ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

oder einen Schemen. Er selbst freilich durfte von sich bekennen, daß er für sich nie ausdrückliche oder besondere Veranstaltungen zu machen gehabt habe, um religiöse Vorstellungen gegenwärtig zu haben oder sich religiös gestimmt zu finden. Er erklärt, er habe Gott sich am nächsten gefühlt, wenn er tüchtig in der Arbeit gewesen, mehr noch als in besonderen Stunden des Gebets. Aber wenn so Beten und Arbeiten bei ihm gewiß immer zusammen war: besonderer Gebetsstunden hat doch auch er so gewiß bedurft, wie das Leben seines Ideals Christus selber nicht ohne solche erscheint (Marcus 6,46. 14,32 ff.). Und wenn er auf der Kanzel aus vollem bewegtem Herzen von seinem Herrn Christus zeugte, wie man durch ihn das Herz des Vaters, Vergebung, Erlösung und Frieden finde, und, was er in jenes Herzen gelesen, so gerne den Herzen seiner Hörer mitteilen wollte; wenn er sofort nach seinem Tode den Zeugen desselben die am Ende unseres ersten Artikels mitgeteilte Erklärung abgeben ließ so sieht man: es war auch ihm Bedüfnis, seinen Glauben an Christus nicht nur eine stillschweigende Voraussetzung seines Lebens sein zu lassen. So lange es aber Menschen gibt, welche die ideale Höhe eines Rothe nicht erreichen, so lange wird es auch in den Arbeiten, Kämpfen und Verirrungen des Lebens religiöses Bedürfnis sein, sich in der Stille zu sammeln und auf Gott wieder zu besinnen und das Verhältnis zu ihm immer aufs neue anzuknüpfen und zu befestigen, und in der Kirche nicht nur eine über die Schranken des Lebens hinüberreichende Gemeinschaft, sondern in dieser Gemeinschaft auch Reinigung, Stärkung und Vertiefung des eigenen Innenlebens zu suchen. Und das wird man unserer Zeit, welche doch unleugbar in Gefahr ist, nicht allein die Kirche, sondern die Religion selbst zu unterschätzen, kräftig vorhalten müssen, daß ihr sittliches Leben eben „die Seele“ nicht verliere. Solange wird also auch eine Kirche nötig sein, womit ja freilich keineswegs gesagt ist, daß nicht unsere jetzigen kirchlichen Einrichtungen und gottesdienstlichen Veranstaltungen vielleicht einer sehr gründlichen Umwandlung bedürfen werden, um wirksam zu sein oder wieder zu werden.

Rothe selbst hat sich ja auch in seinen letzten Lebensjahren eifrig für „Erneuerung der Kirche" und Wiedergewinnung der ihr Entfremdeten für sie interessirt, von der auch seinerseits gehegten Ueberzeugung aus, daß die Kirche noch für unabsehbare Zeiten, wie er damals erklärte, ein unentbehrliches (wenn auch keineswegs das einzige) Organ des Christentums sein müsse, und daß die von der Kirche sich losjagten, jedenfalls den vollen Genuß der Gnade, Wahrheit und Seligkeit, die uns in Christus geschenkt worden, sich verkürzen und von dem Besten und Unentbehrlichsten im Menschenleben nur kümmerlich sich nähren, ja in Gefahr wären, dessen ganz verlustig zu gehen, so daß es uns sei, als sähen wir Christus aufs neue über Jerusalem weinen 1).

Zur Abhülfe dieses Notstandes aber, dessen innerste Ursache er in der Ent fremdung der Kirche und der heutigen Bildung und Sittlichkeit von einander erblickte,

1) Rede auf dem ersten Protestantentag zu Eisenach. Gesammelte Vorträge und Abhandlungen S. 131-133.

wollte Rothe, seiner Anschauung entsprechend, vornehmlich die Nichtgeistlichen, die sog. Laien, zur entscheidenden Teilnahme an dem kirchlichen Leben herangezogen haben. Das war sein wesentliches Interesse bei seiner Teilnahme an der Neugestaltung der badischen Kirchenverfassung nach dem „Gemeinde- Princip", und auch an der Gründung des Pro testanten-Vereins. Das Heft der Kirche müsse durchaus den Geistlichen aus der Hand genommen und den christlichen Laien in die Hand gegeben werden, weil jene die Dinge viel zu sehr vom Standpunkt ihres Standes aus betrachteten und die Laien eigentlich gegenwärtig viel besser wüßten, was der christlichen Gemeinde not tue, als jene. Sie würden die weltliche Frömmigkeit", die Frömmigkeit im Hauskleide vertreten gegenüber der feierlichen Frömmigkeit der Theologen im Priesterrock, und dafür sorgen, daß die Kirche aus ihrer schiefen Stellung, die sie sich zu dem modernen Culturleben gegeben habe, wieder herauskomme, wieder eine Volkskirche werde anstatt einer pietistischen Erbauungsanstalt. Arbeiten die Nichtgeistlichen mit den Geistlichen zusammen, so werde die Folge schon sein, daß die Geistlichen mehr von dem modernen Geist erfüllt würden und nicht mehr ein dogmatisches, saßungsmäßiges Christentum in der Sprache Kanaans", sondern das Evangelium in der Zunge unserer Zeit verkündigten. Rothe ging dabei auch hier von der Voraussetzung aus, die ihm gewissermaßen ein Ariom, ein Postulat seines Glaubens an Christus war, daß die heutige christliche Menschheit im großen und ganzen natürlich verkannte er auch die Auswüchse nicht, aber nach ihren sie eigentlich bewegenden und treibenden Ideen und Motiven - wirklich eine Christenheit sei. Ist denn das Glaube an Christus fragt er - daß Christus 1800 Jahre zwar in der Welt gewirkt, seitdem aber seine Herrschaft über die Menschheit verloren haben soll? Nein, meint er, der Geist der Gegenwart ist ein besserer, höherer, ein weniger selbstsüchtiger, ein christlicherer, als der der früheren Jahrhunderte. In der heutigen Christenheit würde der Herr Christus sich heimischer fühlen, als in der sog. guten alten Zeit. Wenn dem Geschlecht unserer Tage das Bewußtsein um die Bedeutung der Natur und ihrer Beherrschung grade für das geistige, sittliche Leben der Menschen aufgegangen ist, so sei das ganz im Sinne Christi. Er meint, Christus würde in den weltlichen Verhandlungen der Parlamente viel mehr seine Sache erkennen, als in dem, was etwa auf kirchlichen Synoden von dogmatischen, liturgischen und sonstigen Dingen vorkomme. Denn es seien imgrunde christliche Gedanken und Bestrebungen, welche die Gegenwart auf dem staatlichen, dem industriellen, dem socialen und humanen Gebiet beherrschen, wenn auch die Träger und Verfechter dieser Ideen das selbst vielleicht garnicht wüßten oder Wort haben wollten. Diesen unbewußten Christen" die Augen zu öffnen, daß sie Christus als den Quell alles dessen, was sie beseelt, erkennten, aus dem sie, was auch ihnen das Höchste und Teuerste ist, immer wieder zu schöpfen haben, das strebt Rothe mit Feuer und mit der gläubigen Hoffnung des einstigen Gelingens an. Wie hoch, ruft er aus, täte doch unserm Geschlecht ein neuer Paulus not, ein neuer Heidenapostel, der unsere unbewußten Christen von ihrem Christentum und damit zugleich unsre Judenchristen von der Unchristlichkeit ihres gesetzlichen, d. h. conventionellen Christentums mit Geistesmacht überführte. „Ihr

aber, die ihr euch so ereifert über die Herrschaft der materiellen Interessen in unserer Zeit als über ein tiefes Verderben, warum führt ihr nicht lieber die, welche ihnen nachjagen, zum Bewußtsein [um den innigen Zusammenhang derselben mit den höchsten Zwecken der Menschheit?“ 1)

Man kann heutzutage diese von dem alternden Rothe mit jugendlicher Begeisterung und Wärme in die Welt hinausgerufenen Ideen nur mit Wehmut und Beschämung wieder betrachten. Haben denn die Laien in den kirchlichen Vertretungen den von ihnen gehegten Erwartungen entsprochen? Sind die Geistlichen dem Verständnis und der Lösung der ihnen von unsrer Zeit gestellten Aufgaben näher gekommen? Ist unsre evangelische Kirche dadurch erneuert worden? Man braucht diese Fragen nur zu stellen und sich nach den heutigen öffentlichen Zuständen umzusehen, um herbe Enttäuschung zu empfinden. Das gebildete Bürgertum, auf das Rothe so große Hoffnungen setzte, hat, wir müssen es bekennen, kirchlich noch mehr als politisch versagt. Wir leben in einer Zeit starker kirchlicher Reaction, und an den materiellen Interessenkämpfen, in welche unser politisches Leben sich auflösen zu wollen scheint, würde schwerlich auch nach Rothe's Meinung der Herr Christus seine Freude haben. Dennoch erquicken wir uns in der trüben Gegenwart umso mehr an seinem hohen Idealismus und stärken durch seinen freudigen Glauben unsern Glauben. In den neuerdings gesammelten socialpolitischen Aussprüchen Rothe's *) finden sich manche, die von einer überraschenden Auffassung auch dieser jetzt brennenden Lebensfragen zeugen und wie eine Weissagung und Mahnung an unsre Tage klingen. Und so wollen wir, vertrauend auf die langsamen und wunderbaren, aber sicheren Wege Gottes mit den Menschen, uns der Hoffnung hingeben, daß Rothe noch einmal der gärenden und suchenden Menschheit die höchsten Ziele wahrhaft menschenwürdigen Daseins zeigen werde, den Himmel, den ja auch er nicht über den Wolken gesucht, sondern in ernster Arbeit an den irdischen Lebensaufgaben selbst zu bauen gemahnt hat, so dennoch dem kommenden Geschlecht noch „Vater und Freund".

Schließen möchten auch wir mit den warmen Worten, in denen einst Spörri zum Schluß seiner vortrefflich über Rothe und seine Lehre orientirenden Artikel in den Zeitstimmen (1867. 68) seiner Empfindung für den heimgegangenen Meister beredten Ausdruck gegeben hat: Auch wer nicht sein Schüler sein konnte im engsten Sinn, hat ihm gegenüber wol etwas von dem Gefühl des Jüngers gehabt, und Mancher von denen, welchen einst, wie mir, innig wol geworden zu den Füßen des lieben Mannes, wird, wenn immer des Meisters Bild in seine Erinnerung tritt, stiller werden an dem inwendigen Menschen und Gott danken, daß er diesen Mann hat kennen und lieben dürfen. 1) Stille Stunden. Aphorismen aus Richard Rothe's handschriftlichem Nachlaß. Wittenberg 1872. G. 328.

Die schon angeführte Schrift: Richard Rothe als Pädagog und Socialpolitiker. Pädagogisches Magazin Heft 79.

Literatur.

Lucas Heland. Roman von Ernst Kilchner. Freiburg i. B. 1897, Verlag von 3. C. B. Mohr (Paul Siebed).

Den Roman Lucas Heland zu lesen, macht großes Vergnügen und erregt ernste Qual. Wir fühlen hier den Einfluß Goethe'schen Stils und Goethe'scher Art zu erzählen und freuen uns am leisen Wiedererfahren dieses gewohnten Genusses. Aber auch den Mangel an Abschluß, der in den Bildungsgeschichten des großen Dichters liegt, finden wir in Kilchner's Heland und leider auch das, wodurch die Wanderjahre" den „Lehrjahren Wilhelm Meister's“ so sehr nachstehen; der Anfang ist von Poesie durchglüht und das Ende ist mit abkühlender Reflexion gearbeitet. Wer die Schweiz so von Grund aus kennt, wie Kilchner, wer ihre landschaftlichen Eindrücke so ergreifend uns vor die Seele zu stellen und diese Landschaftsbilder dem Geschehen glücklich anzupassen weiß, wie viel Macht eignet dem über die Gemüther civilisirter Menschen; denn wer von uns sehnte sich nicht, Bilder aus der Alpenwelt wieder und wieder zu sehen! Aber warum glaubt der Verfasser nun an diese ihm vertrauten Eindrücke auch solche hängen zu dürfen, die ein flüchtiger Aufenthalt ihm von italienischer Landschaft und italienischem Volksleben ge= geben hat? Der Held des Romanes wird uns als ein hochgebildeter Theologe geschildert und zeigt mancherlei Kenntnisse. Er betont die Notwendigkeit, es müßten religiöse Persönlichkeiten gebildet werden, wie Kierkegaard sie betont hat, er ist unterrichtet in den historischen Untersuchungen über das Alte und Neue Testament. Dabei aber sagt er über die Schrift selbst: Rein ästhetisch gemessen, enthält sie nicht so viel Poesie als nur schon unsere Märchen". Ist denn der Mann Bonus redivivus"? Weiß dieser ästhetisirende Theolog nichts von Herder? Ist denn seine Behauptung nicht, als wenn Jemand sagte: In einem chinesischen Porzellantürmchen ist mehr Poesie, als in einem gotischen Dome, in der Blüthendolde einer Geisblattranke höhere Schönheit, als in der Majestät einer Eiche? Man steht vor den Gegensätzen im Wert dieser dichterischen Production Kilchner's oft in ratloser Verlegenheit. Wie kann er einen ernsten, hochgestimmten Pfarrer sich an den Tisch einer alten Bäuerin seßen und sich aus den Karten seine Zukunft weissagen lassen? Was sollen diese Träume, in denen er die Geliebte, sich selbst, ein anmutiges Geschwisterchen seines Freundes wie außer dem finnlichen, in einem geistigen Leibe wandeln sieht? Und dabei wieder wie schön sind seine Worte über die Beethoven'schen und Schumann'schen Compositionen, wie fein die Kenntnis der Beleuchtung, der Farbeneffecte, wie sieht er die Landschafts- und Volksbilder in ihren

