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Man wird in dieser Versicherung sogar eine Verlegung der im § 13 besonders betonten Forderung sehen dürfen, den Bewußtseinsinhalt zunächst „ohne mitgebrachte Hypothesen" so zu nehmen wie er sei. Biedermann hat dabei freilich, wie sich bald herausstellt, nur an seine beiden Gegner Materialismus und Idealismus gedacht, namentlich zunächst an leßteren. Allein er vergißt, daß wenn der subjective Idealismus, der den Bewußtseinsinhalt einfach als eigenes Product des Subjects betrachtet, schon eine bestimmte Deutung, Interpretation der in unserm Bewußtsein gegebenen Tatsache ist, seine eigene Explication dieser Tatsache auch bereits und nicht mehr als eine solche hypothetische Interpretation derselben ist. So läßt sich aber erkenntnistheoretisch nicht verfahren. Wir stehen hier vor der erkenntnistheoretischen Grundfrage, der Frage, welche das heute oft gehörte Urteil hervorgerufen hat, alle Erkenntnistheorie sei schon Metaphyfit, beruhe daher auf einem circulus vitiosus. Wol selten ist eine Erkenntnistheorie von diesem Vorwurf richtiger betroffen, als die hier vorliegende Biedermann'sche. Aber ist der Vorwurf gegenüber der Erkenntnistheorie überhaupt berechtigt? Dann offenbar nicht, wenn sie vorerst sich begnügt unsern tatsächlichen Bewußtseinsinhalt zu analysiren, und dann erst zu fragen, wie er sich erkläre; worauf sie den Gedanken von einer realen Seinsbeziehung zwischen dem Subject und einer Welt von Objecten zunächst nur als eine Hypothese geltend macht, für die ein Beweis zu liefern ist; ein Beweis dessen Stringenz wiederum erst dann feststeht, wenn die Erkenntnistheorie auf ihrem ferneren Wege erhärtet hat, daß der Saß des Widerspruchs ein Geseß sei, dessen objective Gültigkeit zu bezweifeln dem Wahnsinn zuführt. Kant ist seinerzeit ebenfalls zuerst vom Dasein unsere Sinne anregender Dinge" als einfach selbstverständlicher Voraussetzung ausgegangen, hat aber, als man ihm seine „Dinge an sich" streichen und ihn zum Idealisten stempeln wollte, in der 2. Auflage eine ausdrückliche „Widerlegung des Idealismus“ nachgebracht. Wie man über deren Gelingen denken möge: das Verfahren war correct, wenigstens corrigirt. Biedermann (S. 74) aber mutet uns zu, anzuerkennen, daß eine reale Seinsbeziehung zwischen uns und fremden Objecten als Tatsache schon integrirender Bestandteil des uns vorliegenden Bewußtseinsinhalts sei; das heißt, er überspringt von vorn herein die ganze, zwischen naivem Empirismus, Idealismus, Kriticismus hängende erkenntnistheoretische Grundfrage als eine keiner Erörterung würdige Schrulle, und behandelt den Idealismus sofort als eine willkürliche Vergewaltigung unseres psychischen Tatbestandes davon noch zu schweigen, daß er den Kriticismus mit dem so charakterisirten Idealismus ohne weiteres zusammenwirft. Das Object ist unser Bewußtseinsinhalt", das ist eine dogmatistische Behauptung; sie ist die Biedermann's. „Unser Bewußtseinsinhalt ist Wirkung eines Objects" das ist eine aus Erwägung der Tatsache hervorgehende Deutung derselben. Sie bleibt aber auch der weiteren Frage noch zugänglich: Wie weit ist unser Bewußtseinsinhalt Wirkung eines Objects, und wie weit ist an seiner Herstellung unsere eigne geistige Organisation beteiligt der kritischen Frage also. Wie enorm Biedermann dieser

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kritischen Frage von vorn herein vorgegriffen hat, erhellt drastisch, wenn er schon § 14,7 (S. 76. 77) die Frage aufwirft, wie denn überhaupt materielles Sein auf ideelles Sein (unsern Geist) wirken könne, da doch logisch (?) feststehe, daß nur Gleiches auf Gleiches wirken könne; und diese Frage beantworten zu dürfen glaubt mit der Berufung auf die ,,uns vorliegende Tatsache" unserer einheitlichen seelisch leiblichen Substanz, als der „Brücke" zwischen materiellem und ideellem Sein. Welch colossale Probleme, wie sie die ganze Geschichte der Philosophie seit Cartesius bewegt haben, sind hier in fast kindlicher Weise beiseite geschoben!

