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Was Hausrath selbst dem allzu poetischen Franciscus - Biographen Paul Sabatier gegenüber vom kritischen Historiker gefordert hat: die Resignation, nicht sagen zu wollen, was man nicht weiß, die Erkenntnis, daß nur der Dichter seinen Stoff aus der Phantasie schöpfen darf, nicht aber der Geschichtsschreiber das übt er mit wissenschaftlicher Strenge in seinem Werke. Und doch bewundern wir daran nicht blos überall die Sorgfalt und Feinheit des Historikers, dem Karl Hase Lehrer und Freund war, sondern mehr als einmal auch das Charisma des Dichters von Gottes ganz besondern Gnaden (vgl. z. B. S. 297). Wer dies Hausrath'sche Buch zusammenhält mit dem Abschnitt im ersten Bande der Lutherbiographie J. Köstlin's, der wird mit uns überzeugt sein, daß ein voll befriedigendes Lebensbild des größten Deutschen erst von dem Heidelberger Kirchenhistoriker zu erhoffen steht.

Aleander, in seiner Jugend Humanist, ein sprachenkundiger Gelehrter, der schon mit 30 Jahren Rector der Universität Paris war, aber nach Erasmus nicht von den besten Sitten und nicht sonderlich wahrheitsliebend, ist nach der anschaulichen Schilderung Hausrath's gleich von Anfang die Seele der römischen Legation beim Reichstage zu Worms und entwickelt eine erstaunliche Rührigkeit:

„Er hat sein Ohr an allen Türen, seine Augen in allen Ecken, er besticht die Türhüter mit Geld, die Cleriker mit Pfründen, die Bischöfe mit Aussicht auf Privilegien, Titel und rote Hüte, die Fürsten aber mit päpstlichen Handschreiben und politischen Angeboten. Seine Meinung ist, daß jeder Mensch seinen Preis habe, und ungehalten wird er in seinen Berichten nur, wenn sie in Rom sich sperren, diesen Preis zu zahlen, oder ihm vorwerfen, er übertreibe. Mit diesen Mitteln hat er so viel ausgerichtet, als sich mit ihnen ausrichten läßt, obwol er von Rom aus schlecht unterstützt wurde und man dort mehr seine Schwächen und Fehlgriffe als seine Verdienste würdigte. Unter den schwierigsten Verhältnissen hat er den Bund der Curie mit Karl aufrecht erhalten; die päpstlichen Bullen gegen Luther wurden publicirt, seine Bücher verbrannt, der Kezer selbst von Kaiser und Reich geächtet. Was zu machen war, hatte Aleander gemacht. Es gab nur ein gewisses Etwas in der Welt, dem sich mit solchen Mitteln nicht beikommen ließ; die einen nannten es das Evangelium, die anderen das Gewissen oder die Gerechtigkeit oder die Freiheit, und dieses unfaßbare, alberne, ihm unverständliche Etwas machte alle seine bewundernswerte Klugheit und Mühe zunichte“ (S. 13).

Eben dies Etwas tritt dem eitlen und ehrgeizigen Römling unheimlich und unbesiegbar entgegen in dem deutschen Augustinermönch, dem Wittenberger Professor, und in denjenigen deutschen Fürsten, die dieser „Bestie", diesem „neuen Arius“ schützend zur Seite stehn. Seinen besondern Haß widmet der päpstliche Nuntius dem sächsischen Kurfürsten, dem weisen, in der Ablehnung der Kaiserkrone doch wol allzu weisen Friedrich, der gerade von Worms aus an seinen Bruder Johann noch vor Luther's Ladung herzliche Worte über Bruder Martin schreibt, während sich seine Abneigung gegen die roten Hüte täglich steigert. Die tiefe aufrichtige Güte, die den Grundzug im Wesen dieses schwerfälligen, wortkargen, gewissenhaften Fürsten bildet, hat sein Wittenberger Professor, der ihm viel zu kune" war, zeitlebens erfahren. Aleander's Schlichen und Ränken

aber hat der anfänglich sehr unterschäßte Fridericus cunctator mit seiner bedächtigen, hinhaltenden Politik die schwersten Hindernisse bereitet.

