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gedachtes Wollen ist, hat das eintretende Alter einen weit geringeren Einfluß. Eine fortwährende Stärke der geistigen Operationen und einen lebendigeren Anteil an Wissenschaft, Kunst, Religion und Politik, als man nach dem Verhältnis der Organe erwarten sollte, bemerkt man hier häufig bei den geistiger erregten, während wir bei denen, die mehr den mechanischen Tätigkeiten zugewandt sind, nur selten den erfreulichen Anblick haben, daß sich die körperliche Kraft bis zuleßt erhalten hat. Der eine gemeinsame Endpunkt ist der Tod. Und eine zwiefache Euthanasie läßt sich denken von der psychologischen Betrachtung aus, eine in der Stärke des Glaubens an den Sieg des Geistes über das Organische, die andere in der vollständigen Ergebung in das Verschwinden des Einzelnen, auch in Stärke des Glaubens an die Ewigkeit des Geistes. Scheu aber und Furcht vor dem unvermeidlichen Tode ist das unselige Ende des Alters. Alles was die Unterordnung des Persönlichen unter das Große und Ganze befördern kann, ist die richtige Vorbereitung auf das glückliche Ende des Lebens. Dies ist aber doch nur dann recht vollkommen, wenn wir auch über das Gattungsbewußtsein uns erheben und unmittelbar das absolute Sein ergreifen, denn das ist allein, was am sichersten vor dem unglück. lichen Ausgang dieser Periode, wie jeder anderen, bewahrt.

Literatur.

„Aesthetik des Tragischen" von Joh. Volkelt, München Beck, 1897. 438 .

Die Poesie ist die verständlichste der Künste, denn ihr gehört das Wort und im Worte teilt sich der Geist des Künstlers am klarsten mit. Die Tragödie ist die späteste Frucht am Baume der Dichtung; nur wenn ein Volk zu vollem Geistesleben erwachte, wenn seine Sänger die Kunstform ganz in ihre Gewalt bekamen, kann die Tragödie gedeihen. Sie erschließt die Tiefen des Menschenlebens und erweckt die Sehnsucht nach Himmelshöhen. Wer über das Tragische schreibt, wird immer auf Teilnahme rechnen können. Die obengenannte Aesthetik fesselt in besonders hohem Grade.

Volkelt verbindet umfassende Kenntnis tragischer Schöpfungen mit starker Fähigkeit, die Bedeutung der einzelnen zu würdigen. Er kennt die hervorragenden Lehren anderer Schriftsteller über seinen Gegenstand und bewahrt sich ein selbständiges Urteil. Er trägt seine Ueberzeugungen energisch vor und erkennt abweichenden Ansichten ihre Verdienste bereitwillig zu. Mit scharfem Verstande überblickt er das weite Gebiet seiner Arbeit, findet die Unterschiede der einzelnen Werke und der in ihnen gebrauchten Kunstmittel, stellt das Verwandte in Gruppen zusammen und teilt zuleßt seine metaphysische Ansicht vom Weltgrunde mit, welcher sich in all diesen Gebilden offenbare.

Es ist ein neuer Weg, den Volkelt einschlägt, zur richtigen Würdigung des Tragischen zu gelangen. Nicht, wie üblich, von den claffischen Werken der großen tragischen Dichter will er die Normen für seinen Gegenstand abstrahiren, ihm sollen auch die Ibsen und Hauptmann, Romane und Novellen, lyrische Lieder und Epen Beispiele des Tragischen liefern. Nach ihrem Inhalte und nach ihrem Eindrucke auf sein Gefühl will er dann unterscheiden, was in den Dichtungen tragisch sei, und will versuchen, die große Mannigfaltigkeit tragischer Gestalten gerechter, als seine Vorgänger, zu werten. Vor seinem Leser sucht er die einzelnen Stücke zusammen, aus denen das Tragische bestehen soll. Zuerst verlangt er menschlich bedeutsames Streben als Hauptgegenstand für den tragischen Dichter. Die strebenden Menschen sollen Größe haben und in Leiden bis zu leiblichem und geistigem Untergang geraten. Das darf aber nicht als durch einen Zufall, sondern als „schicksalsmäßig“ geschehend dargestellt werden. Der Lauf der Welt

