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und Tritt sah sich der größte Gelehrte der evangelischen Kirche, die nächst Luther ihm am meisten verdankte, mit Angriffen überhäuft und daß er, um mit Calvin die Verbindung nicht abzubrechen, sowol in seiner Glaubenslehre, wie in den späteren Ausgaben der Confession die Bestimmtheit der früheren Fassungen abgeschwächt hatte, trug ihm nicht allein berechtigten Widerspruch, sondern eine Fülle von Schmähungen und literarischen Mishandlungen ein.

Und doch, wenn er dann in den öffentlichen Geschäften wieder hervortrat, dann stellte sich heraus, daß die Meinung der Nation eine andere war als die ihrer literarischen Vorkämpfer. Als im August 1557 Melanchthon nach Worms reiste zu einem neuen Versuche, die sämtlichen christlichen Religionsparteien auf neue Formeln zu einen, da gestaltete sich seine Reise nach Worms fast zu einem Triumphzuge, gleich jenem, den sein längst im Grabe ruhender Freund im Jahre 1521 durch Deutschland gemacht hatte. Knirschend schrieb einer der Gegner an den Jena'schen Flacius: „allenthalben ziehen sie ihm mit Ehrerbietung entgegen, sie beten ihn an, gleich einem Gotte!"

Aber das neue Religionsgespräch endete fruchtlos wie die früheren. Als die Jenenser die Verdammung Melanchthon's nicht durchseßen konnten, traten sie zuerst aus und gaben damit auch den Papisten den Anlaß wegzubleiben. Aber auch die Schweizer, sowol Bullinger in Zürich wie Calvin in Genf, erbosten sich über Melanchthon, von dem sie in der Lehre Concessionen verlangten, die er nicht machen konnte, ohne seine leßten Freunde in Sachsen daran zu geben. Kaum aber hatte der greise Lehrer der Pfalz den Rücken gewendet, so brach auch in Heidelberg zwischen seinen Schülern, die er selbst empfohlen, zwischen Klebiß und Heßhusen, der Streit über das Abendmahl aus, der Stadt und Universität entzweite, und der den neuen Kurfürsten Friedrich III. dem Calvinismus in die Arme trieb.

Und es war nicht nur seine Stellung zu Calvin und dem Abendmahlsstreit, in dem Melanchthon von seinen Gegnern zu Jena beargwohnt wurde. Eine lange Reihe von dogmatischen Zänkereien waren entbrannt, welche Bedeutung das Gesetz für den Wiedergebornen habe, ob die Rechtfertigung als eine Umwandlung oder als Freisprechung des Menschen zn denken sei, ob der Wille die Fähigkeit habe der Gnade entgegen zu kommen, ob gute Werke nötig seien, ob seit der Erbsünde die Sünde die Substanz der menschlichen Natur sei? Ueberall traten strebsame junge Kämpfer hervor, die sich am raschesten berühmt machten, indem sie gegen den Schöpfer ihrer neuen Kirche sich in Gemeinheit der Angriffe überboten, die ihn umso tiefer kränkten, als er unfähig war sie zu erwidern. Es trat ein Wetteifer ein, wer den großen Mann am gemeinsten beschimpfen, am rohsten alles Dankes vergessen könne, den man ihm schuldete.

Melanchthon selbst hat unsäglich gelitten in diesen Kämpfen bei seiner Art, Alles innerlich in sich durchzuarbeiten und in schlaflosen Nächten den ganzen Jammer eines solchen Ausgangs der großen Zeit zu bedenken. Es war die Schuld dieser Angriffe, daß er so vor der Zeit dahinfiel. Und doch hatte er in gewissem Sinne schon zu lang gelebt. Die geistige Freiheit, die er hatte bringen wollen, war zum Märchen

geworden. Er, der in großen antiken Anschauungen lebte, ward von dem jungen Geschlechte, das auf die Formel eingeheßt war, gar nicht mehr verstanden. Daß er Collegien über Homer las und den Studenten Terenz empfahl, machten ihm diese Toren zum Vorwurf. Mit seiner feinen classischen Bildung stand er in Deutschland zwischen diesen Leuten ebenso allein, wie in Italien die leßten Humanisten zwischen der Meute Caraffa's.

