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Der Character.

Von dem Manne fordert man als Wesenskern seiner Individualität Character, von dem Weibe fordert man als Essenz ihres Seins Gemüth. Das Requisit des Character's ist das Wollen, das Requisit des Gemüths ist das Fühlen. Das Kennzeichen des Characters ist stets sich selbst treu zu bleiben, das Kennzeichen des Gemüths ist sich jederzeit in die Zustände Anderer verlieren zu können. Der Character bethätigt sich, wie es der grosse Dichterfürst sagt, im Geräusch der Welt", das Gemüth hingegen bethätigt sich in stiller Verborgenheit. Zum Character gehört Kraft und Stabilität, zum Gemüth gehört Zartheit und Beweglichkeit, denn jener muss gegen Vieles sich ablehnend verhalten, dieses stets vermittelnd entgegen kommen können. Im Character bekundet sich zugeben und bei diesem zu bleiben. und man muss, um als solcher da zu stehen nach Möglichkeit seine Wollensbilder vor dem Tribunal seiner Prinzipien prüfen. ,,Character schreibt Herbart,*) ist die stetig bestimmte Art, wie der Mensch sich mit der Aussenwelt in Verbindung setzt. Wessen Gesinnungen und Handlungen nur das Resultat, das Spiel des äusserlichen jedesmaligen Zustandes oder zufälliger Phantasien, ausserordentlicher, unhaltbarer Erhebungen sind, der hat keinen Character." Und Goethe drückt im Grunde dasselbe mit den Worten aus: „nur in dem, was der Mensch thut, zu thun fortfährt, worauf er beharrt, darin zeigt er Character."**) Die Ausbildung des Individualcharacters, d. h. die Entfaltung des innersten Selbst, hängt von einem weitverzweigten Gewebe

*) Aphorismen zur Pädagogik.

**) Rede zum Andenken Wielands.

um die Antithese auflebensschwerer Ernst,

von Umständen ab; so von Erziehung, Gewohnheiten, Verhältnissen, Umgang; kurzum, alles was die Lebenssphäre bildet und etwas, was derselben noch vorangeht, nämlich die Vererbung wirkt auf das Darleben der Individual-Natur ein. In ähnlicher Weise entscheidet die Beschaffenheit des Bodens und der Elemente, in welche man eine Pflanze versetzt darüber, ob sie sich in ihren Individual-Eigenschaften voll entfalten kann, oder ob sie sich nicht vielleicht als verkümmertes Schemen ihres Geschlechts durchringt, oder ob sie nicht sogar widerwärtige Momente zur Ansetzung von Missbildungen hindrängen. Der Nerv und Pulsschlag des Characters aber ist das Wollen. Dieses Wollen, welches das typische Gepräge der durch vielfache Bedingungen eben so und nicht anders gewordenen Persönlichkeit trägt. Damit aber das Wollen die innere Zone der Persönlichkeit reflektire muss es causal sein, es muss aus einer rückläufigen Reihe von Bedingungen herausgewachsen sein. Wenn das Wollen einer unmotivirten Laune entstammt, ist es nicht das Wollen einer charactervollen Individualität, wie es das angezogene Citat von Herbart so richtig ausdrückt. Das Wollen des Characters ist daher ein von der regulirenden Instanz der vernünftigen Einsicht geleitetes. Somit ist es auch ein ursächliches Wollen, es ist das Bedingte eines Regressus von Lebensacten. Der Wille ist die dynamische Kraft und die prüfende und urtheilende Vernunft ist der Regulator derselben. Diese beiden Faktoren: der Wille und die über das Wollen urtheilende vernünftige Einsicht, vereint, bilden die Idee der innern Freiheit. Das Wesenhafte also der Idee der innern Freiheit ist die Uebereinstimmung des Wollens, d. h. des wollenden Ich's, mit der vernünftigen Einsicht, d. h. mit dem denkenden Ich. Diese Vereinigung überbietet an Innigkeitsgrad jedes andere Zusammensein, und aus derselben entsteht das in sich beruhende Selbstgefühl, das in gewissem Grade unabhängig macht von dem unruhigen und unlogischen Schicksalsgange der äussern Welt. In diesem Sinne äussert Herbart. *) Der Weise dünkt sich König;

*) Zur Lehre v. d. Freiheit d. mensch. Willens; siebenter Brief.

nicht wegen einer Macht, die er nicht besitzt, sondern weil er nicht will, was er nicht erreichen kann. Die Herrscher (spricht der Weise) sind weniger Könige als ich; denn ihnen begegnet manchmal wider Erwarten, dass ihren Befehlen die Vollziehung mangelt; ich aber, auch bei den schwierigsten Unternehmungen, will niemals mehr als mein eigenes Handeln; es ist ein Versuch in Hinsicht des äusserlichen Erfolges, aber für mich liegt schon im Versuch die Vollendung; ich wollte nichts weiter, darum bin ich frei.“

Der Mensch ist somit frei, wenn er aus Ursächlichkeit handelt; allerdings scheint dies fast das Gegentheil zu sagen, nämlich dass er determinirt ist, durch eine vorangegangene Reihe von Bedingungen; es ist doch nicht so; der Mensch ist frei, wenn er in Gemässheit seiner Einsicht sein Wollensbild mit seinen Lebensdaten in logischer Uebereinstimmung bringt. Hingegen ist er unfrei, wenn er der Spielball jeweiliger Triebe ist, und wenn er nach sinnlosen Launen handelt. Das Problem der Willensfreiheit gehört von Alters her zu den brennendsten der philosophischen Untersuchungen; ist es doch der Cardinalpunkt, der über die menschliche Verantwortung zu entscheiden hat. Von Aristoteles, der es unter den Griechen, im dritten Buch seiner Nicomachischen Ethik, am eingehendsten behandelt, bis auf unsere Tage, wurde es in der verschiedensten Betonung und Fassung der in ihm liegenden und mit ihm verzweigten Möglichkeiten dargestellt. Am lebhaftesten wurde die Controverse über indeterminirt und determinirt und das ist ja das Wesen der Frage in der Zeit von Descartes bis Kant geführt. Der Indeterminismus begründet seinen Standpunkt mit dem metaphysischen Argument: dass wenn auch jeder gegenwärtige Zustand auf einem vorhergegangenen zurückweist, aus dem er entstammte, diese Reihe doch in ein erstes Glied auslaufen müsse, wo die That eine spontane war, und was als erstes Glied gesetzt werden muss, kann auch nicht so apodiktisch für die spätern zurückgewiesen werden. Nun, der Urgrund des Weltbildes ist auch einmal a priori gesetzt worden und dennoch sind alle spätern" Evolutionen eine fortlaufende Kette des

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Bedingten. Die Partheinahme für den Indeterminismus kann aus zwei contrairen Weltanschauungen hervorgehen: erstens aus Verzweiflung an sittlicher und logischer Weltordnung und aus der Ueberzeugung, dass der herzlose Zufall allein die Welt regiert eine Ueberzeugung, die sich nur allzu sehr aufdrängt; und zweitens, aus dem Glauben an unmittelbaren Eingriff der Vorsehung, aus dem Glauben an Wunder, wie ihn der schlichte Mann mit den Worten ausdrückt: „bei Gott ist Alles möglich." Nach dieser zweiten Auffassung ist der Indeterminismus ein Zwillingsbruder des Occasionalismus von Geulinzex u. a. Der Determinismus begründet seinen Standpunkt damit: dass in der Entwickelung des gesammten Seelenlebens nach allen Richtungen Continuität besteht, und das Gesetzmässigkeit auch nur da herrscht, wo jede Folge durch einen vorhergegangenen Grund bestimmt wird. Ausserdem nimmt er für sich in Anspruch, dass er allein den Voraussetzungen der Erziehung und den Consequenzen der individuellen Entwickelung es sei noch hinzugefügt, und denen der Erblichkeit Rechnung zu tragen im Stande sei.

Kant führte nun die vielbewunderte und viel besprochene Gedankenthat durch, den Indeterminismus mit dem Determinismus zu vereinigen. Er geht bei der Deduction seines Freiheitsbegriffes*) von dem metaphysischen Gesichtspunkt aus**) und überträgt sein transcendental-reales Begriffsschema, nach welchem das Ding einerseits einen intelligiblen Grund hat, der mit seiner Causalität ausserhalb der Zeitbestimmung steht (Noumenon), andererseits Wirkung ist (Phänomenon) und als solche durch andere Erscheinungen bestimmt wird, auf den Menschen. Der Mensch ist durch die Vernunft ein intelligibles Wesen, und dank derselben kann er sich nach seinen Begriffen bestimmen, nach dieser Richtung ist er somit frei. Seinem empirischen Character nach, als Sinneswesen ist aber der Mensch nicht frei, und es gibt in dieser Beziehung keine Handlung,

*) Dass der Freiheitsbegriff in drei Domainen, in der Metaphysik, Psychologie und Ethik wurzelt, erschwert nicht wenig seine Abklärung. **) Krit. d. r. Vernunft II W. W. p. 418-437.

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