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Die Erscheinungen, welche man allgemein unter dem Begriffe des Seelenlebens oder der psychischen Thätigkeit zusammenfaßt, sind unter allen uns bekannten Phänomenen einerseits die wichtigsten und interessantesten, anderseits die verwickeltsten und räthselhaftesten. Da die Natur - Erkenntniß selbst, die Aufgabe unserer vorliegenden philosophischen Studien, ein Theil des Seelenlebens ist, und da mithin auch die Anthropologie, ebenso wie die Kosmologie, eine richtige Erkenntniß der „Psyche“ zur Vorausseßung hat, so kann man die Psychologie, die wirklich wissenschaftliche Seelenlehre, auch als das Fundament und als die Voraussetzung aller anderen Wissenschaften ansehen; von der anderen Seite betrachtet, ist sie wieder ein Theil der Philosophie oder der Physiologie oder der Anthropologie.

Die große Schwierigkeit ihrer naturgemäßen Begründung liegt nun aber darin, daß die Psychologie wiederum die genaue Kenntniß des menschlichen Organismus vorausseßt und vor Allem des Gehirns, als des wichtigsten Organs des Seelenlebens. Die große Mehrzahl der sogenannten „Psychologen" besigt jedoch von diesen anatomischen Grundlagen der Psyche nur sehr unvollständige oder gar keine Kenntniß, und so erklärt sich die bedauerliche Thatsache, daß in keiner anderen Wissenschaft so widersprechende und unhaltbare Vorstellungen über ihren eigenen Begriff und ihre wesentliche Aufgabe herrschen,

wie in der Psychologie. Diese Konfusion ist in den leßten drei Decennien um so fühlbarer hervorgetreten, je mehr die großartigen Fortschritte der Anatomie und Physiologie unsere Kenntniß vom Bau und von den Funktionen des wichtigsten SeelenOrgans erweitert haben.

Methoden der Seelenforschung. Nach meiner Ueberzeugung ist das, was man die „Seele" nennt, in Wahrheit eine Natur-Erscheinung; ich betrachte daher die Psychologie als einen Zweig der Naturwissenschaft und zwar der Physiologie. Demzufolge muß ich von vornherein betonen, daß wir für dieselbe keine anderen Forschungswege zulassen können als in allen übrigen Naturwissenschaften; d. h. in erster Linie die Beobachtung und das Experiment, in zweiter Linie die Entwickelungsgeschichte und in dritter Linie die metaphysische Spekulation, welche durch induktive und deduktive Schlüsse möglichst dem unbekannten „Wesen“ der Erscheinung sich zu nähern sucht. Mit Bezug auf die principielle Beurthei= lung desselben aber müssen wir zunächst gerade hier den Gegensaß der dualistischen und der monistischen Auffassung scharf in's Auge faffen.

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Dualistische Psychologie. Die allgemein herrschende Auffassung des Seelenlebens, welche wir bekämpfen, betrachtet Seele und Leib als zwei verschiedene Wesen". Diese beiden Wesen können unabhängig von einander existiren und sind nicht nothwendig an einander gebunden. Der organische Leib ist ein sterbliches, materielles Wesen, chemisch zusammengeseßt aus lebendigem Plasma und den von diesem erzeugten Verbindungen (Plasma-Produkten). Die Seele hingegen ist ein unsterbliches, immaterielles Wesen, ein spirituelles Agens, dessen räthselhafte Thätigkeit uns völlig unbekannt ist. Diese triviale Auffassung ist als solche spiritualistisch und ihr principielles Gegentheil in gewissem Sinne materialistisch. Sie ist zugleich transscendent

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Dualistische und monistische Psychologie.

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und supranaturalistisch; denn sie behauptet die Existenz von Kräften, welche ohne materielle Basis existiren und wirksam find; sie fußt auf der Annahme, daß außer und über der Natur noch eine geistige Welt" existirt, eine immaterielle Welt, von der wir durch Erfahrung nichts wissen und unserer Natur nach nichts wissen können.

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Diese hypothetische Geisteswelt", die von der materiellen Körperwelt ganz unabhängig sein soll, und auf deren Annahme das ganze künstliche Gebäude der dualistischen Weltanschauung ruht, ist lediglich ein Produkt der dichtenden Phantasie; und dasselbe gilt von dem mystischen, eng mit ihr verknüpften Glauben an die Unsterblichkeit der Seele", dessen wissenschaftliche Unhaltbarkeit wir nachher noch besonders darthun müssen (im 11. Kapitel). Wenn die in diesem Sagenkreise herrschenden Glaubens Vorstellungen wirklich begründet wären, so müßten die betreffenden Erscheinungen nicht dem SubstanzGeseze unterworfen sein; diese einzige Ausnahme von dem höchsten kosmologischen Grundgeseze müßte aber erst sehr spät im Laufe der organischen Erdgeschichte eingetreten sein, da sie nur die Seele" des Menschen und der höheren Thiere betrifft. Auch das Dogma des „freien Willens“, ein anderes wesentliches Stück der dualistischen Psychologie, ist mit dem universalen SubstanzGeseze ganz unvereinbar.

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Monistische Psychologie. Die natürliche Auffassung des Seelenlebens, welche wir vertreten, erblickt dagegen in demselben eine Summe von Lebens - Erscheinungen, welche gleich allen anderen an ein bestimmtes materielles Substrat gebunden sind. Wir wollen diese materielle Basis aller psychischen Thätigkeit, ohne welche dieselbe nicht denkbar ist, vorläufig als Psychoplasma bezeichnen, und zwar deßhalb, weil sie durch die chemische Analyse überall als ein Körper nachgewiesen ist, welcher zur Gruppe der Plasma-Körper gehört, d. h. jener eiweißartigen

Kohlenstoff - Verbindungen, welche sämmtlichen Lebensvorgängen zu Grunde liegen. Bei den höheren Thieren, welche ein Nerven= System und Sinnes-Organe besitzen, ist aus dem Psychoplasma durch Differenzirung das Neuroplasma, die Nervensubstanz, entstanden. Unsere Auffassung ist in diesem Sinne materialistisch. Sie ist aber zugleich empirisch und naturalistisch; denn unsere wissenschaftliche Erfahrung hat uns noch keine Kräfte kennen gelehrt, welche der materiellen Grundlage entbehren, und keine geistige Welt", welche außer der Natur und über der Natur stünde.

Gleich allen anderen Natur - Erscheinungen sind auch diejenigen des Seelenlebens dem obersten, Alles beherrschenden Substanzgesete unterworfen; es giebt auch in diesem Gebiete keine einzige Ausnahme von diesem höchsten kosmologischen Grundgeseze (vgl. Kap. 12). Die Vorgänge des niederen Seelenlebens bei den einzelligen Protisten und bei den Pflanzen aber ebenso auch bei den niederen Thieren, ihre Reizbarkeit, ihre Refler - Bewegungen, ihre Empfindlichkeit und ihr Streben nach Selbsterhaltung, find unmittelbar bedingt durch physiologische Vorgänge in dem Plasma ihrer Zellen, durch physikalische und chemische Veränderungen, welche theils auf Vererbung, theils auf Anpassung zurückzuführen sind. Aber ganz dasselbe müssen wir auch für die höheren Seelenthätigkeiten der höheren Thiere und des Menschen behaupten, für die Bildung der Vorstellungen und Begriffe, für die wunderbaren Phänomene der Vernunft und des Bewußtseins; denn diese letteren haben sich phylogenetisch aus jenen ersteren entwickelt, und nur der höhere Grad der Integration oder Centralisation, der Association oder Vereinigung der früher getrennten Funktionen erhebt sie zu dieser Höhe.

Begriffe der Psychologie. In jeder Wissenschaft gilt mit Recht als erste Aufgabe die klare Begriffs - Bestimmung des Gegenstandes, den sie zu erforschen hat. In keiner Wissen

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Begriffe der Seelenlehre.

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schaft aber ist die Lösung dieser ersten Aufgabe so schwierig als in der Seelenlehre, und diese Thatsache ist um so merkwürdiger, als die Logik, die Lehre von der Begriffs - Bildung, selbst nur ein Theil der Psychologie ist. Wenn wir Alles vergleichen, was über die Grundbegriffe der Seelenkunde von den angesehensten Philosophen und Naturforschern aller Zeiten gesagt worden ist, so ersticken wir in einem Chaos der widersprechendsten Ansichten. Was ist denn eigentlich die „Seele"? Wie verhält sie sich zum Geist"? Welche Bedeutung hat eigentlich das Be wußtsein“? Wie unterscheiden sich „Empfindung" und „Gefühl"? Was ist der Instinkt"? Wie verhält sich der freie Wille"? Was ist Was ist Vorstellung"? Welcher Unterschied besteht zwischen Verstand und Vernunft"? Und was ist eigentlich Gemüth"? Welche Beziehung besteht zwischen allen diesen „Seelen-Erscheinungen und dem Körper“? Die Antworten auf diese und viele andere, sich daran anschließende Fragen lauten so verschieden als möglich; nicht allein gehen die Ansichten der angesehensten Autoritäten darüber weit aus einander, sondern auch eine und dieselbe wissenschaftliche Autorität hat oft im Laufe ihrer eigenen psychologischen Entwickelung ihre Ansichten völlig verändert. Sicher hat diese „psychologische Metamorphose“ vieler Denker nicht wenig zu der kolossalen Konfusion der Begriffe beigetragen, welche in der Seelenlehre mehr als in jedem anderen Gebiete der Erkenntniß herrscht.

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Psychologische Metamorphosen. Das interessanteste Beispiel solchen totalen Wechsels der objektiven und subjektiven psychologischen Anschauungen liefert wohl der einflußreichste Führer der deutschen Philosophie, Immanuel Kant. Der jugendliche, wirklich kritische Kant war zu der Ueberzeugung gelangt, daß die drei Großmächte des Mysticismus

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Gott, Freiheit und Unsterblichkeit" - im Lichte der „reinen Vernunft" unhaltbar erschienen; der gealterte, dogmatische

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