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Die preußische Kirchenpolitik seit 1866 und die Frankfurter Kirchenfrage.

Vor langen Jahren schon ist in unserer alten Prot. Kirchenzeitung der kirchliche Notstand in Frankfurt a. M. von wolmeinenden, mit den Verhältnissen genau vertrauten Männern wiederholt ernst beklagt und eine kräftige Initiative der geordneten kirchlichen Organe der Mainstadt zur Heilung der Schäden gefordert worden. „Die stabil gewordenen Einrichtungen, die nicht mehr passen, müßten in Fluß gebracht werden. Den Geistlichen der lutherischen Gemeinde ist eine umfassende Seelsorge geradezu unmöglich gemacht, denn die ganze Gemeinde bildet eine Parochie. Dazu sind die meisten Geistlichen wegen ungenügender Gehaltsverhältnisse mit Schulstunden überladen. Durch das Recht der Kirchensteuer und durch Bildung von Parochien bei aller Freiheit in casuellen Handlungen würden die schlummernden Kräfte bald geweckt werden“ (Prot. KZ. 1884 Nr. 36).

Gingen diese und spätere Vorschläge zur Besserung der schmerzlich empfundenen Misstände ersichtlich von lutherischer (natürlich nicht confessionalistisch - lutherischer) Seite aus, so hat jezt der reformirte Consistorialrat D. Ehlers den Gliedern der evangelischen Gemeinden Frankfurts, insonderheit der reformirten, einen Beitrag zur Verständigung über „die Frankfurter Kirchenfrage" 1) gewidmet, nachdem den kirchlichen Behörden und Gemeindeorganen der Stadt von der preußischen Staatsregierung der Entwurf einer Kirchengemeindeund Synodal - Ordnung für die evangelischen Kirchengemeinschaften des Consistorialbezirks Frankfurt a. M.“ zur gutachtlichen Beratung vorgelegt worden ist.

Art und Umfang unserer Zeitschrift verbieten ein näheres Eingehen auf die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse in Frankfurt. Aber D. Ehlers pflegt auch local-kirchliche Angelegenheiten nicht als Kirchturmspolitiker und nicht von der Zinne der Partei zu betrachten, sondern von der höheren Warte des protestantischen Princips und evangelisch-kirchlichen Ideals und im großen geschichtlichen Zusammenhange. So bietet denn auch seine neueste Schrift sehr beachtenswerte Bemerkungen über die bekannte Tatsache, daß vor allem die reactionäre preußische Kirchenpolitik in evangelicis dem altpreußischen Wesen moralische Eroberungen in den neupreußischen Landesteilen und im deutschen Süden unmöglich gemacht hat. Selbst ein so gerechter und freimütiger Historiker wie Erich Marcks, dessen Buch „Kaiser Wilhelm I." wir mit dankbarer Freude gelesen haben, gedenkt zwar des „schärfer, ja schroffer kirchlich gewordenen Glaubens" unseres alten ehrwürdigen Königs und Kaisers, den er übrigens nicht „den Großen“ nennt, weil von der schlichten Echtheit seines Wesens alles Gesteigerte, das ihn erst schmücken soll, haltlos abfalle und die seiner Zeit nicht mangelnde

1) Frankfurt a. M. 1897, Verlag von Reiz und Köhler; 26 S. Nach einer Notiz in der Franks. 3tg. ist soeben auch von dem lutherischen Pfarrer Teichmann in Frankfurt, dessen verdienstliche Anregungen sein reformirter College D. Ehlers hervorhebt, eine Schrift über „Die Neuordnung des evangelischen Kirchenwesens in Frankfurt am Main" erschienen Verlag der Kesselring'schen Hofbuchhandlung in Leipzig und Frankfurt a. M.).

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Die prenßische Kirchenpolitik seit 1866 und die Frankfurter Kirchenfrage. dämonisch hohe Größe ihren Ausdruck nicht in ihm habe; er verschweigt auch nicht die „starken und deutlich genug ausgedrückten katholischen Sympathien“ der Kaiserin Augusta und Roon's Widerwillen gegen den „Unglauben“ der Linken; aber an der Mühler'schen wie an der Kögel-Hegel'schen Kirchenreaction mit ihren in ganz Deutschland spürbaren üblen Wirkungen geht er schweigend vorüber.