Aber Melanchthon trug den Schmerz in seiner Seele, daß er selbst diese Leute erzogen hatte; es waren seine Schüler, die mit Füßen traten, was ihm heilig war. Als er beim Wehen des Frühlings 1560 den Tod herankommen fühlte, da schrieb er nach der Väter Weise in kurzen Säßen auf, was seine Seele bewegte. „Du wirst an's Licht kommen du wirst den Sohn Gottes anschauen. Von allen Mühseligkeiten, von dem unmenschlichen und unversöhnlichen Hasse der Theologen wirst du befreit sein." Nachdem er ein großes Talent und sein ganzes Leben der Theologie gewidmet hatte, war das sein letzter Wunsch! Der 19. April 1560 brachte ihm die Erfüllung.

Ueber seinem Grabe tobte der Kampf weiter. Aber als auch dieses Geschlecht der lärmenden Streiter zur Ruhe gebracht war, da erglänzte in der Erinnerung lichter und heller das Bild des milden und friedvollen Magister Philippus, dessen Name in all dem Kampf und Streit in der Kirche eine Losung des Friedens ward. Was man im Gegensatz zu dem starr gewordenen Luthertum den philippistischen Typus nannte, war eine Verheißung auf die Union der beiden evangelischen Kirchen, die zu des Magisters Lebzeiten der heißeste seiner Wünsche gewesen war. Das war der eine Segen, der in seinem Andenken nachwirkte.

Aber auch das ist sein Verdienst, daß die Sache des Protestantismus die Sache der Bildung blieb. Nicht umsonst hatte er die classische Bildung als eine der Vorbedingungen jeder rechten Theologie proclamirt. Quo melior grammaticus, eo melior theologus hatte Melanchthon seinen Schülern gejagt. Wollten sie das Neue Testament verstehn, so mußten sie auch die classischen Autoren lesen. So blieb das Studium der Alten der neuen Kirche erhalten und eine neue deutsche Renaissance erwuchs, die die deutsche Cultur bergan führte.

Vor allem aber ist er der evangelischen Kirche zum Segen geworden durch den Liebesgeist, der von ihm ausging. Mild, versöhnlich, duldsam und frei war er in allen Lagen seines viel angefochtenen und oft hart bedrängten und eingeengten Lebens. Seine Frömmigkeit litt nicht unter seiner Wissenschaft, seine Wissenschaft wurde nirgend behindert durch diese Frömmigkeit, beide waren in ihm eins, denn beide waren Ausfluß seines treuen Gemüts. Bücher und Formeln werden vergessen, aber hat ein Volk eine solche Persönlichkeit als typische Gestalt in sich aufgenommen, dann ist sie ihm ein ewiger Besiß.

Erkenntnistheorie und Theologie

von

D. H. Lüdemann,
Profeffor der Theologie in Bern.

II.

Es müssen tatsächlich fast 50 Jahre übersprungen werden, wenn wir in die Zeit gelangen wollen, welche es endlich angezeigt erachtete, die von Schleiermacher angeregten wissenschaftsorganisatorischen Fragen in Gestalt durchgeführter Erkenntnistheorie wieder aufzunehmen. Zwar hatte sich unter der von Schleiermacher's Religionspsychologie ausgehenden Anregung der subjective Ausgangspunkt der theologischen Lehrbildung verstärkt. Aber wie für die Schleiermacherisch beeinflußten Orthodoxen das „christliche Bewußtsein“ die Pandora-Büchse wurde, aus welcher sie das ganze altorthodore Lehrsystem wieder hervorzuzaubern wußten, so wucherte auf der anderen Seite alsbald der Wald einer fröhlich disciplinlosen Phantasietheologie empor, zu deren nimmer müden Production sich die Vermittlungstheologie durch ihr frommes, einen verschwommenen „Offenbarungsglauben" involvirendes Bewußtsein legitimirt erachtete, durch das anfeuernde Vorbild der Schelling-Hegel'schen Speculation aber beflügelt fühlte. Kaum daß Rothe durch sein Zurückkommen auf die „Dogmatik" als historische Disciplin eine Variante der Schleiermacher'schen Bestimmung lieferte der Schweizer noch eine andere zur Seite stellte aber nur um für seine „speculative Theologie" in der Grundlegung seiner Ethik umso freieren Spielraum zu bekommen. Zugleich gab er dieser ,,theologischen Speculation" mit dem Ausgangspunkte „Gott" von neuem eine so entschieden objective Wendung, daß dabei erkenntnistheoretische Scrupel überhaupt gar nicht aufkamen; die er zwar in der zweiten Auflage (1867) schon in Erwägung zieht, aber unter einfacher Berufung auf sein eigentümliches Talent zurückweisen zu dürfen glaubt, mit einer Parrhesie, die heute wunderbar anmutet.