muß mit Notwendigkeit den großen Menschen in Leid stürzen. Zu charakteristisch durchgearbeiteter Form gelangt das Tragische, indem Gegenmächte, äußere und innere, als den Helden bekämpfend eingeführt werden. Wenn der Held Schuld an seinem Leiden trägt, so wird die Tragik dadurch besonders kräftig hervortreten, notwendig gehört eine Schuld nicht zum Tragischen. Jeder tragische Untergang aber muß erhebende Momente in sich enthalten, doch brauchen sie nicht immer so stark beigemischt zu sein, daß die Dichtung einen befreienden Eindruck auf uns machte; auch eine solche von niederdrückender Wirkung ist berechtigt. Die Charaktere der Personen sind die eigentlichen Träger der Handlung; aber auch die Situation, in welcher sich die Personen befinden, hat als Boden des geschilderten Vorgangs eine hohe Bedeutung. Am gewaltigsten tritt uns die beabsichtigte Wirkung dort entgegen, wo ein typisch-menschlich Tragisches dargestellt wird; indessen kann auch ein tragischer Verlauf, wie er nur für einen einzelnen, besonders gearteten Menschen möglich ist, wenn auch in geringerem Grade, bedeutsam wirken. Sehr oft find in einer Tragödie Vorbereitung, Steigerung, leidvolles Ende der Handlung zu unterscheiden, aber nicht in jeder kommen diese drei Teile vor und fie fallen nicht mit der üblichen Einteilung in Exposition, Katastrophe, Peripetie zusammen. Was nun die subjective Wirkung des Tragischen betrifft, so ist die bekannte Forderung des Aristoteles, es solle Furcht und Mitleid erregt werden, zu eng; denn tatsächlich werden auch Luftgefühle hervorgerufen.

Nachdem er das Tragische so analysirt hat, weist Volkelt darauf hin, daß sich in dieser Kunstbildung der Zwiespalt, welcher im Weltgrunde liege, offenbare. Schon aus der Natur des Endlichen leuchte dieser Zwiespalt ein; denn das Endliche sei in der Vergangenheit tot, in der Zukunft noch nicht lebendig und in der Gegenwart stets beschäftigt, sich zu verflüchtigen. Wäre der Weltgrund, das Absolute in sich einig, so hätte es sich nicht zum Endlichen erniedrigen können. Im Geist des Menschen verbinde sich nun wieder das Endliche mit dem Unendlichen, aber nur in der Form des Strebens. Daß der Mensch an das Endliche gekettet sei, darin liege die Tragik seines Lebens.

Wenn wir die Züge, welche Volkelt an seinem Gegenstande hervorhebt, so aufzählen, dann vermögen wir von der einfachen Art, mit welcher er von unzweifelhaften Tatsachen ausgeht, von der Kraft, die er seinen Entwicklungen verleiht, keine Anschauung zu geben. Wie reich er jeden Punkt von verschiedenen Seiten betrachtet, jeden wichtigen Gegenstand in mannigfaltige Teile zerlegt, das wird einleuchten, wenn wir den Gedanken. gang eines seiner „Abschnitte“ wiederholen. Wir wählen den elften über „die erhebenden Momente im tragischen Untergang". Volkelt findet solche Momente A. in der subjectiven Haltung des Helden. Diese bezieht sich 1. auf die Gegenmacht und kann ihr gegenüber trogig oder ergebungsvoll oder triumphirend sein. 2. Es verhält sich der Held dem Tode gegenüber verschieden, indem er sich aus dem Leben mit Gering- oder Wertschätzung der Welt löst. 3. Der Held fühlt sich von seiner Schuld entweder gereinigt oder er beharrt trotzig in ihr. 4. Sein Innenleben kann durch den Untergang bereichert werden. B. Auch der objective Ausgang kann erhebende Momente haben. Es gibt 1. Ausgänge,

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welche Zuversicht auf den künftigen Sieg der Sache des Helden eröffnen. 2. Solche, wo die Sache schon in der Gegenwart fiegt. 3. Solche, wo der Held im Glauben an seine Sache erliegt. 4. Es wird bei manchen Ausgängen doch der Wert der Sache hervorgehoben. Endlich werden unter C. die erhebenden Momente im Tode selbst" aufgezählt: 1. Das sittlich Befriedigende des Todes im Tragischen der Schuld. 2. Der Tod als Läuterung. 3. Der Tod als Erlöser vom leidvollen Leben. 4. Der Tod als gefühlsmäßige Bezeugung des Sieges. 5. Erhebender Ausblick auf das Jenseits. Am Schluß wird zu D. noch von der Berechtigung der Gegenmacht als erhebendem Momente gesprochen.

Diese Mitteilungen aus dem Buche werden erweisen, wie es Vieles bringt, mitunter vielleicht zu Vieles. Einmal bringt Volkelt sogar eine Abteilung, von der er selbst sagt, daß sie nur schwer würde in einer Dichtung ausgefüllt werden können. Dennoch wird jedermann mancherlei Anregendes und Belehrendes in dem Buche finden; ob viel Ueberzeugendes, wenn er in andere Ansichten gewöhnt war, das dürfte zweifelhaft sein.

Wer wird mit Volkelt versuchen, das Wesen des Tragischen nicht sowol aus den anerkannten, durch die Jahrhunderte wirkenden Trauerspielen, als vielmehr aus modernen Dichtungen, Dramen so gut wie Epen, Liedern und Romanen abzuleiten? Wo die verschiedensten Zeitalter, die großen Dichter das Tragische fanden, werden auch wir die Wahrscheinlichkeit haben, ihm zu begegnen und in den streng geschlossenen Formen der Tragödie wird es uns viel sicherer ohne störende Beimischung entgegentreten, als in Romanen und Novellen, denen ihre bequeme Form willkürliche Gebilde jeder Art erlaubt. Factisch hält sich ja auch Volkelt überwiegend an Beispiele aus den Werken großer Tragöden. Ja, er verwirft die Gestalten Hauptmann's fast sämtlich, weil sie seiner Forderung, ein Mensch müsse groß sein, um tragisch wirken zu können, nicht genugtuen, weil den Helden des Einsame Menschen" u. s. w. die Größe fehle. Kein Zweifel, daß Volkelt sonst auf moderne Kunsttheorien Rücksicht nehmen, aus modernen Werken seine „Typen" zusammenstellen möchte; aber hier steht er ihnen feindlich gegenüber. Wenn irgend ein Zug in unsern Tagen durch alle Künste geht, so ist es die Abkehr von der Bevorzugung des Ausgezeichneten. Wie die Maler in der Landschaft das früher für uninteressant Gehaltene abbilden, wie sie geringe Menschen, Lumpensammler, alte Fischerfrauen wiedergeben, so wählen sich auch Hauptmann sogut als Ibsen, als Zola die Kleinen und Schwachen zu ihren handelnden Personen. Man hat erkannt, daß nichts Lebendiges uninteressant sei und daß uns auch eine Tragödie im Leben der Schwachen zu rühren vermag. Volkelt hat eben ein Unwesentliches aus den großen Tragödien abstrahirt, weil es zu seinen Theorien paßte. Weil nach seiner Lehre der Weltgrund zwiespältig, darum muß im Tragischen ein Zwiespältiges, Widervernünftiges hervortreten, es müssen Leiden über die Großen kommen, die doch Sieg und Erfolg verdienten. Hätte Volkelt mit den übrigen Aesthetikern anerkannt, daß Leiden tragisch wird, wenn es durch Schuld veranlaßt wird, hätte er im Schuldigsein einen notwendigen Bestandteil der tra

gischen Handlung gesehen, so würde er sich der tragischen Wirkung von Helden, denen die Größe fehlt, nicht verschlossen haben.

