Leipzig, Sommer 1768. Das Glück. An Käthchen Schönkopf, Du hast uns oft im Traum gesehen Zusammen zum Altare gehen, Und dich als Frau und mich als Mann. Oft nahm ich wachend deinem Munde In einer unbewachten Stunde, So viel man Küsse nehmen kann. Das reinste Glück, das wir empfunden, Die Wollust mancher reichen Stunden Floh wie die Zeit mit dem Genuss. Leipzig, Spätsommer 1768. Unbeständigkeit. Im spielenden Bache da lieg ich wie helle! Verbreite die Arme der kommenden Welle, Und buhlerisch drückt sie die sehnende Brust; Dann trägt sie ihr Leichtsinn im Strome danieder, Schon naht sich die zweite und streichelt mich wieder: Da fühl ich die Freuden der wechselnden Lust. O Jüngling sei weise, verwein nicht vergebens An Friederike Oeser An Friederike Oeser. Frankfurt, am 6. November 1768. Mamsell! So launisch wie ein Kind, das zahnt, Bald schüchtern wie ein Kaufmann, den man mahnt, Bald still wie ein Hypochondrist Und sittig wie ein Mennonist Und folgsam wie ein gutes Lamm, Bald lustig wie ein Bräutigam, Leb ich und bin halb krank und halb ge sund, Am ganzen Leibe wohl, nur in dem Halse wund, Sehr missvergnügt, dass meine Lunge Nicht so viel Athem reicht, als meine Zunge Zu manchen Zeiten braucht, wenn sie mit Stolz erzählt, Was ich bei euch gehabt, und was mir jetzt hier fehlt. Da sucht man nun mit Macht mir neues Leben Und neuen Muth und neue Kraft zu geben; nach der Rückkehr aus Leipzig. Drum reichet mir mein Doctor Medicinae Die junger Herrn erschlaffte Nerven Aufs Neue stärken, den Verstand Besonders ist er drauf bedacht, >> Bei Tag und sonderlich bei Nacht Nur an nichts Reizendes gedacht!<< Welch ein Befehl für einen Zeichnergeist, Den jeder Reiz bis zum Entzücken reisst! Des Bouchers Mädchen nimmt er mir Aus meiner Stube, hängt dafür Mir eine abgelebte Frau Mit riefigem Gesicht, mit halbzerbrochnem Zahne, Vom fleissig kalten Gerhard Dow An meine Wand; langweilige Tisane O, sage du! Kann man was Traurigers erfahren: An Friederike Oeser Das giebt so melancholsche Laune, Und ihre Pein Würd ich nicht los, und hätt ich sechs Al raune. Was nützte mir der ganzen Erde Geld? Und dennoch wollt ich gar nicht klagen, (Denn ich bin schon im Leiden sehr geübt), Hätt ich nur das, was uns die Plagen, Die Last der Krankheit zu ertragen, Mehr Kraft als selbst die Tugend giebt: Verkürzung grauer Regenstunden, Balsamsches Pflaster aller Wunden, Gesellschaftsgeister, die man liebt! Zwar hab ich hier an meiner Seite Die mit mir leiden, wenn ich leide. Es fehlt mir nur an mir, um recht beglückt zu sein; Und dennoch kenn ich niemand, der die Pein Des Schmerzens so behende stillt, die Ruh Mit Einem Blick der Seele schenkt wie du. Ich kam zu dir, ein Todter aus dem Grabe, Den bald ein zweiter Tod zum zweiten Mal begräbt; |