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stellt Schiller die zwei Momente auf: erstens „Darstellung der leidenden Natur; zweitens: Darstellung der moralischen Selbständigkeit im Leiden."*) Und zur Ergänzung bemerkt er

darauf: „Der letzte Zweck der Kunst ist Darstellung des Uebersinnlichen, und die tragische Kunst insbesondere bewerkstelligt dieses dadurch, dass sie uns die moralische Independenz von Naturgesetzen im Zustand des Affects versinnlicht.“ **) Und der Prozess, wodurch dieses Resultat zu Stande kommt, ist der: Es besteht ein Kampf zwischen der Freiheit des Geistes und der Natur der Aussenwelt, aus welchem das Leiden, doch ein actives Leiden, hervorgeht. Dieses energische und active Leiden, das aus dem Conflikte zwischen innen und aussen entsteht, ist das unbedingte Princip der Tragik, es ist das tragische Pathos. Dies ist das eine Gesetz der tragischen Kunst, das erste jener erwähnten fundamentalen Momente; das zweite ist also die Darstellung des moralischen Widerstandes gegen das Leiden. Und nun fragt es sich, wodurch dieser zweifache Zustand zum Ausdrucke kommt? Dadurch belehrt Schiller, ,,dass alle blos der Natur gehorchenden Theile, über welche der Wille entweder gar niemals oder wenigstens unter gewissen Umständen nicht disponiren kann, die Gegenwart des Leidens verrathen, — diejenigen Theile aber, welche der blinden Gewalt des Instincts entzogen sind und dem Naturgesetz nicht nothwendig gehorchen, keine oder nur eine geringe Spur des Leidens zeigen, also in einem gewissen Grad frei erscheinen." An dieser Disharmonie zwischen den Zügen, in welchen das ,,Gesetz der Nothwendigkeit eingeprägt ist, und zwischen denjenigen, welche der selbstthätige Wille bestimmt", erkennt man ,,die Gegenwart des übersinnlichen Princips im Menschen." Das Pathos ist das Product dieser zweifachen Bewegung: von Leiden und moralischer Willenskraft. „Bei allem Pathos muss also der Sinn durch Leiden, der Geist durch Freiheit interessirt sein. Fehlt es einer pathetischen Darstellung an einem

*) Das pathetisch Erhabene. **) Ueber das Pathetische.

Ausdruck der leidenden Natur, so ist sie ohne ästhetische Kraft, und unser Herz bleibt kalt. Fehlt es ihr an einem Ausdruck der ethischen Anlage, so kann sie bei aller sinnlichen Kraft nie pathetisch sein und wird unausbleiblich unsre Empfindung empören.“ *)

Wie als schaffen des Genie, so hat Schiller auch in seinen gelehrten ästhetischen Untersuchungen sein höchstes und tiefstes Denken der Dichtkunst geweiht. Den eigentlichen Künsten, der bildenden Kunst und der Musik, schenkt er wenig Beachtung. Wie eine seltsame Anomalie erscheint es fast, dass eine Persönlichkeit, mit einer solchen Sinnigkeit und solcher Zartheit der Seelenbewegungen ausgestattet, für die Naturschönheit kaum empfänglich war. Aus seinen ästhetischen Schriften hat Schiller das Naturschöne ganz eliminirt. Hingegen hat er in der Recension von Matthisson's Gedichten Bemerkungen über Landschaftsmalerei eingestreut, durch welche er sein gediegenes Erfassen auch dieses ästhetischen Gebietes zeigt. Er bringt da wiederholt die Landschaftsmalerei mit der Musik in Beziehung; so z. B. dass den Geniessenden aus beiden, dem Einen wie dem Andern, der Reflex der eigenen Stimmungen anwehe, oder mit Schillers eigenen Worten: „es müsse der Einbildungskraft des Zuhörers" (bei der Musik),,oder Betrachters" (der Landschaft),,überlassen werden, einen Inhalt dazu zu finden."