D. Ehlers schreibt:

„Hat der Süddeutsche eine instinctive Abneigung gegen norddeutsches Regiment, findet er sich nur schwer in preußische Verwaltungsweise und deren bureaukratische Gewohnheiten, beobachtet er mit unüberwindlichem Argwohn die Ausgleichung zwischen Nord und Süd, welche sich langsam aber stetig und unaufhaltsam im Vaterland vollzieht, so hat er in kirchlichen Dingen geradezu Mistrauen, wenn es sich um Auseinandersetzungen handelt mit dem preußischen Staatswesen. Er findet, daß dem Süden und Westen viel zu oft zugemutet wird, sich dem nicht gleichmäßig entwickelten Osten zu accommodiren! er meint, man sollte die Errungenschaften, deren sich die so viel ältere Cultur im Westen und Süden des Vaterlandes erfreut, dem Osten zugänglich machen, während man in Wirklichkeit vielfach vorzieht, die Entwickelung im Süden und Westen zurückzuhalten, damit zuerst die Bedürfnisse des Ostens Berücksichtigung finden können. In der Behandlung kirchlicher Dinge aber erscheint, ähnlich wie auf dem Gebiete der Schulverwaltung, es bleibe dahingestellt, mit wieviel Recht oder Unrecht, die preußische Verwaltung als geradezu reactionär. Die unselige Verquickung von Politik und Religion, welche viel zu lange die kirchliche Entwickelung beeinflußt und gehindert hat; die Energie, mit welcher Jahrzehnte lang die Kirche in den Dienst einer bestimmten politischen Partei gestellt worden ist; die ganz einseitige, fast ausschließliche Bevorzugung der sogenannten Positiven; die geflissentliche Zurücksetzung Aller, welche sich gegen den Verdacht des Liberalismus nicht glaubten besonders schützen zu sollen, gewiß nicht illiberal erscheinen wollten, sondern weites Herz und weiten Blick, große Gedanken bei engem Gewissen in kirchlichen Dingen für Tugend und Ehre hielten; die kirchenregimentliche Lust zu uniformiren und die Eigentümlichkeiten der Einzelgemeinden zu opfern, wo sie hätten geschont werden sollen; die Scheu, die Union zwischen den Schwesterkirchen zu schützen und zu fördern, die Nachgiebigfeit gegen den Confessionalismus, die Bevorzugung des Luthertums und die Vernachlässigung reformirter Eigenart alles dieses zusammengenommen hat das Vertrauen zu der Kirchenweisheit der preußischen Regierung nicht gestärkt, sondern geschwächt und an vielen Stellen untergraben.

Wer die Verhältnisse in Nassau kennt, wer es miterlebt hat, daß die preußische Regierung in dem ehemaligen Kurhessen mit der Einsetzung dreier Generalsuperintendenten drei Kirchenprovinzen oder doch eine dreigeteilte Kirchenprovinz schuf; wer es weiß, daß in Hannover der Gegensatz zwischen Lutheranern und Reformirten heute schärfer betont wird, als vor drei Jahrzehnten und daß in Schleswig-Holstein weitherzige Behandlung der kirchlichen Fragen mehr als einmal allzu schroff betontem Confessionalismus hat weichen müssen, der wird auch jenes Mistrauen nicht unberechtigt finden und es begreifen, daß die Kirchenkörper schwer dazu sehen, wenn die bestehenden Ordnungen sollen abgelöst und durch andere neue ersetzt werden.

Wie ganz anders wäre die Entwickelung in Deutschland gewesen, wenn Preußen in

entscheidenden Stunden sich seines Unionsberufes bewußt gewesen wäre, den es seit Jahrhunderten für Deutschland hat, wenn im Jahr 1866 die Landeskirche Preußens durch Ausgleichung der theologischen und kirchlichen Gegensätze, durch bahnbrechende Maßregeln, die Gemeinden mündig und selbsttätig zu machen, das Vertrauen der neuen kirchlichen Provinzen gewonnen hätte, wenn sie die Führung übernommen hätte, die hohen Ideale zu verwirklichen, welche die Reformation den evangelischen Gemeinden gesteckt hat. Statt dessen: unevangelische Beschränkung der Lehrfreiheit, Agendenzwang, Gesangbuchsstreitigkeiten, Maßregelungen sog. liberaler Pfarrer, Keßerprocesse, „Fälle“, Zurücksetzung aller kirchlich nicht für correct angesehenen Pastoren und Professoren, und ängstliche Schen, die Kirche könnte demokratisirt werden, wenn der Einzelgemeinde ihr Recht gegeben würde. . .