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2. Wie steht es aber ferter mit dem Gegebensein" jener Doppelgrundtat sache" in unserm Bewußtseinsinhalt? Gegeben ist sie in einem gewissen Sinne uns wirklich, aber nur in dem Sinne, daß das naive noch unkritische gewöhnliche Bewußtsein sie als seine Ueberzeugung, die ihm als selbstverständlich objectiv wahr gilt, in sich vorfindet. Zweifellos hat alle Erkenntnistheorie von diesem Bewußtsein auszugehen, aber doch wahrlich nicht, um sich bei seinen Versicherungen zu beruhigen, sondern um sie zu prüfen. Da zeigt sich denn aber, daß die Behauptung von dem einfachen von außen her Gegebensein jener Doppelgrundtatsache „materiell-ideellen Seins in existentieller Einheit und essentiellem Gegensaße" auf einer argen Täuschung beruht. Denn in Wahrheit liefert uns die Wahrnehmung, und auch sie nur, wenn wir sie einmal vertrauens. voll so gelten lassen, wie sie sich in uns bildet für sich allein stets nur materielles Sein, oder raumzeitliche Substanz mit ihrer Bewegung. Keineswegs aber ist sie, wie Biedermann (§ 23) meint, das Wahrnehmen", welches sich unterschieden aber un getrennt", gleichmäßig als äußere Wahrnehmung auf die materielle, als innere Wahrnehmung auf die ideelle, „in Seinsbeziehung zum Menschen stehende und dadurch real für ihn vorhandene Welt" erstreckte. Vielmehr nehmen wir ideelles Sein außer uns niemals direct wahr, sondern ergänzen vielmehr in unwillkürlicher Ausdeutung nach der Analogie unseres selbstempfundenen Eigenlebens die Resultate unserer Sinneswahrnehmung, die uns für sich allein nie mehr zeigt als indifferente verschiedenartig bewegte Materie. Schon die Wahrnehmung" bloßer Kraft beruht lediglich auf Supponirung aus unserer Selbsterfahrung von unsrer eigenen Activität; und die innere Wahrnehmung, welche uns nach Biedermann ohne weiteres in steter Verbindung mit der äußeren die ideelle Seite des materiellen Weltdaseins zeigen soll, hat in Wahrheit zu ihrem Gegenstande schlechterdings nichts anderes, als das eigne Ich, aus dessen unmittelbar erlebter Lebendigkeit das Subject allein die Tatsachen des Lebens, der Kraft, des Willens, sowie aller sonstigen psychischen Vorgänge kennt, freilich um sie sofort nach außen zu tragen, und den äußerlich wahrgenommenen Bewegungen behufs deren Erklärung unterzulegen; wobei es zunächst sehr kindlich weitgreifend verfährt, um erst allmählich bei dieser Interpretationsarbeit Disciplin zu lernen. Gegeben" ist uns also lediglich auf der einen Seite die Erscheinung bewegter Materie, auf der andern Seite die lebendige Kraft

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unseres Ich. Biedermann's angeblich unmittelbar gegebene Doppelgrundtatsache“ beruht dagegen auf einer höchst complicirten von uns selbst vollzogenen Combination von beiden. Freilich ist der naive Dogmatismus, wie Biedermann ihn auch hier fundgibt, weitverbreitet. Insbesondere teilt ihn die ganze Naturwissenschaft, wenn sie den von ihr imgrunde einzig und allein wahrgenommenen" Bewegungen materieller Substanzen überall Kräfte" unterlegt, und an das Dogma von Stoff und Kraft" fest glaubt. Aber auch Kant hat sich in seinen „metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft" zweifellos einer Inconsequenz schuldig gemacht, wenn er hier, wo er es nach seinen Voraussetzungen einzig mit den Geseßen der bewegten Materie zu tun haben dürfte, dem mechanischen das dynamische Moment beigesellt, und damit die Grenzen der nach ihm möglichen Naturerkenntnis schlechterdings überschreitet; wir werden später sehen, aus welchem Grunde.

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3. Aber Biedermann's gegebener Bewußtseinsinhalt" ist noch sehr viel weiter in Anspruch zu nehmen. Wir haben soeben vorläufig zugegeben: die Wahrnehmung liefere uns die Erscheinung von räumlich und zeitlich bewegter Materie. Indertat ist Bewegung“ ja nur eine Combination räumlicher und zeitlicher Größen in bestimmtem Verhältnis zu einander. Es fragt sich aber eben, welche objective Wahrheit dieser Erscheinung zukomme. Denn zunächst ist diese Erscheinung doch nur unser subjectiver Bewußtseinsinhalt, nur als solcher ist sie uns gegeben". Sache des Erkenntnistheoretikers ist es nun eben, zu sehen, wie dieser Bewußtseinsinhalt, oder unser Zustand, in welchem wir durch solche Vorstellung afficirt sind, sich erkläre. Auch hier entschlägt sich Biedermann mit größter Entschiedenheit jeder erkenntnistheoretischen Untersuchung, indem er den Knoten einfach mit der Behauptung der objectiven Realität von Raum und Zeit durchhaut, ihre Bezweiflung oder Leugnung als idealistische Vergewaltigung eines angeblichen Tatbestandes von vorn herein discreditirt. Freilich fällt deshalb auch die Kritik der „idealistischen Einseitigkeit“ (§ 17) unbefriedigend genug aus. Obwol Biedermann sich des Widerspruchs, der in den Begriffen Raum und Zeit liegt, durchaus bewußt ist (s. unten), so seßt er ihn hier doch so sehr aus den Augen, daß er kein Bedenken trägt, sich gegen den spiritualistischen Begriff des Kraftcentrums auf den des Atoms zu berufen, und zu versichern, daß dasselbe Kraftcentrum sei, „bestehe eben in seinem realen Räumlichsein", ohne daran zu denken, was doch nachgrade eine triviale Wahrheit ist, daß grade die Zurückführung der räumlichen Materie auf das Atom den Widerspruch aufs concentrirteste zum Ausdruck bringt (ein kleinstes unteilbares Ausgedehntes), daher das Atom überhaupt nicht als Wirklichkeit ernst zu nehmen, sondern lediglich eine provisorische Schulannahme ist, die sich nur durch die methodischen Vorteile empfiehlt, welche sich mittelst ihrer im Erfahrungserkennen erreichen lassen. Nirgends nimmt Biedermann zu den Argumenten für die Idealität von Raum und Zeit ernsthaft Stellung. Von der Methode philosophischer Kritik, welche ihren Standort in unserer

Raum- und Zeitanschauung selber nimmt, und durch Aufweisung der um ihretwillen der Wahrnehmung anhaftenden Widersprüche sich dazu gedrängt sieht, sie der Objectivität der Dinge abzusprechen und ins Subject zurückzunehmen, weiß er nichts. Zwar sind ihm Raum und Zeit als unsere Begriffe etwas subjectives. Aber diese Begriffe seien eben nur von der wirklichen Seinsweise des Dinglichen abstrahirt, obwol diese selbst im Gedanken nicht zu erfassen sei (S. 90). Ebendeshalb sind aber Raum und Zeit ja auch nicht Begriffe, sondern bloße Anschauungsformen, von denen wir nur aus unserer geistigen Praxis heraus eine in allen ihren Teilen homogene Vorstellung haben können. Wie Biedermann die Zeiträumlichkeit als subjective Erscheinung einfach ablehnt, so verwirft er auch ihre Fassung als objective Erscheinung", als das „Anderssein“ der Idee, wobei nur (S. 91) Loße hätte aus dem Spiel bleiben sollen! Und das ist ja sehr natürlich. Denn dem Hegel'schen Idealismus, der das Ich mit seinen Anschauungsformen zum Absoluten mit seinen Evolutionsformen ausweitet, tritt Biedermann. hier indertat nichts weniger als „Hegelianer“ deutlich genug als naiver Empiriker entgegen, der es für möglich hält, aufgrund unserer armselig fragmentarischen aposterio rischen Induction das Wesen des Absoluten und der Welt, in gleichem Umfang wie Hegel, wenigstens in wahrheitsgetreuen „logischen“ Contouren nachzuzeichnen, und dabei natürlich Raum und Zeit dem Absoluten als allerdings recht fremdartig erscheinende Realitäten" beizugesellen.

4. Kant. Doch nachdem wir bis hierher Biedermann's modus procedendi verfolgt haben, drängt sich die Frage auf, wie er denn eigentlich wol, um zu ihm zu gelangen, an Kant möge vorbeigekommen sein. Und indertat finden wir schon im Eingang zu dem Capitel über den reinen Realismus" eine Kritik des Kant'schen Standpunktes, zu der wir uns am besten jest von dem hier erreichten Punkte aus zurückwenden (S. 57-71).

Billig dürften wir erwarten, bei einem Erkenntnistheoretiker, der demjenigen. Grundsaße, auf welchem bei Kant nicht weniger als alles beruht, der Idealität von Raum und Zeit, so schneidig entgegentritt, vor allem einer einläßlichen Widerlegung der ,,transscendentalen Aesthetik" zu begegnen. Allein diese Erwartung wird völlig getäuscht. Ohne eine gründliche Bereinigung dieses Punktes aber konnte die Beurteilung Kant's nicht anders ausfallen, als fie ausgefallen ist: voll von den gründlichsten Misverständnissen — Misverständnisse die sich nicht etwa aus den bekannten Controversen der KantInterpretation erklären, sondern an Punkten auftauchen und um Punkte sich bewegen, die überhaupt nicht streitig sind noch sein können.