Bei der wechselnden Gestalt des Schönheitsbegriffes verhält es sich wie bei jedem Begriff im Culturgange: die frühern Prämissen werden aufgelöst und der Begriff wird in veränderter Zusammensetzung neu construirt. So wie die Natur durch veränderte Lagerung und Verbindung derselben Stoffe ihre unabsehbare Reihe von Erscheinungen hervorbringt, so ähnlich

*) Schiller führt hier das bekannte Wort von Seneca an: „Ein tapferer Geist im Kampf mit der Widerwärtigkeit ist ein anziehendes Schauspiel selbst für Götter."

verfährt der Menschengeist mit Bezug auf seinen Vorstellungsbesitz bei neuen Denkakten. Bei dem Entwickelungslauf des Schönheitsbegriffs werden unter den zwei Flaggen: unter derjenigen der classischen Objectivität und der der romantischen Subjectivität, immer aus denselben begrifflichen Grundelementen heraus*), doch im Einklange mit dem ganzen speculativen Organismus des construirenden Geistes und beeinflusst vom Zeitgeiste, neue Theorien postulirt. In diesem pragmatischen Gange besitzen vielleicht nur Plato und Aristoteles, der Erstere in Hinsicht des Schönheitsbegriffes, der Letztere in Hinsicht der Kunstlehre, und in der modernen Welt noch Kant, als Begründer des idealen Subjectivismus, das Verdienst der Priorität.

Durch den historischen Evolutionsprozess der ästhetischen Begriffe dringt ein Gedanke hindurch, der, anfänglich wenige Gebiete umspannend, darauf ohne eine positive Abklärung erlangt zu haben, sein hypothetisches Bereich über immer mehr Wissensdistricte ausdehnt; das ist der Gedanke, eine einheitliche theoretische Grundlage, einen genetischen Zusammenhang aller Künste und selbst Wissenschaften zu finden. Dieses Suchen nach einem gemeinsamen Fundamentalprincip aller Geistesströme erinnert an Goethe's Forschen nach einer Urpflanze. Schon Plato hatte das begriffliche Grenzgebiet einiger Wissenssphären annullirt, er hob den Unterschied der logischen, ethischen und ästhetischen Grenzen auf. Unter seinen modernen Anhängern folgte ihm in dieser Grenzaufhebung der Graf Shaftesbury **). Nicht viel später postulirte ein anderer englischer Aesthetiker bekannter noch als ausübender Künstler ein ästhetisches Fundamentalprincip für die Gruppe der bildenden Künste, es ist dies die ,,Schlangenlinie" von Hogarth,

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*) Man denke nur an alle diese zahllosen Wandlungen, die in der Geschichte des Schönheitsbegriffs die Bedingung der geordneten Theile von Platos Gedanken des ,,Maassvollen" und Aristoteles' Gedanken dǝs „Ebenmässigen" bis zu Sophie Germains Gedanken von ,,Ordnung und Gleichmass" durchgemacht hat?

**) Er lebte von 1671-1713.

auf die er alles körperlich Schöne zurückführt. *) Hogarth postulirte die Wellen- oder Schlangenlinie in ähnlicher Weise als universelle Norm alles formal Schönen, wie es in neuester Zeit Zeising's,,goldener Schnitt" geworden ist.

