kann der Mensch nur dann in sich verwirklichen helfen, wenn sein innerstes persönliches Tun auf seiner Freiheit ruht. Der Weltzweck besteht in der Vollendung persönlicher Geister; aber diese Vollendung kann nur erfolgen durch den Geist selbst, durch seine eigensten innersten Taten, durch seine Freiheit. Die höchste wissenschaftliche Erkenntnis ist nichts weiter, als ein Sichselbsterkennen, Seinselbstinnewerden des menschlichen Geistes; das höchste künstlerische Tun ist eine Selbstanschauung des Geistes, das höchste religiöse Tun ein Ergreifen Gottes innerhalb des Menschengeistes. Nur die Religion erfüllt ihren Begriff, die den Menschen zu einer freien Persönlichkeit innerlich umgestalten kann, frei zu allem Guten und Wahren, frei durch Gott und in Gott. Wahrhaft frei werden kann aber der Einzelne nicht in seiner Vereinzelung, sondern nur als Glied eines Ganzen, das aus demselben Wesen stammt und von demselben Geist erfüllt ist wie er selbst. Für den großen Künstler Goethe ist nur der gebildete Mensch der Kunst und Wissenschaft von Wert. Für den Dichterphilosophen Schiller, der etwas von einem Reformator hat, ist ein Volk als Gesamtpersönlichkeit wichtiger als der Einzelne (S. 546-572).

Weniger Zustimmung dürfte der Versuch Portig's finden, Goethe als „den Vertreter eines idealen Katholicismus auf ästhetisch-religiösem Gebiete" zu erweisen. Wir vermuten, daß den Verf. dazu seine These verführt hat: „Goethe ist der Vertreter des unbewußten Geistes auf dem Gebiete der Poesie, wie Schiller der Typus des bewußten Geistes". Auf diese These können wir hier nicht näher eingehn. Aber jener Versuch ist unseres Erachtens verunglückt. D. Pfleiderer (Gesch. der Religionsphilosophie S. 252), R. Sted (Prot. Kirchenzeitung 1880 S. 536 ff.) und Eug.

Filtsch (Goethe's religiöse Entwickelung S. 320 ff.) haben den Protestanten Goethe sicherlich besser erkannt und gewürdigt.

Das Schlußcapitel (S. 710-775), das den Gegensatz des unbewußten und des bewußten Geistes 1. im Menschen selbst und in seinem Verhältnis zu Gott, 2. in Gott und 3. die Bestimmung des rechten Verhältnisses von Natur und Freiheit in Gott behandelt, wird uns in einer späteren Auseinandersetzung beschäftigen, die im engen Rahmen einer Anzeige unmöglich wäre und darum einem Aufsatz vorbehalten bleiben muß. Wenn wir von dem aufrichtig verehrten Verf. in der Auffassung und Würdigung der nachkantischen Philosophie abweichen, so dürfen wir ihn auf die von ihm selbst (S. 207) mit verdienter Anerkennung erwähnte Darstellung der „Philosophie seit Kant" von Friedrich Harms verweisen.

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Nicht diese Differenzen zu betonen und zu besprechen ist unsere Absicht. Wir möchten vielmehr Leser, die sich vor einem umfangreichen Buche nicht fürchten, aber auch nicht zu den namentlich in der Goethegemeinde" recht zahlreichen Stoffhubern" gehören, auf das mit so viel Fleiß, Geist und Geschmack gearbeitete Werk Gusta v Portig's aufmerksam machen, das neben dem reichen Gedankengehalt seiner fein- und tiefsinnigen Betrachtungen eine vorzügliche Auswahl aus Schiller's Briefwechsel besonders mit Goethe, Körner, Wilh. von Humboldt, Charlotte von Lengefeld 1) und ihrer Schwester Karoline von Wolzogen bietet und von heiliger Liebe zu dem Dichter und Helden des ethischen Idealismus durchglüht ist, den der Verf. mit Recht neben Martin Luther stellt:

,,Nicht weit von jener Stelle, wo der thüringische Bergmannssohn geboren wurde und zum Mann heranreifte, entrollte Schiller dieselbe Fahne, welche einst Luther seinem Volke vorangetragen. Im Herzen Deutschlands wirkte er, im Herzen Deutschlands ruhen seine Gebeine. Aber mehr noch will es bedeuten, daß er von dort aus durch sein eigenes großes Herz die germanische Welt geistig eroberte und jenen Kreuzzug vorbereitete, der das wälsche Wesen aus Deutschland austrieb. Schiller hielt das Panier der Freiheit als leuchtende Oriflamme empor, und als diese sich über den Sterbenden senkte, konnte er hinübergehn wie seine Heldin mit dem Bekenntnis: Kurz war der Schmerz und ewig ist die Freude. Ihm war, ähnlich wie Luther, die Freiheit nicht in erster Linie eine politisch-sociale, sondern eine persönlich - geistige, eine sittlich erworbene. Es war jene Freiheit, die der Angelpunkt in der Weltanschauung eines Kant und Fichte ist, die als Großtat des vernünftigen Willens die Wurzel wie die Krone des Ganzen, des neuen Menschen sein soll. Was Luther als die ungeheure Kraft des Glaubens bezeichnet hatte, das nannte Schiller die Tat der Freiheit. . . . Wie Luther in seinem felsenfesten Glauben die Welt durch das Wort allein erobert wissen wollte, so hat auch

1) Sehr dankenswert sind auch die Mitteilungen aus dem Briefwechsel und Tagebuch Charlottes nach Schiller's Tode, die vollauf Portig's Urteil bestätigen: „Schiller's Gattin war eine der idealsten deutschen Frauen, die je gelebt haben. Sie war als Weib ebenso hochbegabt und so rein als Charakter, wie Schiller als Mann.“

Protestantische Monatshefte. 1. Jahrg. Heft 5.

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Schiller durch die Macht seines Wortes allein den Himmel der Ideale für uns aufgeschlossen, durch seine Sprache diese abstracten Gebilde dem Volke faßbar gemacht . . . Der Dichter und der Mensch in Schiller prägen sich aus in seiner unvergleichlichen Rede. gewalt. Seine Sprache gleicht dem Blumengeist, der aus der Muttersprache des ganzen deutschen Volkes aufsteigt . . . Als ein Prophet des Höchsten zieht er den Vorhang hinweg von dem Allerheiligsten, damit wir im Bilde die Einheit des Guten, Wahren und Schönen erschauen... Nur darum, weil Schiller ein Idealist ersten Ranges war, vermochte er in dieser Weise den höchsten Glanz der Sprache, den reinsten Adel der Gefinnung und eine erhabene Tiefe der Gedanken zur unmittelbaren Einheit zu verbinden“ (S. 6. 7. 568).

Möchte die Zeit nicht fern sein, da dieser Idealist ersten Ranges bei uns in Schule und Haus wieder die Stelle einnimmt, die ihm gebürt! Was wir allen Kindern des deutschen Volkes, nicht zum wenigsten unsern „höheren“ Töchtern und Söhnen wünschen, ist Schiller als Erzieher. Für ihre Lehrer aber wird Gustav Portig's Buch ein vortrefflicher Wegweiser sein.

J. W.

A. Ritschl's Idee des Reiches Gottes im Lichte der Geschichte. Kritisch untersucht von Dr. Richard Wegener, Prediger und Erziehungsinspector am Schindler'schen Stift in Berlin. Leipzig 1897, A. Deichert's Verlag.

Es war ein guter Gedanke, das Ritschltum einmal grade auf die Bedeutung hin zu prüfen, die die Reichsgottesidee bei ihm hat, und das Licht der Geschichte aus dieser Richtung darauf fallen zu lassen. Grade mit der centralen Verwertung dieser Idee will ja die neue Theologie in nun erst entdecktem genuinem Luthertum der evangelischen Kirche ihre specifische Theologie erst bringen. Je mehr das ein Ansehn hat, umso wichtiger ist die Frage, wie es mit der theologischen und evangelischen Berechtigung dabei bestellt sei.

Unser Buch nimmt nun mit der geschichtlichen Darstellung in der ersten Hälfte zunächst die Neuheit der Sache in Anspruch. In den Kreisen der deistischen und moralischen Aufklärung kam im leßten Drittel des vorigen Jahrhunderts die Reichsgottesidee schon einmal theologisch und fürs System zur Geltung. Sie bot der rational-moralistischen Denkart der Aufklärung einen bequemen Ausdruck für das anzustrebende Menschheitsideal des höchsten Gutes in tugendhafter Glückseligkeit oder mit Glückseligkeit gekrönter Tugendvollendung. Und zugleich vermittelte sie den Zusammenhang mit der biblischen Lehre, auf die bei dem Bruch mit dem Dogma zurückzugehen war um des religiösen Genügens willen. Das Reich Gottes war ja, so konnte es wenigstens scheinen, der ganz eigentliche Gegenstand der Predigt Jesu selbst. War es nun auch als moralischer Endzweck der Menschheit der Vernunft einleuchtend, vielleicht gar a priori ihre Idee, so hatte man da die schönste Harmonie von Schrift und Vernunft, von Offenbarung und Vernunftglauben, und das religiöse Bedürfnis stillte sich in der erbaulichen Be

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