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Aus Holland.

Am 17. April starb zu Amsterdam, 73 Jahre alt, Abraham Dirk Loman, Doctor und Professor der Theologie an der Universität und am königl. evang.-lutherischen Prediger-Seminar daselbst, seit 1893 im Ruhestande, aber bis zu seinem Ende in voller Geistesfrische. Der Verstorbene gehörte zu den verehrtesten und geliebtesten Theologen Hollands; er war auch in weiteren, nichttheologischen Kreisen wegen seines tiefen und vielseitigen Wissens und seiner ebenso liebenswürdigen wie würdevollen Persönlichkeit hoch. angesehen. Mit seinen Freunden Kuenen, Hoekstra, Hugenholz, Rauwenhoff u. s. w. begründete und redigirte er die Theol. Tijdschrift und rief er die alljährlichen Modernen - Versammlungen ins Leben. Sein Hinscheiden hat eine Lücke verursacht, die tief gefühlt und betrauert wird. Seit 24 Jahren blind, blieb Loman dennoch unermüdlich tätig und vermochte es - mit seinem stupenden Wissen und starken Gedächtnisse in Büchern und Zeitschriften zuhause wie wenige fich nicht blos in die neuesten Untersuchungen seiner Wissenschaft fort und fort hineinzuleben, sondern auch den neuesten Bewegungen in Staat und Gesellschaft mit vollem Verständnis zu folgen. Allezeit hoffte er tapferen Mutes auf die Zukunft, auf das immer weitere Vordringen der Wahrheit auch in Theologie und Kirche. Seine bekannten Quaestiones Paulinae find zwar ein Torso geblieben, doch hat er begabte Schüler und Gesinnungsgenossen gefunden, wie die Professoren D. Meijboom und D. van Manen u. s. w. Und seine symbolische Auffassung der evangelischen Geschichte hat freilich in sehr verschiedener Weise und in ungleichem Grade moderne wie orthodore Theologen seiner Heimat beeinflußt. Seine bedeutendsten Arbeiten vielleicht lieferte er in der holländischen Revue des Deux Mondes „Gids". In ausführlichen Essays (das Unaussprechliche“, „Symbol und Wirklichkeit“, „Die Auferstehungserzählungen") hat er dort religiöse und theologische Probleme vor einem höher gebildeten Lesepublicum behandelt. Endlich darf nicht unerwähnt bleiben, daß Loman das Studium der niederländischen Musikgeschichte eigentlich ins Leben gerufen hat. Wie er verschiedene Compofitionen und Volksmelodien der niederländischen Meister aus dem 16. und 17. Jahrhundert herausgab, so war er selbst Meister im geistlichen Liede, Dichter und Componist zugleich. Man verdankt ihm einige der innigsten Kirchenlieder. Durch Loman's Tod sieht sich die „moderne" Richtung wieder eines ihrer ehrwürdigsten Häupter und leitenden Geister beraubt. Mögen die Zurückbleibenden unter ihrer alten Fahne so treu und tapfer zusammenhalten, wie Loman 40 Jahre unter dieser Fahne gestanden und gestritten hat! Prof. D. Daniel Erh. Joh. Völter, der vor 12 Jahren aus seiner schwäbischen Heimat nach Amsterdam berufen ward, ist zum Mitgliede der Teyler'schen Theologischen Gesellschaft ernannt worden.

Für die Redaction verantwortlich: D. Websky in Berlin W. Lutherstraße 51.
Druck und Verlag von Georg Reimer in Berlin S. W. Anhaltstraße 12.

Alerander Vinet.

Von

Pfarrer V. Vischer in Baumerlenbach (Württemberg).

I.

Am 17. Juni dieses Jahres feiert der französische Protestantismus dankbar das Gedächtnis eines Mannes, der zu den größten zählt, welche der Herr der Kirche ihm geschenkt hat, der einen hervorragenden Ehrenrang einnimmt unter den tiefsinnigsten, originalsten christlichen Denkern und Bahnbrechern aller Zeitalter: es ist Rudolf Alexander Vinet, geboren am 17. Juni 1797.

