Brief an Cornelie, Leipzig, 15. Mai 1767.
Obgleich kein Gruss, obgleich kein Brief
So lang dir kommt, lass keinen Zweifel doch Ins Herz, als wär die Zärtlichkeit des Sohns, Die ich dir schuldig bin, aus meiner Brust Entwichen. Nein, so wenig als der Fels, Der tief im Fluss vor ewgem Anker liegt, Aus seiner Stätte weicht, obgleich die Fluth Mit stürmschen Wellen bald, mit sanften bald Darüber fliesst und ihn dem Aug entreisst So wenig weicht die Zärtlichkeit für dich Aus meiner Brust, obgleich des Lebens Strom, Vom Schmerz gepeitscht, bald stürmend drüber fliesst
Und, von der Freude bald gestreichelt, still Sie deckt und sie verhindert, dass sie nicht Ihr Haupt der Sonne zeigt und ringsumher Zurückgeworfne Strahlen trägt und dir
Bei jedem Blicke zeigt, wie dich dein Sohn verehrt.
Hartleben, Goethe-Brevier.
An den Schlaf.
Der du mit deinem Mohne Der Götter Augen zwingst Und Bettler oft zum Throne, Zum Mädchen Schäfer bringst, Hör mich, kein Traumgespinste Verlang ich heut von dir, Den grössten deiner Dienste, Geliebter, leiste mir.
An meines Mädchens Seite Sitz ich, ihr Aug spricht Lust. Und unter neidscher Seide Steigt fühlbar ihre Brust;
Oft wären sie zu küssen Die giergen Lippen nah,
Doch ach, dies muss ich missen,
Es sitzt die Mutter da.
Heut Abend bin ich wieder
Bei ihr, o tritt herein!
Sprüh Mohn von dem Gefieder, Da schlaf die Mutter ein; Blass werd der Lichter Scheinen, Von Lieb mein Mädchen warm,
Sink wie Mama in deinen,
Ganz still in meinen Arm.
Einst ging ich meinem Mädchen nach
Tief in den Wald hinein
Und fiel ihr um den Hals, und »Ach!< Droht sie, »ich werde schrein.<
Da rief ich trotzig: »Ha! Ich will
Den tödten, der uns stört! <<
>> Still, lispelt sie, »Geliebter, still, Dass ja dich niemand hört!«
Brief an Behrisch, Leipzig, October 1767.
Hochzeitslied.
An meinen Freund.
Im Schlafgemach, entfernt vom Feste, Sitzt Amor dir getreu und bebt, Dass nicht die List muthwillger Gäste Des Brautbetts Frieden untergräbt.
Es blinkt mit mystisch heilgem Schimmer Vor ihm der Flammen blasses Gold; Ein Weihrauchswirbel füllt das Zimmer, Damit ihr recht geniessen sollt.
Wie schlägt dein Herz beim Schlag der Stunde, Der deiner Gäste Lärm verjagt!
Wie glühst du nach dem schönen Munde, Der bald verstummt und nichts versagt! Du eilst, um alles zu vollenden, Mit ihr ins Heiligthum hinein;
Das Feuer in des Wächters Händen Wird wie ein Nachtlicht still und klein.
Wie bebt von deiner Küsse Menge Ihr Busen und ihr voll Gesicht! Zum Zittern wird nun ihre Strenge: Denn deine Kühnheit wird zur Pflicht. Schnell hilft dir Amor sie entkleiden Und ist nicht halb so schnell als du Dann hält er schalkhaft und bescheiden Sich fest die beiden Augen zu.
Gern verlass ich diese Hütte, Meiner Liebsten Aufenthalt,
Wandle mit verhülltem Tritte Durch den ausgestorbnen Wald: Luna bricht die Nacht der Eichen, Zephyrs melden ihren Lauf, Und die Birken streun mit Neigen Ihr den süssten Weihrauch auf.
Schauer, der das Herze fühlen, Der die Seele schmelzen macht, Flüstert durchs Gebüsch im Kühlen Welche schöne, süsse Nacht! Freude! Wollust! Kaum zu fassen! Und doch wollt ich, Himmel, dir Tausend solcher Nächte lassen, Gäb mein Mädchen Eine mir!
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