Schon die allgemeine Auffassung von Kant's Unternehmen ist seltsam: daß nämlich Kant auf seine Erkenntnistheorie „eine kritische Metaphysik“ habe gründen wollen offenbar in der transscendentalen Dialectik" um fie an die Stelle der dogmatischen Metaphysik zu sehen. Dabei sei es aber bei ihm zu einem erkenntnis

theoretischen und ontologischen Dualismus gekommen: zwischen der für die Erkenntnis ,,offenen" Erfahrungswelt und der für fie unzugänglichen und doch zu „postulirenden" metaphysischen Welt; diese Metaphysik“ habe er freilich nur als eine „regulative Grenzbereinigung" unternommen. Jener Dualismus aber habe seinen Grund in dem unnatürlichen Ausgangspunkt, den Kant sich willkürlich zurechtgemacht habe. In diesen Angaben müssen wir nicht weniger als Alles bestreiten. Kant ist in seiner Kritik der reinen Vernunft nicht auf Herstellung einer Metaphysik ausgegangen, auch nicht einer „kritischen“, sondern vielmehr auf die Zerstörung jeder theoretischen Metaphyfik. Was seine Metaphysik" etwa darstellt, das sind die wenigen Fragmente, deren inneren Zusammenhang er dahingestellt sein ließ und die er in seiner Kritik der practischen Vernunft, allein auf dem Umwege über das sittliche Bewußtsein, in Gestalt der von diesem dictirten Postulate: Freiheit, (physische und sittliche Welt in Uebereinstimmung haltende) Gottheit und Unsterblichkeit gewann, aber nicht als theoretische Erkenntnisse, sondern als practisch fundirte Ueberzeugungen. Aus seiner Theorie der Erfahrung (Aesthetik, Analytik) und seiner Kritik der dogmatisch-theoretischen Metaphysik in der transscendentalen Dialectik gestaltet sich weder ein erkenntnistheoretischer, noch ein ontologischer Dualismus. Kein erkenntnistheoretischer Dualismus; denn davon könnte nur der reden, der außer Acht ließe, daß die der „Erkenntnis offene" Erfahrungswelt für Kant lediglich Erscheinung ist, ihrer Erkenntnis daher definitive Wahrheit gar nicht innewohnt, sondern nur eine relative, wie sie von unserm Standort aus erreichbar ist. Selbst wenn dieser ,,Erfahrung" nun eine ebenfalls nur relative Erkenntnis in der Metaphysik zur Seite träte, so würde sich das auch in diesem Fall bestens zu einem homogenen wesentlich negativen Ganzen zusammenschließen, aber von erkenntnistheoretischem Dualismus“ wäre keine Rede. Doch vielleicht käme es dann doch zu ,,ontologischem Dualismus"? Allein die Ideenlehre der Dialectik kommt eben gar nicht zu einem ontologischen Resultat. Vor allem ist es ein wunderbarer auf Verwechslung mit dem Sprachgebrauch der practischen Kritik beruhender Irrtum Biedermann's, wenn er von den Ideen als ,,Postulaten" der Vernunft spricht. Kant faßt sie vielmehr bekanntlich als immanentintellectuelle Notwendigkeiten, Erzeugnisse eines unwiderstehlichen Vernunfttriebes, denen jedoch gar kein ontologischer Wert zukommt. Auch wenn Biedermann die angebliche ,,Metaphyfik" der transscendentalen Dialectik als regulative Grenzbereinigung" bezeichnet, so kommt das der Sache nicht näher. Die Metaphysik wird vielmehr aufgelöst, die Grenzbestimmung dagegen nimmt die Kritik vor, indem sie den Begriff des ,,Dinges an sich" als Grenzbegriff bestimmt, weil seine Existenz noch erkannt werden kann, jenseits dieser Grenze aber von seiner etwaigen Beschaffenheit nichts mehr. Das ist keine Metaphysik, sondern Leugnung der Metaphysik im theoretischen Sinne. Was aber sowol erkenntnistheoretischen als ontologischen Dualismus bei Kant vollends ausschließt, ist der Umstand, daß die Eruirung der Ideen der Erfahrungserkenntnis schließlich überhaupt gar nicht irgendwie gegenübertritt; sondern vermöge der regulativen" Bedeutung, die

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