Und nun kommt Luther nach Worms und der Nuntius berichtet alsbald vom Einzuge des großen Keßermeisters" und von seinen „dämonischen“ Augen aufgeregt nach Rom. Diese Augen ärgern ihn auch, als Luther am 17. April zum erstenmal vor Kaiser und Reich steht und sich mit sorgloser Unbefangenheit die glänzende Versammlung betrachtet. Schon daß er der Ladung gefolgt war, hatte den Romanisten nach Spengler ,,alle Register verzogen". Als er durch die wolerwogene und von seinen Rechtsbeiständen ihm geratene Forderung der Bedenkzeit seine sofortige Entfernung aus Worms verhinderte, endete das einstudirte Concert vollends mit einer argen Dissonanz (S. 248). Die Darstellung des nur von ferne beobachtenden Frankfurter Reichstagsgefandten Fürstenberg, als ob Luther erschrocken und eingeschüchtert aufgetreten wäre, erweist Hausrath mit guten Gründen als unhaltbar. Karl Lamprecht aber hat auf diesen schon von Janssen ausgenußten Bericht seinen unverantwortlichen Vorwurf gegründet, daß Luther, der oft genug in Todessehnsucht verzückt ein Martyrium erwartet hatte", an jenem 17. April völlig befangen", davor gebebt habe! Und auch unser Karl Hase, der in dieser kühnen, gottgetrosten Seele nicht die Möglichkeit eines Widerrufs liegen sieht, bemerkt zu Luther's Bitte um Bedenkfrist in seiner großen Kirchengeschichte entschuldigend: „Wenn einer auch nichts weiß von Menschenfurcht, dem fällt doch solch ein Anblick der Großen dieser Erde schwer aufs Herz, bis das Auge sich daran gewöhnt“ (Bd. III, 1. Abt. S. 62). — Doch das war ja bei Luther gerade nicht der Fall. Aleander selbst bezeugt, Luther sei lachend eingetreten, und entrüstet sich über das freche Benehmen des „Narren“ vor Kaiser und Reich. Sein und seines Collegen Nichterscheinen bei dem zweiten Verhör des Kezers am nächsten Tage ist das klare Eingeständnis, daß Luther mit seiner Bitte um Bedenkzeit sie geschlagen hatte.

Die gütlichen Verhandlungen mit Luther, die dann noch unter Ausschluß der Deffentlichkeit bis zum 25. April stattfanden, sind auch Theologen nicht immer genügend bekannt. Und doch hatte der Reformator hier den härtesten Stand und Stunden schwerer Versuchung zu durchkämpfen, bis er endlich, den Schlingen aller wol- und übelgemeinten Vermittlungsvorschläge entgangen, siegreich „hindurch“ war und nach dem Bericht eines Augenzeugen mit fröhlichem Gemüt und unerschrocken" Abschied von Worms nahm. Grade in der Schilderung dieser ernstesten Momente der großen Wormser Woche leistet Hausrath sein Bestes.

Die roten Hüte in Rom und in deutschen Landen, denen ja protestantische Historiker gelegentlich eine unverhoffte Freude machen durch den Versuch einer Zurückschraubung der neutestamentlichen Kritik, werden auch diese neueste Arbeit des Heidelberger Kirchenhistorikers wie seine Weltverbesserer im Mittelalter" mit Aleander'schem Ingrimm begrüßen. Wir aber danken ihm von Herzen.

J. W.

P. Volz, Die vorerilische Jahweprophetie und der Messias. In ihrem Verhältnis dargestellt. Göttingen 1897, Vandenhoeck und Ruprecht. 92 S.

Der Verf. glaubt den Nachweis geführt zu haben, daß die vorerilische Jahweprophetie zwar Israel die Zukunftshoffnung gegeben und dadurch den Bestand seiner Religion gesichert habe, daß aber die Messiasidee ihr von Haus aus fremd sei. Diese sei vielmehr auf anderem Boden erwachsen und der Prophetie erst von da aus eingepflanzt worden (S. 89). Und zwar vermutet Volz, daß diese Messiasidee aus den beiden Elementen des volksmäßigen Patriotismus und der volksmäßigen Frömmigfeit geboren sei, und daß die Hoffnung auf die vom ganzen Volke allmählich als Bedürfnis empfundene Messiasgestalt in bestimmter Form von den Kreisen des weltlichen und des religiösen Patriotismus ausgegangen sei, angeregt etwa durch die Persönlichkeit des Josia. Ich halte dieses Resultat der Untersuchung Volz's für verfehlt, weil der Ausgangspunkt derselben eine durchaus einseitige Auffassung des Begriffs messia. nisch" ist. Denn „messianisch" nennt er nur das, was mit dem König und dem Königtum der Zukunft in unmittelbarer Beziehung steht, nicht also das, was zur Heilszeit überhaupt gehört". Diese Begriffsverengung ist wissenschaftlich unhaltbar; von ihr aus ist es ein Kinderspiel, aus Jesaja und Jeremja den Messias wegzudisputiren. Und sie rächt sich bitter, indem der Verf., der nun der einmal vorgefaßten Meinung wegen aus den älteren vorerilischen Propheten den Messias radical ausmerzt, natürlich den Boden eracter wissenschaftlicher Forschung verlassen muß und dem subjectiven Geschmacksurteil und der wissenschaftlichen Phrase Tür und Tor öffnet.