Wir lesen bei Volkelt, Desdemona, Egmont, Antigone litten ohne Schuld. Aber diese und ähnliche Gestalten seßen doch ihr inneres Leben dem in der Welt geltenden kühn entgegen, kommen mit ihm in Conflict und veranlassen dadurch ihren Untergang. Das eben ist tragische Schuld und ist in allen Fällen der Kern der tragischen Schuld, der Held mag dabei mit dem bürgerlichen oder dem Sittengesetz in Widerspruch treten oder nicht. Macbeth begeht Mord, Lear verschenkt Königreiche, beide haben die tragische Schuld, daß sie ihr Innenleben in dieser Welt unbekümmert um deren Ordnungen durchsetzen wollen. Volkelt will diese Ueberhebungstheorie" nicht gelten lassen, der Wille des großen Menschen stehe nicht notwendig mit der heiligen Weltordnung in Widerspruch. Nein, nicht der des großen, aber der des tragischen, nicht mit der heiligen, aber mit der geltenden Weltordnung.

Volkelt hätte doch sehen müssen, wie sehr die Lehre von der tragischen Schuld durch den Unterschied epischer von tragischen Helden bestätigt wird, wenn er auf den Unterschied dieser Dichtungsarten überhaupt eingegangen wäre. Im Epos handeln die Personen nach den in ihrer Welt herrschenden Geseßen und das Gefühl, welches durch das Epos erregt wird, ist bewundernde Freude am tüchtig wirkenden Menschen. In der Jugend der Völker gesungen, ergößt sich das Epos nach jugendlicher Menschen Art rein an den Taten der Kraft, dem Ueberwinden der Gefahr. Erst wenn die Völker die Macht ihres inneren Lebens erfahren haben und sie im lyrischen Liede hinaussangen, entsteht ihnen der Wunsch, diese in ihnen kochenden Mächte auch gegen Gefeße, Sitten, Vorstellungen der fie umgebenden Welt zur Geltung zu bringen. Volkelt spricht von einem tragischen Untergang des Patroklos und Hektor; der helmbuschumflatterte Sohn des Priamos selbst aber betrachtet sogar beim Abschied von der Andromache seinen bevorstehenden Todeskampf als ein würdiges Lebensende, fühlt sich von all seinen Pflichten hineingezogen und findet dabei die thränenreiche Zustimmung seiner Gattin und seines Hauses. Wenn Hagen treu seinem Gelübde die Ehre seines Königs durch den Tod Siegfrieds rächt, so verliert er die Hochachtung der Helden keineswegs und wenn er mit der Königin der Hunnen im Entscheidungskampfe fällt, so ist ein solches Volkssterben furchtbar genug, aber von beiden Seiten mit vollem Bewußtsein der Pflichterfüllung ausgeführt. Wenn unsere modernen Dichter vielfach das Gefühl für die Bedeutsamkeit der Form verloren haben und jeden beliebigen Inhalt in jeder beliebigen Form anbieten, so sollte doch der Kunstphilosoph den Wert der Form hochhalten und sich darüber klar sein, daß jede der drei Dichtungsarten Fähigkeit und Aufgabe hat, einen bestimmten Inhalt am glücklichsten wiederzugeben.

Die Geringschätzung der dichterischen Form bewirkt, daß Volkelt für den Bau der Tragödie wenig Teilnahme an den Tag legt. So wurde der fünfzehnte Abschnitt des Buches „Der Verlauf der tragischen Entwicklung" der am wenigsten befriedigende. Aber wenn der Verfasser auch die Untersuchungen des Prof. W. Henke über diesen Ge

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