Wilhelm Meister. Weimar, 1783. Die Lieder des Harfners. Wer I. nie sein Brod mit Thränen ass, Wer nie die kummervollen Nächte Auf seinem Bette weinend sass, Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte! Ihr führt ins Leben uns hinein, Ihr lasst den Armen schuldig werden, Denn alle Schuld rächt sich auf Erden. Ihm färbt der Morgensonne Licht Den reinen Horizont mit Flammen, Und über seinem schuldgen Haupte bricht Das schöne Bild der ganzen Welt zusammen! Wilhelm Meister. Weimar, 1783. II. Wer sich der Einsamkeit ergiebt, Ach, der ist bald allein! Ein jeder lebt, ein jeder liebt Und lässt ihn seiner Pein. Ja, lasst mich meiner Qual! Und kann ich nur einmal Recht einsam sein, Dann bin ich nicht allein. Es schleicht ein Liebender lauschend sacht, Ob seine Freundin allein So überschleicht bei Tag und Nacht Mich Einsamen die Pein, Mich Einsamen die Qual. Wilhelm Meister. Weimar, 1784. Mignon. I. Nur wer die Sehnsucht kennt, Weiss, was ich leide. Allein und abgetrennt Von aller Freude, Seh ich ans Firmament Nach jener Seite, Ach, der mich liebt und kennt, Ist in der Weite. Es schwindelt mir, es brennt Mein Eingeweide Nur wer die Sehnsucht kennt, Wilhelm Meister. Weimar, 1784. Kennst II. st du das Land, wo die Citronen blühn, Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn, Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht? Kennst du es wohl? Dahin! Dahin Möcht ich mit dir, o mein Gebieter, ziehn. Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach, Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach, Und Marmorbilder stehn und sehn mich an: >>Was hat man dir, du armes Kind, gethan?« Kennst du es wohl? Dahin! Dahin Möcht ich mit dir, o mein Gebieter, ziehn. Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg? Das Maulthier sucht im Nebel seinen Weg, In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut Es stürzt der Fels und über ihn die Fluth. Kennst du ihn wohl? Dahin! Dahin Geht unser Weg! Gebieter, lass uns ziehn! |