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Bald darauf (1868) trat dann fertig und vollendet in dem festgefügten Stahlpanzer ihrer tausend glänzend klaren Paragraphen Biedermann's Dogmatik auf den Plan,

Strauß' negative Kritik in zäh bewahrtem theologischem Pflichtbewußtsein zur positiven Kritik vollendend, und diesen Abschluß durch eine selbständige Synthese von Schleiermacher's und Hegel's mehr formell als sachlich antipodischen Standpunkten erreichend.

Aber so sehr schien die Notwendigkeit und Berechtigung dieser Synthese einzuleuchten, daß dem Verfasser damals auch nicht einmal der Gedanke gekommen ist, für ihre Vollziehung bedürfe es einer erkenntnistheoretischen Rechtfertigung. Und als Biedermann 1884 in gänzlich veränderter Zeitlage sich entschloß in der 2. Auflage seines Werkes diese Rechtfertigung nachzubringen, da geschah es eingestandenermaßen mehr vermöge einer Concession an eine nun einmal aufgekommene Mode, als in dem Bewußtsein, in der 1. Auflage wirklich ein Versäumnis begangen zu haben, das nachgeholt wer den müsse. Indes es ist nachgeholt, und mit dieser seiner Erkenntnistheorie stellt sich Biedermann als eine interessante Uebergangserscheinung dar, in der sich zwei theologische Entwicklungsphasen begegnen: die machtvolle Objectivität speculativer Gedankenbildung Hegelschen Gepräges, gebändigt durch die von einem vorsichtiger gewordenen Zeitalter ihr auferlegte Verpflichtung zu erkenntnistheoretischer und inductiver Grundlegung.

Indem Biedermann so zu den ihm bereits vorausgegangenen Erkenntnistheoretikern Lipsius und Ritschl hinzutritt, erhellt leicht, in welchem Verhältnis die drei Theologen zu Schleiermacher stehen. Biedermann steht seinen ausgesprochenen Intentionen am fernsten, trifft aber gleichwol mit seinem tatsächlichen Verhalten wenig stens formal zusammen, sofern er in der Dogmatik, wie auch Schleiermacher es factisch getan, seine Metaphysik zum Ausdruck bringt; aber Biedermann tut ex professo, was Schleiermacher nur im Widerspruch mit seinen proclamirten Principien unter dem Zwange der Sache nicht umhin konnte zu tun. Ritschl treibt die Schleiermacher'schen Intentionen fort in ein Extrem, welches Schleiermacher stets fern lag und fern liegen mußte; er stellt daher das entsprechende Pendant zu Biedermann dar, wobei es nach dem bekannten Geseß, daß die Gegensätze sich berühren, an Punkten nicht fehlt, wo beide zusammentreffen. Wir werden sehen, wo. Lipsius endlich steht dem wirklichen Schleiermacher am nächsten. Er teilt seinen principiellen Standpunkt bezüglich des Verhältnisses der Dogmatik zur Philosophie. Aber er macht aus dem, was bei Schleiermacher nur als Inconsequenz erscheint, nämlich aus der unvermeidlichen Heranziehung der Philosophie an die Dogmatik und ihrer Hereinziehung in diese, eine durch die Sachlage gebotene Grundregel des wissenschaftlichen Verhaltens für den Dogmatiker. Er stellt demnach wiederum zunächst formal -die zwischen beiden obigen Extremen mögliche Mitte dar. Allein es gelingt ihm kaum, den bei Schleiermacher zwischen Princip und Ausführung vorhandenen Widerspruch zu überwinden, indem er gleichsam aus der Not eine Tugend macht, ohne doch das Mitwirken der Metaphysik an und in der Dogmatik aus dem Wesen dieser leßteren Disciplin, wie er es nun einmal faßt, wirklich

rechtfertigen zu können. Sehen wir nun, wie die drei Theologen ihr respectives Verhalten erkenntnistheoretisch zu begründen versucht haben.