Sollte nicht auch der deutsche Protestantismus dieses Tages in dankbarer Freude gedenken und sich in trüber Zeit des begeisterten Propheten echt christlicher Freiheit, des Apostels wahrhaft erleuchteten, weitherzigen, echt fittlichen Christenglaubens mit den französischen Mitchriften freuen? Vinet hat einmal von sich selbst gesagt: „ich bin keiner der Schriftsteller, welche schon überseßt entstehen. Man muß mich überseßen. Man wird das tun, wenn das, was ich gesagt habe, sich der Mühe lohnt. Wenn ich auch nur für wenige Personen zu reden verstanden habe, wird sich doch vielleicht einer die Mühe nehmen, mich für alle reden zu lassen."

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Wahrlich, es lohnt sich der Mühe, die Lebensarbeit eines Mannes näher zu betrachten, der, ein Talent ersten Rangs, in allen Gebieten des menschlichen Geisteslebens zuhause ist; den Gedankengängen eines tiefeindringenden, ernsten Geistes nachzugehen, der die glänzendsten Geistesgaben mit den edelsten Herzenseigenschaften verbindet; der, wenn auch erst im letzten Jahrzehnt seines Lebens Theologe von Beruf, die Entwicklung der Theologie tief beeinflußt und als christlicher Moralist, Apologet, Literarhistoriker und Kirchenpolitiker in nicht weniger als 20 Werken großes geleistet hat. Auch für das heutige Geschlecht wird es äußerst nußbringend sein, sich in die Gedanken eines Mannes zu vertiefen, der mit Recht der schweizerische Schleiermacher genannt wurde, in dessen Lobpreisung heutzutage die beiden Parteien, welche sich in der Schweiz und in Frankreich Protestantische Monatshefte. 1. Jahrg. Heft 6.

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mit Erbitterung bekämpfen, die Liberalen wie die Orthodoxen - ein Guizot und Agenor de Gasparin ebenso, wie ein Scherer und Friedrich Chavannes, ein Godet und Astié wetteifern.

Troß all' seiner reichen Begabung und seiner bewundernswerten Leistungen hat Vinet bei Lebzeiten das Los aller bedeutenden Männer geteilt. Muß er nicht klagen: „diejenigen, welche ebenso denken, wie ich, kann ich an den zehn Fingern abzählen. Alle haben Angst, keiner unterstützt mich, nur wenige verstehen mich"! Bis auf den heutigen Tag lautet das Urteil über seine Bedeutung sehr verschieden. Den einen ist er zu monoton, andern zu exclusiv; die einen finden ihn zu kritisch, die andern zu conservativ. Es sei mir, der ich in längerer, eingehender Beschäftigung mit Vinet's Werken und Briefen mich mit seinen innersten Gedanken vertraut zu machen versucht habe, vergönnt, den in Deutschland nicht genügend bekannten großen Mann in den Hauptmomenten seiner vielumfassenden Wirksamkeit und in den Hauptphasen seiner Entwicklung hier darzustellen. Es soll das, soweit der knappe Raum, der mir zur Verfügung steht, es erlaubt, nach Pierson's Wort geschehen: wenn es sich um Vinet handelt, ist alles, was der Oberflächlichkeit gleicht, fast eine Entweihung".

Ohne auf Einzelheiten einzugehen, will ich zunächst in gedrängtem Umriß Vinet's Lebensgang und Charakter schildern, soweit das zum Verständnis seines Werkes, seiner Principien und Gedanken unumgänglich notwendig ist.

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Zu Anfang dieses Jahrhunderts befand sich die reformirte Kirche des Waadtlandes, der Heimat Vinet's, in einem traurigen Zustand der Erschlaffung. Knechtisch abhängig von dem Staate war ihr der Weg freier Entwicklung verschlossen. Höheres Leben, Bedürfnis nach Freiheit fehlte. Die orthodoren Lehren der helvetischen Confession wurden gepredigt. Aber das Dogma stand außer Beziehung zur Moral. Die Predigt drang wenig auf persönlichen Glauben und auf die Notwendigkeit der Bekehrung. herrschte ein oberflächliches, verweltlichtes Christentum. Aus ihrem Schlafe wurden die Seelen unversehens durch die sogenannte Erweckung aufgerüttelt, jene große Bewegung der Geister, welche, vom englischen Methodismus ausgegangen, durch die Nöte der Völker am Anfang dieses Jahrhunderts auch auf dem Festlande genährt, ernstere Gemüter auf das Eine, was not ist, hinwies und in ihnen einen neuen Hunger nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden mit Gott wachrief. Man suchte eine tiefere Erbauung, als sie der fühle öffentliche Gottesdienst gewährte. Auch einzelne waadtländer Geistliche verspürten diese Sehnsucht, ihnen voran der fromme, hochgeachtete Decan Curtat in Lausanne, der den Theologiestudirenden Erbauungs- und Bibelstunden hielt, dabei aber streng auf die hergebrachten kirchlichen Formen bedacht war. Einen wesentlich anderen, dogmatisch zugespißten, aggressiven Charakter erhielt die Bewegung des réveil in Genf im Gegensatz zu dem flachen Rationalismus, der meist die Staatskirche be herrschte. Evangelisten, angeregt von dem Cäsar des réveil, von dem glühenden César Malan, zogen auch in das benachbarte Waadtland und veranstalteten Gebetsversammlungen. Die Regierung in Lausanne fürchtete eine Gefährdung des confessionellen