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Eine nähere Auseinanderseßung mit Volz ist also von vornherein unmöglich. Natürlich enthält die Arbeit in Einzelheiten manchen beachtenswerten Gedanken, aber ihre Methode sowol, die durch geistreiche Deductionen Postulate für die eigentliche Untersuchung der Messiasstellen decretirt, als auch diese selbst in eregetischer Hinsicht find gleich unfähig, das in dem Thema liegende religionsgeschichtliche Problem entscheidend zu fördern. Immerhin gebürt dem Verf. das Verdienst, diesem Problem erstmalig näher getreten zu sein.

Halensee.

W. Staerk.

Neueste Literatur.

Reformation und Revolution. Rede zur Feier von Luther's Geburtstag, gehalten am 10. Nov. 1897 von Prof. D. Otto Pfleiderer. Verlin, Georg Reimer; 24 S. Kaiser Wilhelm I. Von Prof. Dr. Erich Marcks. Leipzig 1897, Duncker und Humblot; XIII u. 370 S.

Glauben und Wissen. Ausgewählte Vorträge und Aufsätze von Richard Adelbert Lipsius. Mit einem Bildnis des Verfasfers. (Herausgegeben von F. R. Lipsius.) Berlin 1897, C. A. Schwetschke u. Sohn; XI u. 467 S.

Erinnerungen aus dem amtlichen Leben des Wirkl. Geh. Rats D. Bernhard Hesse. Frankfurt a. Main 1897, Moritz Diesterweg; 84 S.

Das Neue Testament, überset in die Sprache der Gegenwart von Kurt Stage. Leipzig Ph. Reclam; 568 S.

Das apostolische Glaubensbekenntnis.

17 Predigten von D. Rudolf

Ehlers. Frankfurt a. Main 1898, Moritz Diesterweg; XIII u. 143 S.

Gebetbuch für alle Tage des Jahres. Mit einem Anhang für besondere Fälle. Von Gottfried Schönholzer. 2. Aufl. Zürich und Leipzig 1897, Albert Müller; VIII und 489 S.

Christliche Religionslehre. Leitfaden für den Confirmanden-Unterricht von Prof. D. Paul Christ in Zürich. 4. Aufl. Zürich 1897, Cäsar Schmidt; 80 S.

Kurze evangelische Christenlehre für Jung und Alt. Von Paul Graue, Diaconus in Weimar. Berlin 1897, Schwetschke u. Sohn.

Der Wegweiser. Kalender des Deutschen Protestanten - Vereins für 1898. Mit Prof. D. Karl Holsten's Bild. Hamburg Otto Meißner.

Gemischte Gesellschaft. (Im Wartejal. Das alte Pfarrarchiv. Ein Rosenstrauß. Onkel August. Die böse Sieben. Die Rede der Steine. Vergilbte Papiere. In der Felsenklause.) Von Julius Burggraf. Stuttgart 1898, Karl Krabbe; VIII u. 272 S.

Von der Haager Gesellschaft zur Verteidigung der christlichen Religion ist dem in unsern beiden letzten Heften abgedruckten Programm noch hinzuzufügen, dass die Arbeiten einzusenden sind an den Mitdirector und Secretär der Gesellschaft Dr. theol. H. P. Berlage, Pfarrer in Amsterdam.

Aus dem Programm der Teyler'schen Theologischen Gesellschaft zu Haarlem für 1898 teilen wir mit:

Von den zwei eingelieferten Abhandlungen über den Einfluss des Parsismus auf das Judentum ist mit der goldenen Medaille gekrönt worden die des Docenten Erik Stave in Upsala; die silberne wird dem Verfasser der Arbeit mit dem Motto Dies diem docet angeboten.

Das neue Preisausschreiben verlangt eine kritische Abhandlung über die historischen Daten der Geschichte der christlichen Gemeinde in Rom bis um das Jahr 150". Die Arbeiten sind mit einem Motto zu versehen und unter Beifügung eines versiegelten Namenszettels vor dem 1. Januar 1899 einzusenden an die Adresse: Fundatiehuis van wijlen den Heer P. Teyler van der Hulst, te Haarlem.

Für die Redaction verantwortlich: D. Websky in Berlin W. Lutherstraße 51.
Druck und Verlag von Georg Reimer in Berlin S.W. Anhaltstraße 12.

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