Was sich im bürgerlichen und staatlichen Leben durchgesezt hat, das haben wir auf kirchlichem Gebiete auch zu erstreben. Je mehr confessionelle und landeskirchliche Schlagbäume niedergelegt werden, je weiter die Grenzen gesteckt werden können, je besser die Evangelischen. die Einigkeit im Geiste üben lernen bei großer Mannigfaltigkeit der kirchlichen Formen, umso besser wird es sein, und je eher wir Hand anlegen, die deutschen Evangelischen, die evangelischen Deutschen zu gemeinschaftlicher Arbeit zu sammeln, desto ersprießlicher wird der Gewinn sein. Ueber unsere jetzigen landeskirchlichen und confessionellen Unterschiede, über den Haß der Parteien, die Gegenfäße der theologischen Schulen und ihren Anhang in Pfarrer und Laienfreisen, den Kampfeifer der religiösen Richtungen freut sich lediglich hier der Unglaube, der das Ende von Kirche und Christentum nahe herbeikommen sieht, dort der Ultramontanismus, der die Hoffnung niemals aufgegeben hat, daß die Zeit nicht fern sei, wo die römische Kirche über alle ihre Gegner triumphiren und die protestantischen Secten vernichten wird.“

J. W.

Programm

der

Haager Gesellschaft zur Verteidigung der christlichen Religion

für das Jahr 1897.

Der Vorstand hat in seiner Herbstsitzung im September über 8 eingesandte Arbeiten sein Urteil ausgesprochen.

Auf die Frage, inwiefern die Behauptung richtig sei, dass die Reformation des 16. Jahrhunderts grösstenteils die sittliche Verwilderung der darauf folgenden Periode verursacht habe, waren 3 Antworten eingelaufen, alle in deutscher Sprache.

Die Abhandlung unter dem Motto Joh. 13, 28 machte einen sehr ungünstigen Eindruck. Dem Verf. ist die Aufgabe nicht klar gewesen. Das Problem existirt für ihn überhaupt nicht, weil er in den Beschuldigungen Janssen's nur Verleumdung zu sehen vermag. So findet sich in seiner Arbeit keine Spur von kritischer Untersuchung. Seine Behauptungen zugunsten des Protestantismus und gegen den Katholicismus sind unbegründet und seine Angaben lassen sich nicht controliren. So verfehlt seine Polemik ihren Zweck. Von der Zuerkennung des Preises konnte nicht die Rede sein.

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Einen etwas besseren Eindruck machte die Arbeit, deren Motto war: die Weltgeschichte ist zum Teil ein Weltgericht" eine wenig ansprechende Verdrehung eines oft misverstandenen Wortes Schiller's. Der Verf. hat einen reichen Stoff fleissig zusammengestellt, ein nüchternes Urteil bekundet und manche richtige Bemerkungen gemacht. Allein man vermisste logische Disposition, gründliche Durcharbeitung und scharfe Definition des Themas. Manches Unnötige wird mitgeteilt, manches Nötige fehlt. Auch ist mehr vom 17., als vom 16. Jahrh. die Rede. Mehreres ist oberflächlich, namentlich in der Auffassung des Protestantismus, dessen gesegneter Einfluss fast gar nicht berührt wird. Die so wenig principielle und so diffuse Arbeit konnte den Preis nicht erlangen. Grosses Lob spendete man einigen Vorzügen der dritten Abhandlung unter dem Motto 1. Joh. 1, 6, namentlich dem lebhaften, packenden Stil, dem reichen Inhalt und den vielen guten Bemerkungen. Dem stehen aber mehrere Mängel gegenüber. Der Verf. hat weder seinen Gegenstand scharf ins Auge gefasst, noch sich von den tieferen Principien, die hier in Betracht zu ziehen sind, Rechenschaft gegeben. Dogmatisch und logisch ist seine Behandlung ungenügend. Schliesslich wird die Frage, ob die Beschuldigungen gegen den Protestantismus begründet sind oder nicht, nicht entschieden beantwortet. Deshalb konnte auch diese Arbeit, trotz ihrer Lichtseiten, nicht als gelungen betrachtet werden.

Die Frage nach dem Unterschied des Katholicismus und Protetantismus hinsichtlich ihrer psychologischen Voraussetzungen u. s. w. hatte 2 ebenfalls deutsch verfasste Antworten hervorgerufen.

Die erste, unter dem Motto „Gott sahe an u. s. w. " ist kurzgefasst und in klarem, einfachem Stil geschrieben, worin freilich dann und wann etwas verworrene Sätze vorkommen. Sie enthält einige wahre Bemerkungen, hat aber keinen wissenschaftlichen Wert. Die Disposition ist sehr dürftig, das Thema nicht klar bestimmt, das Ganze ohne Einheit, das Urteil über die verschiedenen Meinungen nur äusserlich dem Gegenstand angepasst, die Polemik zu breit und nicht gerecht. So ist der Verf. dem Katholicismus gegenüher sehr voreingenommen, und den alten Protestantismus hat er modernisirt. Den zweiten Teil der Frage, nach der Bedeutung dieses Unterschiedes für den heutigen Einfluss und die nächste Zukunft beider Confessionen hat der Verf. kaum berücksichtigt. So konnte seine Arbeit für den Preis nicht in Betracht kommen.

Sehr ausführlich und mit grossem Fleiss bearbeitet war die zweite Abhandlung über dasselbe Thema, unter dem Motto: Die psychologischen Voraussetzungen u. s. W. Der Verf. besitzt eine tüchtige Kenntnis der einschlägigen Literatur, und die Quellen zu dogmatischen Studien sind ihm zugänglich. Dennoch fand man an seiner Arbeit mehreres auszusetzen. Die Form ist sehr weitläufig, mit endlosen Citaten und vielen Wiederholungen, mit allerlei Umschweifen, nach welchen der Verf. dann wieder auf schon Gesagtes zurückgreift. Daher ist das Urteil über die Dogmen auf beiden Seiten weder scharf noch unparteiisch. Dem Katholicismus wird er nicht gerecht. Der Protestantismus des 16. Jahrhunderts ist ihm der adaequate Ausdruck der Wahrheit. Die Beantwortung des zweiten Teils der gestellten Frage hat er unter einem nicht gültigen Vorwande ganz weggelassen. Auch dieser Arbeit konnten die Directoren den Preis nicht zuerteilen. (Schluss folgt.)

Für die Redaction verantwortlich: D. Websky in Berlin W. Lutherstraße 51.
Druck und Verlag von Georg Reimer in Berlin S.W. Anhaltstraße 12.

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Zur Erinnerung an Richard Rothe.

Von

Pastor Dr. Johannes Cropp in Hamburg.

I.

Am 20. August dieses Jahres waren es dreißig Jahre, daß Richard Rothe die Augen geschlossen hat, und am 28. Januar 1899 werden hundert Jahre verflossen sein, seit er geboren wurde. Wenn sicher zu erwarten und zu hoffen ist, daß bis dahin berufenere Federn seine Persönlichkeit und seine theologische und kirchliche Bedeutung würdigen. werden, der Gegenwart zum Gedächtnis und zur Mahnung: so möge es jetzt schon dem Schreiber dieser Zeilen, der es sich zum höchsten Gewinn seines Lebens anrechnet, einst zu seinen Füßen gesessen und den herrlichen Mann kennen und lieben gelernt zu haben, gestattet sein, auch den Lesern dieser Zeitschrift als einen Zoll pietätvoller Dankbarkeit mitzuteilen, was zunächst einem engeren Kreise theologischer Berufs- und Gesinnungsgenossen dargeboten wurde.

Muß es doch denen, die den Wert des Mannes erkannt haben und von seiner wegeweisenden Bedeutung für die Weiterentwickelung des Reiches Gottes durchdrungen find, am Herzen liegen, das Ihrige zu tun, daß er nicht vergessen werde. In seinem Todesjahr 1867 brachten die Züricher Zeitstimmen das folgende Rothe gewidmete Distichon: Unverstanden bleibst Du, o Herrlicher, diesem Geschlechte,

Aber dem kommenden bist beides Du, Vater und Freund.

Aber das heutige Geschlecht, ein Menschenalter nach seinem Tode, hat sich im großen Ganzen anderen Führern zugewandt. Rothe dagegen meint man wol gelegentlich abtun und dem überhebenden Gelächter andächtiger Pastorenkreise preisgeben zu können mit der spöttischen Bemerkung: „er sei der guten Zuversicht gewesen, das fromme Denken könne den lieben Gott seciren, wie der Anatom einen Frosch"1). Alle diejenigen aber,

1) Der sog. historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus. Vortrag auf der Wupperthaler Pastoralconferenz gehalten von D. M. Kähler, Professor der Theologie. Leipzig 1892 S. 7. Bekanntlich ist das angeführte Wort ein Scherz von Beck in Tübingen, welcher von Rothe selbst in seiner feinen und wahrhaft frommen Weise richtig gestellt ist. Theologische Ethik 2. Auflage 1. Band Vorrede S. VII f.

Protestantische Monatshefte. 1. Jahrg. Heft 11.

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