Friedens und suchte deshalb die „methodistische" Bewegung zu dämpfen. Auch Curtat griff in zwei scharfen Broschüren die Eindringlinge an, welche in geistlichem Hochmut und heuchlerischem Fanatismus in ihren Conventikeln auf Wiedergeburt dringen, als lebte man nicht in Christen-, sondern in Heidenlanden. Ueber diese gewalttätige Sprache entrüstet, beteten die Erweckten in Rolle unter Malan's Vorfiz um die Erleuchtung des kurzsichtigen Curtat von oben. Da griff in den Streit ein Mann ein, dessen Entwicklungsgang mit der Bewegung der Erweckung von nun an innig verflochten ist, der ihr zunächst feindlich gegenübersteht, dann von ihr stark beeinflußt wird, zuletzt sich ihr aber wieder entfremdet. Das ist Alexander Vinet.

Geboren am 17. Juni 1797 in Duchy bei Lausanne am Genfersee, wuchs er unter der strengen Zucht seines Vaters, eines früheren Dorfschullehrers, dann Zollbeamten, heran, welcher von hugenottischen réfugiés stammte und als Mann von altem Schrot und Korn streng conservativ-traditionellen Anschauungen über Familie, Kirche und Staat huldigte. Sein Grundsatz war: „nichts für das Vergnügen, alles für die Pflicht!” Obwol gemildert durch der Mutter Güte und Freundlichkeit, war die streng puritanische Zucht des Vaters, der das Leben als steten Kampf betrachtete, geeignet, den nervösen Alerander noch reizbarer und für sein ganzes Leben schüchtern zu machen, wenn auch der Sohn das Gefühl hatte: „des Vaters Strenge kam seiner Zärtlichkeit für mich gleich". Nie ließ der wachsame Vater, der von seinem andern Sohne Heinrich viel mehr als von Alexander erwartete, diesen aus dem Auge. Rambert in seiner Biographie Vinet's erzählt darüber köstliche Anecdoten. Troß aller väterlichen Bevormundung entfaltete und emancipirte sich der junge Alexander, nicht ohne in jugendlich schäumender Luft sich auch an mutwilligen Streichen seiner Mitschüler zu beteiligen und seinen unschuldigen Frohsinn in gedankenreichen gewandten Versen ausströmen zu lassen. Daß seine Selbständigkeit nicht unterdrückt war, bewies er dadurch, daß er gegen die her. gebrachte Sitte am Grabe seines Lehrers Durand 1816 Worte des Dankes sprach und bei der Doctorpromotion seines späteren Freundes, des Professors Monnard, in die Debatte eingriff, worüber sein Vater ihn hart tadelte. Die Liebe zur schönen Literatur war ihm gleichsam angeboren, sodaß er als Hofmeister in Longeraie, wo der veredelnde Einfluß der hochgebildeten Frau Jaquet auf ihn woltätig einwirkte, beim Vorlesen des Cid Thränen der Rührung vergoß. Dem Wunsche seines Vaters gemäß hatte er Theologie studirt, ohne übrigens bei dem damals traurigen Betrieb dieses Studiums auf der Academie in Lausanne viel Gewinn davongetragen zu haben.

Im Jahre 1817 als Lehrer der französischen Sprache und Literatur an das Gymnasium nach Basel berufen, führte er 20 Jahre lang ein arbeitsvolles Leben unter mancher Entsagung und Prüfung, aber auch ein Leben reicher innerer Entwicklung. Er fühlte sich zunächst in Basel sehr vereinsamt, wenn es auch großen Reiz für den poetisch angelegten, strebsamen jungen Mann haben mußte, sich unabhängig auf dem weiten, reichen Gebiet der Literatur zu bewegen, welche dem menschlichen Geist die interessantesten Fragen und Ideen darbietet“. Nach seiner Verheiratung mit seiner gleichgesinnten hoch

gebildeten Base Sophie de la Rott az sah er einer der seltenen kurzen Augenblicke seines ernsten, fast melancholischen Lebens so voll Mut und Kraft in die Zukunft, daß er begeistert ausruft: „ich bin so vollkommen glücklich, daß es mir nicht einfällt, jemanden zu beneiden". Doch wurde dieses Glück bald getrübt. Tiefe, ernste, „unverschämte" Zweifel beunruhigten ihn, ein unglücklicher Fall führte Vinet an den Rand des Grabes, so daß er von jest ab eigentlich keinen Tag mehr hatte, an welchem er sich ganz ohne Schmerzen und völlig wolgefühlt hätte, häusliche Sorgen quälten ihn. Die Ereignisse im Waadtlande, deren Gang Vinet stets mit größtem Interesse verfolgte, warfen ihre Schatten herüber.

Anfänglich zeigte sich Vinet wenig begeistert für die Erweckung. Seine Ablehnung der Bewegung ist eine Folge der streng kirchlichen Erziehung seines Vaters und des Decans Curtat, sowie des Umstandes, daß er selbst dem persönlichen religiösen Leben noch fernstand. Vom Basler Pietismus, den er im Missionshause kennen lernte, sagt er das gerade bei ihm auffallende, gewalttätige Wort: hätte ich die Macht dazu, ich würde diese verwünschte, heuchlerische, mystische Secte mit Gewalt auflösen". In einem Briefe an seinen Jugendfreund Lérèsche 1820 äußert er sich ärgerlich über diese „herumlaufenden Narren, unter dem Namen Methodisten bekannt, welche offen behaupten, die Wiedergeburt sei ein rein göttliches Werk, das man durch keine Anstrengung beschleunigen könne, wie auch keine Bemühung es zu hindern vermöge; daß diejenigen, welche vor Christus gelebt haben, alle vom Heil ausgeschlossen seien; wie sie sich auch nicht zu sagen schåmen, unsere besten Tugenden seien nur Laster; um Christ zu sein, müsse man Vernunft und gesunden Menschenverstand völlig abschwören; jeder gute Geistliche müsse menschliche Wissenschaften und die Kunst der Beredsamkeit durchaus verschmähen". 1821 misbilligte Vinet wol die gegen die Erweckten, momiers, ergriffenen Maßregeln und die Spottreden des Volks über die Besucher der Conventikel, war aber überzeugt, daß die Secte nicht lange dauern werde, und zögerte nicht das Volk davor zu warnen. Aus Anlaß der oben erwähnten beleidigenden Fürbitte Malan's für Curtat, Gott möge diesen den rechten Glauben und die wahre Liebe finden lassen, trat Vinet in einem scharfen Brief an junge waadtländer Geistliche" im December 1821 offen für seinen Lehrer Curtat ein und nannte den réveil „ein wunderliches Gemisch von Demut und Hochmut“, Worte, welche er 1832 ausdrücklich zurücknahm. Jedoch konnte seine feinempfindende Seele auf die Dauer kein Vergnügen an solcher Polemik finden. 1822 schreibt er bezeichnend an Lérèsche: „mein Gemüt, von Kindheit an mit zarter und milder Religion erfüllt, hat inmitten der Erörterungen, deren Zeuge ich gewesen bin, einen Teil seiner beglückenden Ruhe verloren. Während ich vorher aus den religiösen Ideen ein stilles Paradies mir machte, wohin ich mich gern zurückzog, sehe ich jetzt einen Kampfplaß vor mir, auf dem man mir meine Gefühle streitig macht, meine Frömmigkeit regeln und mir gebieterisch Erregungen vorschreiben will, welche mein Herz ohne Mühe erlebte. Bisher sah ich in meinem Gotte einen nahen, innig vertrauten Freund. Heute will die ganze polemische Theologie sich zwischen ihn und mich stellen". Beweisen diese Worte

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