Biedermann's „erkenntnis-theoretische Grundlage“ (§ 9—66) zerfällt in die drei Abschnitte: 1) Der Grundsaß des reinen Realismus. 2) Der psychologische Gang des Erkenntnisprocesses (Wahrnehmen, Vorstellen, Denken). 3) Die Metaphysik.

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გ.

Mit dem Grundsatz des reinen Realismus" bezeichnet Biedermann die Stellungnahme, welche er dem gegebenen Bewußtseinsinhalt gegenüber, wie ihn der Erkenntnistheoretiker resp. Philosoph in sich vorfindet, für geboten erachtet. Dieser Bewußtseinsinhalt (Biedermann sagt statt dessen „Bewußtsein“, doch werden die hierdurch entstehenden Weiterungen durch obigen Ausdruck vermieden, ohne den Gedanken des Autors zu ändern) ist vor allen Dingen rein so zu nehmen, wie er uns tatsächlich gegeben ist, ohne durch „mitgebrachte Hypothesen“ alterirt zu werden (§ 13). Und bei der Frage worin er besteht, sind die Fragen, wie er entstehe, und was etwa außer ihm unserm Bewußtsein noch transscendent bleibe, zunächst zurückzustellen. In unserm Bewußtseinsinhalt rein als solchem wie er tatsächlich uns vorliegt, soll nämlich vor allem dies unmittelbar schon liegen, daß er eine reale Beziehung zwischen zwei Seienden als Bedingung seines Vorhandenseins vorausseße. „Bewußtsein“ (klarer wäre wol „Wissen“, zu welchem Sprachgebrauch Biedermann gelegentlich selber greift 3. B. § 14, 4. 5. S. 75. 76) ist ideelle (aber als solche reale) Beziehung zwischen Subject und Object des Bewußtseins, welcher eine reale Seinsbeziehung zwischen beiden tatsächlich zugrunde liegt. Diese Seinsbeziehung macht, daß das Object für das Subject da ist. Und erst dann kann jene ideelle Beziehung, das Wissen um das Object zustande kommen. Dies verhält sich auch dann nicht anders, wenn das Object selbst nur ideelles Product des Subjects ist, wie z. B. bei der selbst= gebildeten Vorstellung (vergl. § 14,2 und § 32). Auch dann muß das Object real (ob zwar nur als ideelles) da sein und zum Subject in reale Beziehung getreten sein, um Bewußtseinsinhalt desselben zu werden. Keineswegs aber ist etwa im allgemeinen zu sagen, Object sei Etwas überhaupt nie ohne das Subject, und deshalb das Object nicht blos für das Subject, sondern in allen Fällen nur durch das Subject. Dieser vom „subjectiven Idealismus“ von vornherein infinuirte Abweg ist zu meiden, durch die Erinnerung, daß das allerdings vorhandene logische Correlatverhältnis von Subject und Object nicht ohne weiteres in ein Verhältnis der Existenzbedingtheit verwandelt werden dürfe.

Die unveräußerliche Eigentümlichkeit unseres als gegeben und nicht als selbsterzeugt zu betrachtenden Bewußtseinsinhalts besteht nun darin, daß alles Seiende uns als eine existentielle Einheit in zwei Seinsweisen gegeben ist, nämlich als materielles und geistiges Sein zugleich, in reinem Seins-Gegensaße zwar, aber stets und überall in einer subsistentiellen Einheit. (§ 15 S. 78 vergl. 2, i. S. 83.) Diese „Doppelgrundtatfache" (§ 15, 4. S. 86 formulirt) ist es, welche der „reine Realismus“ pure anerkennt, und sich jeder alterirenden Ausdeutung oder Umdeutung stricte enthält. Ersterer macht sich jeder schuldig, der im Gegebenen nur eine äußerliche Coeristenz von geistigem

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