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In der Zeit zwischen jenen beiden Engländern beschäftigte sich auch der französische Aesthetiker Charles Batteux **) mit dem Problem, einen gemeinsamen Kanon der sämmtlichen Künste zu finden, und legte seine Ansichten im „Traité des beauxarts réduits à un même principe" nieder. Hierauf ruhte dieser Gedanke durch mehrere Dezennien, bis ihn wieder Mendelssohn aufnahm und eine Abhandlung ***),,über die Quellen und Verbindungen der schönen Künste und Wissenschaften" veröffentlichte. Als Kriterium der Verwandtschaft gibt er natürliche. und willkürliche" Zeichen an. Natürlich sind die Zeichen,,,wenn die Verbindung des Zeichens mit der bezeichneten Sache in den Eigenschaften des Bezeichneten selbst gegründet ist"; etwa wie die Leidenschaften mit Tönen und Geberden verbunden sind, die Musik und Tanz ausdrücken. „Hingegen werden diejenigen Zeichen willkürlich genannt, die vermöge ihrer Natur mit der bezeichneten Sache nichts gemein haben, aber doch willkürlich dafür angenommen sind. Von dieser Art sind die artikulirten Töne aller Sprachen, die Buchstaben, die hiroglyphischen Zeichen der Alten". Unter „schönen Wissenschaften" verstand man damals die Dichtkunst und Beredsamkeit, die heute unter den schönen Künsten subsumirt werden. Das Streben, einen einheitlichen theoretischen Typus für die gesammten Künste zu finden, erbte sich nicht nur fort, sondern seine Dimensionen erweiterten sich und es zog eine immer grössere Zahl von Districten in das Verhältniss der Analogie

*) Lessing äussert sich in sehr anerkennender Weise über dieselbe wie folgt:,,nicht nur Maler und Bildhauer werden davon profitiren können, sondern auch Dichter und Tonkünstler vermöge der Verbindung, welche alle Künste und Wissenschaften untereinander haben."

**) Geb. 1715.

*** Sie ist 1757 im I. Band der Bibliothek der schönen Wissenschaften erschienen.

hinein. In neuester Zeit gaben besonders drei Geistesheroen der Ueberzeugung Ausdruck, dass allen Gebieten der Geistesbewegung ein gemeinsames Princip zu Grunde liege; diese drei sind: Herbart, Sophie Germain und Wundt.

Herbart sieht im Contrapunkt das mechanische Moment, dessen Gesetze die verschiedensten Erscheinungsarten gliedern. Er schreibt hierüber: *) „Der gründliche Musiklehrer übt seinen Schüler im Contrapunkt, das heisst, er lehrt ihn, mehrere Stimmen so gleichzeitig verbinden, dass jede derselben dem Hörer eine besondere, in sich zusammenhängende Vorstellungsreihe darbieten möge. Dafür, dass die Reihen möglichst unabhängig, wie sie sind, doch zusammenpassen, muss Harmonie und Rhythmus sorgen. Auf ähnliche Weise zeichnet der Architect, wenn er den Bauriss entwirft, Figur in Figur, deren jede für sich ein Ganzes bildet, jede aber anch in der andern eine passende Lage bekommt. Schon die Natur hat solchergestalt im menschlichen Antlitz Augen, Nase, Mund, Ohren im Umriss des Schädels hineingezeichnet; und bei schon gebildeten Blumen thut sie im Kleinen dasselbe. Aehnlich diesem räumlichen Contrapunkt finden wir der contrapunktischen Gebilde genug in Werken der Dichter, wo jeder bedeutende Character seinen Gang geht, seine Geschichte auf eigene Weise durchläuft, mit der Bedingung, dass diese verschiedenen einzelnen Geschichten sich zu einer ganzen vereinigen. Und in der Malerei muss in künstlich verschlungenen Gruppen dennoch jede Figur für sich ihre richtige Zeichnung haben; das Auge muss sondern und zusammensetzen können mit Freiheit, ja mit Lust, und mit Unterstützung durch Contraste der Farben."

Mit Bezug auf Herbart schreibt einer seiner feinsinnigsten Anhänger:**),,Es ist die grosse Aufgabe einer Aesthetik der Zukunft, auf das A-B-C der einzelnen Künste zurückzugehen und innerhalb jeder einzelnen deren spezifische Grundverhältnisse nachzuweisen nach dem Muster der Harmonielehre, welche

*) Encyklopädie Bd. II, p. 117.

**) Nahlowsky, im,,Gefühlsleben", II. Auflage, p. 129.

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