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ganzen Zusammensetzung des häuslichen Lebens: aus der Denkungsart, dem Ton, den Gewohnheiten u. s. w. hervorgehen, greifen ineinander, wachsen an, gewinnen durch stete Wiederholung an Stärke und Durchbildung, und klären sich schliesslich zu festorganisirten Anschauungen ab. Es ist eine unfassliche Vielheit, aus der sich die Idee des Sittlichen ergibt, wie auch eine Vielheit zusammengehöriger Momente die Idee des Schönen bildet. Und wie die Phantasie die Potenz ist, welche das Schöne ausgestaltet, so ist die Vernunft die Potenz, welche die sittliche Norm setzt. Es ist ein naheliegender Gedanke: welche tiefeingreifende und bedauernswerthe Schädigung sich für die Entwickelung einer Menschenknospe ergibt, wenn sie durch missliche Schicksale oft und abrupt auf ein verändertes Terrain versetzt wird. Die neue Sphäre zerstört die frühern Keime und streut eine andere Aussaat aus. Sie lockert die alten Associationen und leitet neue ein. Ein solcher trauriger Umsturz, welcher die Aechtung und Exilirung der frühern Begriffe und die Schilderhebung neuer bedeutet, bringt innere Verworrenheit und Haltlosigkeit in die junge Seele, und hindert die individuelle Consolidirung. Wenn es aber so kommt, dass eine einsichtsvolle Leitung, es als pädagogische Nothwendigkeit erachtet, ein unstatthaftes Vorstellungs-Conglomerat und unzukömmliche Gewohnheiten auszumerzen, um Richtigeres und Besseres an dessen Stelle entstehen zu lassen, so wird sie nicht jäh und dictatorisch vorgehen, sondern sachte und vermittelnd an dem Ausgangspunkt eines frühern Vorstellungskreises eine neue Apperceptionsweise einleiten. Der wirksamste Weg der Erziehung ist wie vielfach bekannt der des lebendigen vor Augen gerückten Beispiels. Schon ein altes Sprüchwort sagt: „Lang ist der Weg durch Vorschriften, kurz und wirksam durch Beispiel." Und Goethe, der überall das rechte Wort spricht, sagt in seiner italienischen Reise: ,,Was man einem vor die Augen bringen kann, gibt man ihm am sichersten." Und eine Ergänzung dazu ist die Aeusserung in Wilhelm Meister:,,Das Beste wird nicht deutlich durch Worte." Das aus dem Leben herauswachsende Vorbild dringt

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mit einer ganz andern Macht ins Gefühl ein, als ein in der Luft gezeichnetes Schema, wie es die abstracte Lehre ist. Schon allein deshalb, weil die Wirklichkeit durch mehr Thore eindringt und eine grössere Mehrheit von Theilvorstellungen sollicitirt, ist ihre Wirkung ein packendere; abgesehen noch dass sie das Gewordene, die Lehre aber erst das Seinsollende ist. Ein lebhaft auf die Anschauung wirkendes aber von der Pädagogik ziemlich unbeachtetes Hülfsmittel für solche Fälle, wo man nur passiv seiner Gesinnung Ausdruck geben kann, ist der mimische Ausdruck, die Geste und die Interjection. Der Erzieher soll aber nicht blos demonstriren, er soll auch dem Zöglinge Gelegenheit geben, seine Gesinnungs- und Gefühlsanlage praktisch, im Verkehr mit Genossen und Untergebenen, an den Tag zu legen. Und niemals dürfen unschöne und unedle Züge ungerügt bleiben, denn übel angebrachte Nachsicht leistet einem schlaffen und mattherzigen Erfassen des Moralitäts- und Humanitätsbegriffes Vorschub. „In der Jugend muss man die Herrschaft der guten Gewohnheiten gründen", sagt schon Virgil. Kann aber die Macht der Erziehung so weit gehen, um die Natur des Kindes ganz nach ihren Absichten zu formen oder reicht sie wirklich nicht weiter als die ohnehin vorhandenen doch latenten Anlagen zu entwickeln, wie dies Lessing in der Erziehung des Menschengeschlechtes schreibt? ,,Die Erziehung lautet die Stelle -*) gibt dem Menschen nichts, was er nicht auch aus sich selbst haben könnte; sie gibt ihm das, was er aus sich selbst haben könnte, nur geschwinder und leichter."

Zwei hervorragende französische Philosophen des 18. Jahrhunderts behaupteten die entgegengesetzte Ansicht; nach Rousseaus bekannter Stelle am Eingang seines Emil geht der Mensch als ein durchaus bildsames und zum Guten veranlagtes Geschöpf aus der Hand der Natur hervor. Der Wortlaut der berühmten Stelle ist: Tout est bien, sortant des mains de l'auteur des choses, tout dégénère entre les mains de l'homme."

*) § 4.

Eben so hält Helvetius (in seinem Buche „De l'homme") die menschliche Individualität als durch Erziehung und Verhältnisse bestimmbar.

Die Wahrheit wird wohl auch hier in der Mitte liegen; der Mensch ist weder die Pflanze, die sich nach immanenten Naturtrieben entwickelt, wie dies Lessing lehrt, noch ist er die durchaus bildsame der lenkenden Hand preisgegebene Form aus Lehm, wie es die beiden franz. Gelehrten annahmen, sondern das Ueberzeugenste ist, dass Natur und Erziehung am Werke Theil haben. Die Natur gibt die Anlagen und Eigenheiten mit, und diese sind das spezifisch Selbstische, das Urpersönliche, das, wie der physiognomische Stempel, durch allen Wechsel und alle Wandlungen der Lebensverhältnisse und Lebensalter unentwegt als das Eine und Selbige hindurchleuchtet. Dabei aber drücken die Keime, die man aus seiner Familien- Atmosphäre assimilirt, die Ansichten, Gewohnheiten, Manieren, die man da unbewusst, wie die Pflanze die Bestandtheile der Luft einsaugt, dem Wesen ebenfalls ihre unverwischbaren Spuren auf. Herbart bedeutet *), dass der Mensch der Kunst bedarf, welche ihn erbaue, ihn konstruire, damit er die rechte Form bekomme." Das Geschöpf aus der Hand der Natur ist der unpolirte Guss, der aber schon seine Lineamente andeutet, nun kommt die erziehende Macht, die erst die Züge ausgräbt und ausfeilt. Aber das Gepräge, das sie gegeben hat ist nicht mehr zu verwischen, man kann sich nicht mehr losmachen von der eingeätzten Formung, und in welche äussere Stellung man auch versetzt wird, so verräth sich untrüglich das Element, der Boden, von dem aus man den Ausgang nahm.

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Die angeborene Eigennatur des Menschen hat ihren Grund in der organischen Basis. Die Beschaffenheit der Gehirnbezirke, die Construction der Nerven und der Rhythmus der Lebensbewegung, sind die Materialien, die von Haus aus über die Art der Individualität entscheiden. Je nachdem wie die Integrität des einen oder andern Gehirnbezirkes und dieser oder

*) Pädagogische Schriften I p. 310.

jener Nervenparthie geartet ist, und je nach dem Functionsrhythmus des Gemeingefühls, bestimmt sich die individuelle Färbung der Eindrücke und fällt die Reactionsweise auf dieselben aus. ,,Talente sind nichts Einfaches, sondern sie sind Combinationen geistiger Anlagen von sehr verschiedener Natur", sagt ein namhafter Gelehrter. *) Wie aber eigentlich die anatomisch-physikalische Construction jener Factoren sein müsse, damit diese Tugend oder jenes Talent entstehe, darauf weiss die Wissenschaft keine Antwort. In welchem stofflichen Bestandtheil oder in welcher plastischen Formung oder in welcher Functionsweise es liegt, dass der Eine hervorragend für mathematischen Calcul, der Andere für Porträtmalerei, der Dritte für die sittliche Characterhoheit veranlagt ist diese Frage bedeckt eine Nacht der Unkenntniss, in welcher auch nicht der schwächste Schimmer eines Gedankenanhaltes anbricht. Es ist tief niederdrückend oder wer weiss, vielleicht zuletzt tröstend dass in jeder menschlichen und wissenschaftlichen Frage sich der letzte Grund, die letzte Instanz, auf die es aber hauptsächlich ankommt, dem forschenden Auge entzieht. Hier erhebt sich das verschleierte Bild von Sais mit dem stummen Gebote stille zu halten. Ein bekannter Satz von Goethe lautet: „dass es dem Menschen nur möglich ist, mit seinem Erkennen bis zum Urphänomen vorzudringen und dass es ihm, hier angelangt, geziemt, ehrfurchtsvoll still zu stehen."

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wie es jeden

Betreffs der angeborenen Anlage, so ist diese auch Ziller in seiner ausgezeichneten Pädagogik sagt falls formaler Natur. ,,Sie enthält nichts von einer besondern Art des Vorstellens, Fühlens und Strebens, obwohl sie auf allen diesen Gebieten sich äussern kann.“ **)

Das sehr häufig vorkommende Beispiel, dass der Wille nur nach einer Richtung eine feste ethische Consistenz gewonnen hat, und dass eine einzige sittliche Richtung in ausgesprochener Weise entwickelt ist, muss als eine Einwirkung

*) Weissmann.

**) S. Ziller's allgemeine Pädagogik, § 9 herausgegeben von Dr. C. Just, Leipzig, Matthes. 1884.

aus realen Verhältnissen genommen werden. Irgend ein Umstand aus der Lebensconstellation förderte diesen Zug, während die übrigen Characterseiten sehr getrübt sein können. Als ein Beispiel solcher Art könnte man vielleicht Mirabeau anführen, der seine hervorragenden Gaben mit begeistertem Drange für ein seinen persönlichen Interessen fremdes Gut, für die Wohlfahrt des Volkes, weihte, während seine sonstige Moralität sehr anbrüchiger Natur war. Solche Personen zeigen einzelne sittliche Züge, sind aber nur Fragmente von dem Wesen eines wahren Characters. Denn einem solchen, in vollendeter mustergiltiger Bedeutung, muss die Energie innewohnen, die Willensströme unter der Botmässigkeit seiner Maximen zu bringen. ,,Ist unser Character, schreibt Schiller,*) nicht durch gute Grundsätze fest verwahrt, so werden wir schändlich handeln bei allem Schwung einer exaltirten Einbildungskraft, und über unsere Selbstliebe einen glorreichen Sieg zu erfechten glauben, indem wir, gerade umgekehrt, ihr verächtliches Opfer sind." Die charactervolle Beherrschung aller Anfechtungen und aller Anwandlungen des schwachen wankelmüthigen Herzens gibt leicht einen Anflug starrer Herbigkeit. Der characterfeste Mann erscheint manchmal gegen weichere Regungen gepanzert. Mitunter mag ja dem auch wirklich eine kleinlich pedantische Verknöcherung zu Grunde liegen, wo aber die Willensenergie gewaltthätig einen Panzer um das warmbewegte Herz aufzwingt, da ist der innere Mensch,,der feste Pol in der Erscheinung Flucht." Zu dieser in sich beruhenden Mächtigkeit gelangt man erst auf der Höhe des Lebens. Nachdem sich die Ansichten über die Aufgaben desselben consolidirt haben. Das höchste Maass von eherner Characterkraft zeigte der ältere Brutus, der sein Innerstes blutig aus sich herausriss und seiner Ueberzeugung zum Opfer brachte. Wenn der Character auch erst spät zur Vollreife gelangt, so dämmern doch schon aus dem Morgengrauen des Lebens einzelne Richtungen auf; zu den am frühesten im kindlichen Alter sich kundgebenden

*) Ueber die nothwendige Grenze beim Gebrauch schöner Formen.

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