besondern Lichtern! Unnötig zu sagen, daß Kilchner eine reiche Kenntnis moderner Literatur an den Tag legt; aber warum muß er noch so geschmackvoll gewählte, noch so ausdrucksvolle Seiten anderer Schriftsteller in sein Buch aufnehmen? Es bleibt doch Geborgtes, es macht den Eindruck, wie das plötzliche Aufspringen eines bekannten Volksliedes in einer Oper, ja noch schlimmer, man kommt hier ganz aus dem ruhigen Eindruck, daß man einen selbständig empfindenden und erzählenden Dichter vor sich hat, heraus. Der Roman beginnt mit tief poetischen Scenen in einer Schweizer Sommerfrische. Lucas Heland, leider so reich, daß er es nicht nötig hat", sucht sich nach vollendeter Universitätszeit für seinen bald beginnenden Beruf als Pfarrvicar zu sammeln. Helene, eine junge Deutsche, eben im Anfang eines Studiums der Musik begriffen, macht in den kurzen Tagen gemeinsamer Erholung einen tiefen Eindruck auf den Schweizer Theologen. In garnicht genug zu lobenden kurzen Scenen werden sie sich klar, daß sie einander jetzt nicht gehören können. Das Mädchen weist die Werbungen des Mannes zurück und doch fühlen beide, daß sie, auch ohne jedes Wort der Verpflichtung, für immer aneinander gebunden sind. Mit dem Bilde des Andern als einem idealen Halt im Herzen geht Jedes in seine Arbeit, um erst voller auszuwachsen. Die Alpen geben zu diesem Vorspiel stimmungsvolle Scenerien.

Der Hauptteil des Werkes beschreibt die pastorale Tätigkeit Heland's, der erst Vicar, dann Pfarrer ist. Man möchte diesen Teil jedem jungen Theologen in die Hand geben und den alten könnte er auch nicht schaden. Die Schmerzen und Zweifel des jungen Pfarrherrn, welcher ehrliche Amtsgenosse hätte sie nicht empfunden? Aber die klare Art, in welcher dieser Schweizer wirkt, ist oft geradezu erhebend. Neben ihm steht ein Freund, der ganz in Werken der inneren Mission aufgeht, um endlich in der Vielgeschäftigkeit zu ermüden. Ueber ihm steht ein alter Pfarrer, der in Hegel'scher Speculation erzogen, sich in die neue Welt nicht zu finden weiß. Aber klar in seinen historischen Kenntnissen und fest in seinem Glauben an die überfinnliche Geisteswelt wirkt Heland mit Kraft und Geduld unter seinen Gemeindegenossen. Wie er die mannigfach auf moderne Töne gestimmten Gebildeten mit sich in freundschaftlichem Zusammenwirken zu halten weiß, wie er den Troß des Ungläubigen erweicht, den Eifer des Schwärmers mäßigt, den Leidenschaftlichen durch das rechte Wort zur Erfüllung seiner Pflicht bringt, und wie nun in allem seine persönliche Würde zum ruhigen Ausleben kommt, das ist höchlich befriedigend zur Anschauung gebracht. Wahrhaft ergreifend ist seine erste Abendmahlsausteilung dargestellt, geradezu überwältigend aber sein Ausscheiden aus dem Kirchendienst. Die Zweifel eines materialistisch philosophirenden Lehrers hat er in öffentlicher Versammlung widerlegt. Aber im Kreise der Amtsgenossen schildert er den Gegensatz von der Religion, die das Eigentum des Gemütes in seiner stillen Tiefe sei, von dem Kirchendienst, der verlange, daß der Glaube nach festgesetzten Lehrformeln verkündet und wie eine Ware angepriesen werde. Dieser Gegensatz zwingt Heland, sein Amt niederzulegen und sein Wolstand erlaubt ihm, während längeren Aufenthaltes in Italien sein Verhältnis zur Kirche des weitern zu überlegen und zu einer klaren Stellung zu gelangen.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »