ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Zügen gehört das Wohlwollen*) und das Gerechtigkeitsgefühl, das letztere besonders beim Knaben **), hingegen kommt beim

*) Seltsamer Weise oft neben Zügen der Grausamkeit, wie sie im Peinigen der Thiere hervortreten.

**) Als Illustration dazu diene folgende herzeinschneidende Begebenheit, die dem interessanten Buche von Smiles ,,Die Pflicht" (p. 482) entnommen ist.

[ocr errors]

,,An einem kalten Wintertag standen zwei Herren an dem Thor eines Hôtels in Edingburgh, als ein armer barfüssiger Junge von höchstens 10 Jahren, unter seinem zerlumpten Anzuge vor Kälte zitternd, an sie herantrat und bat, dass sie ihm eine Büchse Streichhölzchen abkaufen möchten.,,Nein ich brauche keine", sagte der eine von den Herrn. ,,Aber die Schachtel kostet nur einen Penny", befürwortet schüchtern der kleine Händler. ,,Schon gut, aber du siehst, ich brauche keine." Der Knabe schien eine Weile zu überlegen und sagte schliesslich; dann will ich Ihnen zwei Schachtel für einen Penny geben." Um den Bittsteller los zu werden nahm der Herr endlich eine Schachtel, aber da er sah, dass er kein Kleingeld habe, gab er sie dem Jungen zurück und sprach: ,,Komm morgen, ich habe heute keine kleine Münze." „Kaufen Sie lieber heute, ich bin so hungrig", bat der kleine Kerl wieder, „ich will laufen und Ihnen das Geld wechseln." So gab der Fremde ihm denn den Schilling, und er eilte fort; jener wartete eine Weile, aber kein Junge kam, so dass er seinen Schilling verloren gab.

[ocr errors]

Spät am Abend erschien dann ein Kellner im Zimmer des Fremden und meldete ihm, dass ein kleiner Knabe wünsche ihn zu sprechen. Als derselbe eintrat, stellte es sich heraus, dass es ein jüngerer Bruder des Streichhölzchenverkäufers war, womöglich noch ärmer, elender und zerlumpter als jener. Er suchte eine zeitlang in seiner Tasche und frug:,,Sind Sie der Herr, der heute die Streichhölzchen von meinem Bruder Charlie gekauft hat?" "Ja." ,,Gut, da sind vier Pence zurück auf Ihren Schilling. Charlie kann nicht kommen, er ist krank. Ein Wagen hat ihn umgeworfen und ist über ihn weggefahren, und er hat seine Mütze, seine Streichhölzchen und Ihre eilf Pence verloren, und seine beiden Beine sind gebrochen, und er ist sehr krank, und der Doctor sagt, er werde wohl sterben müssen. Hier, mehr kann ich Ihnen jetzt nicht wiedergeben, das soll ich Ihnen bringen", wobei das Kind die vier Pence auf den Tisch legt und in Thränen ausbrach.

Der Herr liess dem Kleinen sofort etwas zu essen geben und ging dann mit ihm um nach dem braven Charlie zu sehen. Unterwegs erfuhr er, dass die beiden Knaben keine Aeltern mehr hatten und bei einer Stiefmutter lebten, die sie schlecht behandelte und das Geld, das sie mit ihrem kleinen Handel erwerben mussten gewöhnlich in Branntwein vertrank.

Mädchen die passiv sittliche Regung des Schamgefühls sehr früh zum Vorschein. Das Kind erfreut sich neidlos am Spielzeug anderer günstiger Gestellter, und erfasst oft mit dem richtigsten Tacte das fas und nefas, das Recht und Unrecht. Bemerkenswerth ist auch, dass Kinder in ihren Zu- und Abneigungen gegen Erwachsene häufig ein geradezu magnetisches Anfühlen ihres sittlichen Werthes bekunden. Dass das Jünglingsalter vorzugsweise die Empfänglichkeit für ideale Güter zeitigt, dies bezeugt schon die Thatsache, dass meistens Jünglinge ihr Leben in Conspirationen wagen. Das Streben der hochwogenden Jünglingsnatur geht über das wirklich Erreichbare hinaus, nach dem Grossen, Hehren, Uebermächtigen. ,,Bis an des Aethers bleichste Sterne erhob ihn der Entwürfe Flug." Mit dem Fortschreiten im Leben und in den Jahren senkt sich unausbleiblich ein Mehlthau über das buntschillernde Gefieder der Seele. Das Fata-Morganabild von Welt und Zukunft verblasst, und stets dürftiger und entsagungsvoller wird die Lebensreise.

[ocr errors]

Wie gross war diese Welt gestaltet

So lang die Knospe sie noch barg!

Wie wenig, ach! hat sie entfaltet,

Dieses Wenige, wie klein und karg!"*)

Nicht lange und man glaubt nun aufgeräumt zu haben mit den bethörenden Traumbildern, um fortan fest und geklärt sein

Charlie lag auf einem Haufen von Hobelspänen, erkannte den Eintretenden sofort und sagte mit leiser Stimme: „Ich hatte das Geld gewechselt, Herr, und war auf dem Rückwege zu Ihnen, da warf mich das Pferd um und der Wagen ging mir über die Beine. Und Willie, mein armer kleiner Willie! Wenn ich sterben muss, wer wird für Willie sorgen, wenn ich nicht mehr da bin? Was soll aus ihm werden?"

Unbeschreiblich bewegt ergriff der Fremde die Hand des guten Knaben, der bei allen Schmerzen doch nur an seinen kleinen Bruder dachte und versprach ihm, er werde sich Willie's annehmen und ihn zu einem tüchtigen Menschen erziehen. Charlie, dessen Kräfte rasch zu Ende gingen, sah den unerhofft gefundenen Wohlthäter mit dankbaren Blicken an und schloss dann seine Augen für immer."

*) Schiller, Die Ideale.

Inneres zusammen zu halten, und so ,,kühl bis in's Herz hinan" Stellung zu fassen gegenüber einer realen Aufgabe. Allein, gemach! diese Zuversicht wird noch oft eine Bresche erfahren, und nie kann ganz die Sisyphus-Arbeit an sich selbst. aufhören; denn der Character ist keine einmal gesetzte Selbstthat, kein abgeschlossenes Werk, sondern ein stetes Werden, ein fortdauerndes Entselbsten. Der Mensch behält nur zu viel Grund, in sich selbst Misstrauen zu setzen," sagt Herbart.*)

[ocr errors]

Der Gesammtinhalt des sittlichen Codex, der dem Character ein kategorischer Wegweiser ist, zerfällt in die drei formalen Begriffe: der Tugend, der Pflicht und des sittlich Guten. Das Wesen der Tugend besteht in der angemessenen Würdigung aller jener Ideen, welche den Umfang des Sittengesetzes bilden. Tugend und Sittlichkeit könnte fast als eine Tautologie erscheinen, dem ist aber doch nicht so. Der Tugendbegriff ist der höher stehende Allgemein-Begriff des moralischen Sollens, von dem die Sittlichkeit nur ein Artbegriff ist. Der Umfang der Tugend ist grösser und inhaltreicher als jener der Sittlichkeit. Ein tugendhaftes Wandeln setzt das Festhalten und Befolgen der sittlichen Grundsätze nach jeder Richtung voraus, wobei sich die Beherrschung aller affectiven und solcher eudämonistischer Regungen, die sich gegen die moralische Zucht auflehnen, von selbst versteht. Gleichlautend ist Schillers Definition: Die Tugend ist eine Neigung zur Pflicht." Wenn es auch bei der Tugend auf Beobachtung und Heilighaltung aller sittlichen Prinzipien ankommt, so dass man mässig sei, die Lüge, die List verabscheue etc., so sind doch ihre zwei hauptsächlichsten Gebote (Ideen), die auch die Quintessenz der Moral involviren: die Gerechtigkeit und das Wohlwollen. Obgleich Gerechtsein ein viel passiveres Vorgehen ist als Unrecht thuen, denn jenes ist ja in den meisten Fällen nur ein Geltenlassen, dieses hingegen ein Auflehnen gegen das Bestehende, so ist es dennoch eine unendlich schwierige, und selbst einer ungewöhnlich vornehmen und erleuchteten Gesinnung kaum

*) Encyklopädie p. 353.

erreichbare Aufgabe, allem, mit unentwegter unbeirrter Parteilosigkeit, gerecht zu werden. Und wenn das Wohlwollen stets eine lichtvolle Milde gegen Andere erheischt, so bedingt es doch kein solches Durchdringen der Triebfeder und der verborgenen. Zusammenhänge, um das Eigentliche und Wahre zu erfassen, wie die Gerechtigkeit. Das Wohlwollen ist das sonnenhafte Gefühl, das, ohne zu fragen und zu prüfen, jedem seinen belebenden Strahl zuwendet. Es beseligt mit gleichmässiger Milde, ohne mit Unterdrückung jeder Selbstregung zu entscheiden, wie die Gerechtigkeit; ohne sich die Zustände Anderer eigen zu machen, wie das Mitleid; ohne sein Inneres hinzugeben, wie die Liebe. So muss denn der tugendhafte Mensch, bei dem die Gerechtigkeit der Focus ist, aus dem die Radien der andern Eigenschaften ausstrahlen, stets wissen, was er will, und selbstlos und ohne jegliches Nebeninteresse das wollen, was er als das Rechte und Wahre erkannt hat So wenig heroisch, so ehrbar schlicht ein solches Streben erscheinen mag, diese fortwährende über den Gewässern schwebende Reinheit erfordert eine göttlichere Seele, als die grossartigste und erschütterndste That, die einem augenblicklichen Begeisterungsdrang entsprang. Das Bild einer solchen geräuschlosen Grossheit, die selbst eine wilde Räuberhorde bezwang, bietet Johannes Kant, der Magister von Krakau*), der in sich beschämt und sich Vorwürfe machend, dass er den ihn ausplündernden Wegelagerern auf ihre Frage: Gabst du uns auch Alles? Trägst du nichts versteckt im Stiefel oder im Gurt?" mit einem unwahren Nein" geantwortet, zu diesen zurückkehrte und ihnen den verborgenen Sparpfennig mit den Worten hinhielt:,,das hab' ich böslich vor euch verleugnet; nehmt!"

Der zweite Begriff des sittlichen Kanons ist der der Pflicht. Der Pflichtbegriff bezeichnet die Gebundenheit des Wollens, sich nach den sittlichen Ideen oder Musterbildern zu richten. Während der Tugendbegriff den ganzen Umfang der sittlichen Aufgabe, die ganze und volle Darstellung des Sittengesetzes, nach jeder

*) Gedicht von Gustav Schwab.

Richtung umfasst, liegt das Verpflichtende des Pflichtbegriffes in je einer einzelnen Idee oder Lebensforderung. Jeder ethischen Idee entspricht eine eigene Pflichtsphäre, indess der Begriff der Tugend alle diese Pflichtsphären einschliesst. Die Fflicht ist ein dogmatisches Sollen, das für sich selbst wie für die Andern von gleichwerthiger Giltigkeit ist. Aber ob man dieses Sollen sich oder Andern auferlegt, erheischt es ein klares Urtheil, sowohl über die Verhältnisse, aus denen das Handeln zu entstammen habe, einerseits, als über die Natur des Musterbildes, (Kindespflicht, Mitgefühl etc), welches die Pflicht auferlegt, andererseits. Ja, die Einsicht muss noch sorgsamer erwogen, das Urtheil noch geklärter über diese Fragepunkte sein, sobald es sich darum handelt, einen Andern zur Pflichterfüllung anzuhalten. Stösst das Sollen auf mangelnde und flaue Willfährigkeit, dann steigert es sich zu einem peremtorischen Müssen. Das gegen sich selbst gerichtete Sollen ist eine Selbstgesetzgebung, die Selbstnöthigung zur Folge hat. Die Autorität des Pflichtgebotes richtet sich zuförderst an Individuen, die tugendhaft veranlagt, aber dabei doch so menschlich schwach und in ihren selbstischen Regungen und Trieben befangen sind, dass sie zu ihrer tributären Stellung, diesem oder jenem Verhältniss gegenüber, erst genöthigt werden müssen. Wo der ethische Imperativ mit einem noch nicht in Handlung objectivisirten Wollen ringt, da entsteht das Pflichtgefühl“, definirt Volkmann.*) Die Pflicht setzt eigentlich immer einen gewissen Zwiespalt voraus, denn es handelt sich dabei um ein Aufgeben eines Theils der Selbstheit zu Gunsten eines Andern. Für Diejenigen aber, die über das menschliche Maass herausragen, und für ihre Antipoden, für die in brutaler Rohheit Verlorenen, existirt das Pflichtgebot nicht. Die vollendete und heilige Tugend, das selbstvergessende ideale Wollen, schwebt über den Zinnen" der Pflicht, und das ruchlose Subject, das sich von allen menschlichen Banden frei macht, sprengt auch diese blanke Kette. Der Dichter**) würdigt die lautere Weihe der Pflicht mit den Worten:

*) Lehrb. d. Psychologie § 134.

**) Julius Hammer im Gedichte ,,Die Pflicht."

[ocr errors]
« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »