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Methoden der Psychophysik.

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Psychophyfit. Ein kleiner Theil der Psychologie, welcher der erstrebten „erakten“ Untersuchung zugänglich erscheint, ist seit zwanzig Jahren mit großer Sorgfalt studirt und zum Range einer besonderen Disciplin erhoben worden unter der Bezeichnung Psychophysik. Die Begründer derselben, die Physiologen Theodor Fechner und Ernst Heinrich Weber in Leipzig, untersuchten zunächst genau die Abhängigkeit der Empfindungen von den äußeren, auf die Sinnesorgane wirkenden Reizen und besonders das quantitative Verhältniß zwischen Reizstärke und Empfindungs-Intensität. Sie fanden, daß zur Erregung einer Empfindung eine bestimmte minimale Reizstärke erforderlich ist (die „Reizschwelle“), und daß ein gegebener Reiz immer um einen gewissen Betrag (die „Unterschiedsschwelle“) geändert werden muß, ehe die Empfindung sich merklich verändert. Für die wichtigsten Sinnes-Empfindungen (Gesicht, Gehör, Druckempfindung) gilt das Geseß, daß ihre Aenderung derjenigen der Reizstärke proportional ist. Aus diesem empirischen Weber'schen Geset“ leitete Fechner durch mathematische Operationen sein „psychophysisches Grundgeseß“ ab, wonach die Empfindungs-Intensitäten in arithmetischer Progression wachsen sollen, hingegen die Reizstärken in geometrischer Progression. Indessen ist dieses Fechner'sche Gesez, ebenso wie andere psychophysische Geseze" mehrfach angegriffen und als „nicht erakt“ bezweifelt worden. Jedenfalls hat die moderne Psychophysik" die hohen Erwartungen, mit denen sie vor zwanzig Jahren begrüßt wurde, nicht entfernt erfüllt; das Gebiet ihrer möglichen Anwendung ist nur sehr beschränkt. Indessen hat sie principiell insofern hohen Werth, als dadurch die strenge Geltung physikalischer Geseze auf einem, wenn auch nur sehr kleinen Gebiete des sogenannten „GeistesLebens" dargethan wurde eine Geltung, welche von der materialistischen Psychologie schon längst für das ganze Gebiet des Seelenlebens principiell in Anspruch genommen war. Die

Haedel, Welträthiel.

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„erakte Methode" hat sich auch hier, wie auf vielen anderen Gebieten der Physiologie, als unzureichend und wenig fruchtbar erwiesen; sie ist zwar überall im Princip zu erstreben, aber leider in den meisten Fällen nicht anwendbar. Viel ergiebiger find die vergleichende und die genetische Methode.

Vergleichende Psychologie. Die auffällige Aehnlichkeit, welche im Seelenleben des Menschen und der höheren Thiere — besonders der nächstverwandten Säugethiere - besteht, ist eine altbekannte Thatsache. Die meisten Naturvölker machen noch heute zwischen beiden psychischen Erscheinungsreihen keinen wesentlichen Unterschied, wie schon die allgemein verbreiteten Thierfabeln, die alten Sagen und die Vorstellungen von der Seelenwanderung beweisen. Auch die meisten Philosophen des klassischen Alterthums waren davon überzeugt und entdeckten zwischen der menschlichen und thierischen Psyche keine wesentlichen qualitativen, sondern nur quantitative Unterschiede. Selbst Plato, der zuerst den fundamentalen Unterschied von Leib und Seele behauptete, ließ in seiner Seelenwanderung eine und dieselbe Seele (oder Idee") durch verschiedene Thier- und Menschen-Leiber hindurch wandern. Erst das Christenthum, welches den Unsterblichkeitsglauben auf's Engste mit dem Gottesglauben verknüpfte, führte die principielle Scheidung zwischen der unsterblichen Menschen-Seele und der sterblichen Thier-Seele durch. In der dualistischen Philosophie gelangte sie vor Allem durch den Einfluß von Descartes (1643) zur Geltung; er behauptete, daß nur der Mensch eine wahre „Seele“ und somit Empfindung und freien Willen besiße, daß hingegen die Thiere Automaten, Maschinen ohne Willen und Empfindung seien. Seitdem wurde von den meisten Psychologen namentlich auch von Kant das Seelenleben der Thiere ganz vernachlässigt und das psychologische Studium auf den Menschen beschränkt; die menschliche, meistens rein introspektive Psychologie entbehrte der befruchtenden

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Methoden der Thier-Psychologie.

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Vergleichung und blieb daher auf demselben niederen Standpunkt stehen, welchen die menschliche Morphologie einnahm, ehe sie Cuvier durch die Begründung der vergleichenden Anatomie zur Höhe einer „philosophischen Naturwissenschaft“ erhob.

Thier-Psychologie. Das wissenschaftliche Interesse für das Seelenleben der Thiere wurde erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts neu belebt, im Zusammenhang mit den Fortschritten der systematischen Zoologie und Physiologie. Besonders anregend wirkte die Schrift von Reimarus: Allgemeine Betrachtungen über die Triebe der Thiere (Hamburg 1760). Jn= dessen eine tiefere wissenschaftliche Erforschung wurde erst möglich durch die fundamentale Reform der Physiologie, welche wir dem großen Berliner Naturforscher Johannes Müller verdanken. Dieser geistvolle Biologe, das ganze Gebiet der organischen Natur, Morphologie und Physiologie gleichmäßig umfassend, führte zuerst die exakten Methoden der Beobachtung und des Versuchs im gesammten Gebiete der Physiologie durch und verknüpfte fie zugleich in genialer Weise mit den vergleichenden Methoden; er wendete dieselben ebenso auf das Seelenleben im weitesten Sinne an (auf Sprache, Sinne, Gehirnthätigkeit) wie auf alle übrigen Lebens-Erscheinungen. Das sechste Buch seines „Handbuchs der Physiologie des Menschen" (1840) handelt speciell Vom Seelenleben" und enthält auf 80 Seiten eine Fülle der wichtigsten psychologischen Betrachtungen.

In den letzten vierzig Jahren ist eine große Anzahl von Schriften über vergleichende Psychologie der Thiere erschienen, großentheils veranlaßt durch den mächtigen Anstoß, welchen 1859 Charles Darwin durch sein Werk über den Ursprung der Arten gab, und durch die Einführung der EntwickelungsTheorie in das psychologische Gebiet. Einige der wichtigsten dieser Schriften verdanken wir Romanes und J. Lubboc in England, W. Wundt, L. Büchner, G. Schneider,

Friz Schulze und Karl Groos in Deutschland, Alfred Espinas und E. Jourdan in Frankreich, Tito Vignoli in Italien. (Ich habe die Titel von einigen der bedeutendsten Werke auf der Rückseite der Kapitel-Vorblätter angeführt.)

In Deutschland gilt gegenwärtig als einer der bedeutendsten Psychologen Wilhelm Wundt in Leipzig; er besigt vor den meisten anderen Philosophen den unschäßbaren Vorzug einer gründlichen zoologischen, anatomischen und physiologischen Bildung. Früher Assistent und Schüler von Helm holz, hatte sich Wundt frühzeitig daran gewöhnt, die Grundgeseze der Physik und Chemie im gesammten Gebiete der Physiologie geltend zu machen, also auch im Sinne von Johannes Müller in der Psychologie, als einem Theilgebiete der leßteren. Von diesen Gesichtspunkten geleitet, veröffentlichte Wundt 1863 seine werthvollen „Vorlesungen über die Menschen- und Thier-Seele". Er liefert darin, wie er selbst in der Vorrede sagt, den Nachweis, wie der Schauplaß der wichtigsten Seelen-Vorgänge in der unbewußten Seele liegt, und er eröffnet uns „einen Einblick in jenen Mechanismus, der im unbewußten Hintergrund der Seele die Anregungen verarbeitet, die aus den äußeren Eindrücken stammen". Was mir aber besonders wichtig und werthvoll an Wundt's Werk erscheint, ist, daß er „hier zum ersten Male das Geseß der Erhaltung der Kraft auf das psychische Gebiet ausdehnt und dabei eine Reihe von Thatsachen der Elektrophysiologie zur Beweisführung benußt“ (l. c. p. VIII).

Dreißig Jahre später veröffentlichte Wundt (1892) eine zweite, wesentlich verkürzte und gänzlich umgearbeitete Auflage seiner „Vorlesungen über die Menschen- und Thier-Seele". Die wichtigsten Principien der ersten Auflage sind in dieser zweiten völlig aufgegeben, und der monistische Standpunkt der ersteren ist mit einem rein dualistischen vertauscht. Wundt selbst

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Psychophysischer Parallelismus.

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sagt in der Vorrede zur zweiten Auflage, daß er sich erst allmählich von den fundamentalen Irrthümern der ersten befreit habe, und daß er diese Arbeit schon seit Jahren als eine Jugendfünde betrachten lernte"; sie lastete auf ihm als eine Art Schuld, der er, so gut es gehen mochte, ledig zu werden wünschte". In der That sind die wichtigsten Grundanschauungen der Seelenlehre in den beiden Auflagen von Wundt's weit verbreiteten Vorlesungen" völlig entgegengesezte; in der ersten Auflage rein monistisch und materialistisch, in der zweiten Auflage rein dualistisch und spiritualistisch. Dort wird die Psychologie als Naturwissenschaft behandelt, nach denselben Grundsäßen wie die gesammte Physiologie, von der sie nur ein Theil ist; dreißig Jahre später ist für ihn die Seelenlehre eine reine Geisteswissenschaft geworden, deren Principien und Objekte von denjenigen der Naturwissenschaft völlig verschieden sind. Den schärfsten Ausdruck findet diese Bekehrung in seinem Princip des psychophysischen Parallelismus, wonach zwar jedem psychischen Geschehen irgend welche physische Vorgänge entsprechen", beide aber völlig unabhängig von einander sind und nicht in natürlichem Kausal-Zusammenhang stehen. Dieser vollkommene Dualismus von Leib und Seele, von Natur und Geist hat begreiflicher Weise den lebhaften Beifall der herrschenden SchulPhilosophie gefunden und wird von ihr als ein bedeutungsvoller Fortschritt gepriesen, um so mehr, als er von einem angesehenen Naturforscher bekannt wird, der früher die entgegengeseßten Anschauungen unseres modernen Monismus vertrat. Da ich selbst auf diesem leßteren, beschränkten" Standpunkt seit mehr als vierzig Jahren stehe und mich troß aller bestgemeinten Anstrengungen nicht von ihm habe losmachen können, muß ich natürlich die Jugendfünden" des jungen Physiologen Wundt für die richtige Natur - Erkenntniß halten und sie gegen die

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