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Karmaten in Mekka selbst und entführten den Schwarzen Stein, den sie bis 951 verborgen hielten, dann aber an seine Stelle zurückbrachten, wie es heißt, auf Befehl des damals regierenden Fatimiden. Ihre Tätigkeit, die besonders ins 10. Jahrh. fällt, war wesentlich destruktiv. Schließlich gerieten sie auch mit den Fatimiden in Streit, und in den Anfängen des 11. Jahrh. verloren sie alle Bedeutung.

Ein Chalife aus dem Hause der Fatimiden, Hakim (996—1021), über dessen wahren Charakter die Ansichten weit auseinandergehen, wurde 1017 von seinem türkischen Anhänger Ad-Darazî zu einer Inkarnation des göttlichen Geistes proklamiert. Als der hierdurch erweckte Aerger Darazî nötigte, Aegypten zu verlassen, verkündigte er seine Lehre mit mehr Erfolg unter den Isma'iliten des südlichen Libanon, die seitdem nach ihm Druzen genannt werden und dem Hakim göttliche Ehre erweisen. Die Druzen werden aber nicht mehr als eine zum Islam gehörende Sekte betrachtet. In den letzten Jahren des Fatimidenchalifats wandten die Isma'iliten, die ihre Tätigkeit im Osten unterbrochen hatten, ihre Aufmerksamkeit wieder Syrien und Persien zu. Sie gründeten dort den Assassinenorden, der als politisch-religiöse Verschwörung den späteren Abbasiden viel zu schaffen machte; ihr Großmeister hatte seit 1090 seinen festen Sitz in Alamut. Zu diesem und manchen anderen, das Chalifat zersetzenden Faktoren kam nun um die Mitte des 13. Jahrh. der Mongolensturm hinzu: im Jahre 1258 erlag Bagdad dem Anprall Hulagu's, der die Abbasidenfamilie ebenso gründlich auszurotten versuchte, wie diese vor 5 Jahrhunderten der Vernichtung der Umajjaden nachgestrebt hatte. Es gelang nur wenigen Mitgliedern des regierenden Hauses, dem Blutbad zu entkommen.

Mit dem Fall Bagdads ging die Reihe der Träger der glorreichsten, mit der Blüte des islamischen Reichs verbundenen Erinnerungen zu Ende. Wirkliche Chalifen waren sie schon längst nicht mehr gewesen, denn abgesehen von der theologischen Idealisierung des Zeitalters der ersten vier Chalifen, die das wahre Chalifat auf die vier beschränkt, konnte doch der Nachfolger des Propheten nur so lange seine Aufgabe gut oder schlecht erfüllen, als die Theokratie eine politische Einheit bildete. Die religiöse Weiterentwicklung des Islam hatte sich schon ein Vierteljahrhundert nach Muhammads Tod dem Einfluß der Chalifen entzogen. Seit dem Anfang der Abbasidenherrschaft machte sich immer mehr auch das politische Leben des Islam von den Erben des Chalifentitels unabhängig. Auf die Masse übte indessen das Symbol auch weiterhin eine mächtige Wirkung aus, die dadurch noch erhöht wurde, daß die Schriftgelehrten an der ideellen Einheit der Gemeinde festhielten und die geschichtliche Auflösung als dem göttlichen Gesetz zuwiderlaufende Ausartung hinstellten. So begreift es sich, daß ein dem Massenmord entlaufener Abbaside, der nach Aegypten kam, von den damals dort regierenden Mamluken freundlich aufgenommen, förmlich als Chalife eingesetzt und als vornehmes Ornament jener wenig

aristokratischen Soldatendynastie geschätzt wurde. Natürlich hatten diese ägyptischen Abbasiden, die einem muslimischen Chronisten zufolge nicht einmal wie ihre bagdadischen Vorfahren den Schein, sondern bloß noch den Namen des Chalifats besaßen, auf die weiteren Schicksale des Islam in keiner Richtung auch nur den geringsten Einfluß. Der Name ist diesem Zweige der Abbasiden geblieben, sogar nachdem der türkische Sultan Selim 1517 Aegypten erobert hatte, und als der letzte dieser Karikaturchalifen 1543 starb, beeilten sich die Osmanen keineswegs, sich seinen Titel anzueignen.

So tief war der Titel an Wert herabgesunken, daß allenthalben Lobhudler und Hofpoeten ihn den Objekten ihrer Schmeichelei beilegten, und daß auch gänzlich unbedeutende Fürsten von Ländern, die durch Handel und Kolonisierung für den Islam gewonnen waren, sich ohne Anstand Chalifen des Herrn der Welten nannten.

Daß wir in dieser kurzen Uebersicht der Geschichte der islamischen Religion der politischen Geschichte einen verhältnismäßig so großen Platz einräumten, hat seinen Grund darin, daß der Islam als politische Religion in die Welt getreten ist und dieser Verbindung von zwei prinzipiell unvereinbaren Faktoren seine universelle Bedeutung zu verdanken hat. Darum ging denn auch im Islam jedes wirkliche Schisma auf politische Differenzen zurück und war fast jede semper et ubique als Häresie verdammte Ansicht eine politische.

Der Islam hat sich von jeher durch seinen katholischen Instinkt ausgezeichnet. Seine geistigen Vertreter haben sich individuell und gruppenweise heftig bekämpft, verketzert und sogar des Unglaubens beschuldigt, aber sobald die Hitze der Leidenschaften sich gelegt hatte, kam man immer wieder zur gegenseitigen Anerkennung und nie zur Exkommunizierung. Dazu fehlte ja auch die hierarchische Organisation; die Gemeinde war nur politisch organisiert, und die Staatshäupter verpönten in der Regel nur staatsgefährliche Ketzereien. Hätten die Charidschiten sich auf die Erörterung des Verhältnisses von Glauben und Werken beschränkt oder ihre Ansichten über die Requisiten des wahren Chalifen bloß theoretisch dargelegt, so wären sie als eine rigoristische Richtung geduldet worden. Die Kritik der politischen Institute von seiten der orthodoxen Schriftgelehrten gibt der charidschitischen an Schärfe nichts nach, und über die Frage, inwiefern Glaube ohne Werke möglich sei, haben auch die orthodoxen Autoritäten sich nie geeinigt. Da die Charidschiten sich aber aktiv der herrschenden Staatsgewalt entgegensetzten, wurde ihre Lehre zur Häresie. Jetzt, wo die gewaltsame Opposition der Charidschiten zur grauen Vergangenheit gehört, werden sie z. B. bei der Wallfahrt in Mekka als Glaubensbrüder herzlich bewillkommnet.

Nicht anders ging es der Schi'ah. Nachdem die Isma'iliten durch den Mongolensturm das Objekt ihrer Anschläge verloren hatten, beschränkten

sie sich auf ihre Geheimlehre, die übrigens in der theosophischen Enzyklopädie eines Bundes der,,Getreuen" in Basra systematisch behandelt worden war. Die Orthodoxen fanden weiter keinen Anlaß, sie zu verfolgen, obgleich ihre esoterischen, den traditionellen Islam durch allegorische Interpretation ganz beiseite schiebenden Theorien in weiten Kreisen Mißbilligung fanden. In den Systemen der späteren Mystiker wurden jene,,bâținitischen" Lehren gutenteils verarbeitet, bald hinter unverdächtigen Formeln verborgen, bald ziemlich unverfroren ausgedrückt. Wie weit die Nachsicht der Gesamtheit gegen Ketzerei, der die politische Spitze abgebrochen ist, wohl gehen kann, zeigt in unseren Tagen das Beispiel eines Agha Chan, des Hauptes einer isma'ilitischen Gemeinschaft in Indien, der bei mancher Gelegenheit als Wortführer der ganzen Islamwelt auftrat. Daß er sich mit Vorliebe in europäischen Kreisen bewegt und Artikel in englischen Zeitschriften veröffentlicht, verhindert seine Verehrer nicht, ihn zu vergöttern.

Die,,Zwölfer" waren weder Bâtiniten noch organisierten sie sich wie die Isma'iliten zum Angriff auf das Chalifat. Bei der Neugestaltung der muslimischen Reiche Westasiens nach dem Mongolensturm wurde diese Form der Schi'ah aber zur Staatsreligion von Persien unter den Șefewiden (1499-1736) sowie unter der diesen nachfolgenden afghanischen Dynastie. Der jahrhundertelang fast nimmer ruhende Krieg zwischen diesen Fürsten Persiens und den Osmanen der Türkei verschärfte den Gegensatz zwischen Sunniten und Schi'iten bis zum heftigsten Fanatismus. Jetzt, wo dieser politische Kampf aufgehört hat, während alle Islambekenner der Außenwelt gegenüber das Bedürfnis nach Anschluß fühlen, nähern sich die persischen Zwölfer und die türkischen Hanafiten als Religions- und Kulturgenossen und stellen manche Leiter auf beiden Seiten die Lehrunterschiede als nebensächlich dar.

Eine neue, auf der Grundlage der Zwölferlehre mit isma'ilitischen Beimischungen aufgebaute Abart der Schi'ah entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrh., als Mîrza Muhammad Ali aus Schiraz sich genau 1000 Jahre nach dem Verschwinden des zwölften Imam, zum bâb d. h. zur Pforte erklärte, durch welche der unsichtbare Imam Offenbarungen erließ. In seinem Buche „bajân“ (Erklärung) blieben vom Islam nur formelle Elemente übrig; wesentlich war der Babismus eine moderne Universalreligion. Da der Person des Gründers dabei eine Rolle zuerkannt wurde, die sich mit der Autorität des regierenden Schahs von Persien schlecht vertrug, war eine Verfolgung unvermeidlich. Der bab wurde 1850 hingerichtet; seine Gefolgsmänner wichen nach türkischem Gebiete aus. Die Nachfolger des bab entzweiten sich, aber die fortschrittliche Richtung der Behâ'iten nahm überhand und machte sogar in Europa und Amerika eine nicht ganz erfolglose Propaganda. Ebenso wie bei den Druzen, befindet man sich mit dieser kleinen Sekte abermals außerhalb des eigentlichen Islam.

Mehr noch als Persien war Indien, seitdem der Islam dort seinen Einzug hielt, das Gebiet synkretistischer Versuche; hier waren Islam, Hinduismus und Parsismus genötigt, sich miteinander zu vertragen. Hier konnte im 16. Jahrh. der muslimische Großfürst Akbar seine über alle Bekenntnisse erhobene Universalreligion verkündigen, die jedoch seinen Tod nicht überdauert hat. Fast jede erdenkliche Art von Zusammenschmelzung des populären Aberglaubens, der Menschenvergötterung und der Philosophie ist hier vertreten. Bis in die Neuzeit hinein sieht man in diesem bunten Völkergebiete Sekten erstehen. In den achtziger Jahren des 19. Jahrh. trat in Kashmir Mîrza Ghulâm Ahmad als mahdî und zugleich als Vertreter Jesu auf, dessen Grab er in der Nähe von Kashmir entdeckt zu haben glaubte. Seine Sekte, die Ahmadijjah, die nicht ganz 100 000 Anhänger zählt, hält an dem Quran fest, verlangt die Befolgung der Ritualvorschriften des Islam, stellt aber mit besonderem Nachdruck hohe ethische Anforderungen, ist jeder politischen Tätigkeit gründlich abgeneigt, treibt dagegen für den Islam eifrig Mission nach Osten wie nach Westen. Merkwürdig ist es wieder, daß auch diese unpolitische Ketzerei trotz ihrem willkürlichen Eklektizismus und ihren seltsamen Neuerungen nicht ausgestoßen worden ist.

Hiermit können wir unsere Uebersicht der Sektenspaltungen, die in den Abschnitten über das Gesetz und die Dogmatik noch mit ein paar Daten vermehrt werden soll, aber die auch so nicht auf Vollständigkeit ausgehen kann, beschließen. Einer Ueberlieferung zufolge sagte Muhammad, seine Gemeinde werde sich in 73 Sekten spalten, während die Juden deren 71, die Christen 72 haben. Er soll hinzugefügt haben, nur eine davon werde der ewigen Verdammnis entgehen; nach einer andern Lesart werde nur eine der Hölle anheimfallen, die anderen aber selig werden. Man könnte fast glauben, die Praxis der muslimischen Gemeinde habe letztere Lesart zum Ausgangspunkt genommen, denn tatsächlich ist der Islam im Laufe der Zeit der Ausschließung von Personen oder Gruppen wegen Lehrunterschiede immer mehr abgeneigt geworden.

Ueber das Chalifat in den letzten drei bis vier Jahrhunderten ist dem oben Gesagten noch ein Weniges hinzuzufügen. Die Sultane der Türkei wären durch ihre Machtstellung zum Führen des Chalifentitels alleinberechtigt gewesen, wenn nicht ihre Abstammung Bedenken erregt hätte. Das Institut des Chalifats hat seine definitive Form erhalten zu einer Zeit, wo das islamische Weltreich noch im vollen Sinne arabisch war, und von den charidschitischen Ketzern abgesehen, hätte damals alle Welt einen nicht-arabischen Chalifen als ein Unding betrachtet. Der Gedanke, daß allenfalls auch Nicht- Quraischiten auf den Chalifenthron erhoben werden könnten, mag hie und da erörtert worden sein; die herrschende Ansicht fand ihren Ausdruck in dem Muhammad zugeschriebenen Satz: „Die Imame sind aus Quraisch." Dieses Schulpostulat war der wirklichen Ge

schichte entnommen: Von 632-1258, oder, wenn man die ägyptischen Namenchalifen mitzählt, bis 1543, waren alle Chalifen aus dem Stamme Quraisch. Trotzdem hat die echt-muslimische Ehrfurcht vor Tatsachen die späteren Schriftgelehrten so beeinflußt, daß sie die Theorie aufstellten, die Machtmittel, über welche ein Fürst verfüge, könnten den Adel der Abstammung ersetzen; der Osmanensultan dürfe also als Chalife anerkannt werden, solange nicht ein anderer als ihm überlegen hervorgetreten sei.

So durften die Osmanen unbeanstandet ihren zahlreichen klangvollen Titeln den des Chalifen hinzufügen, und es kam wirklich so weit, daß ein großer Teil der muslimischen Welt sich daran gewöhnte, die Verbindung dieser Würde mit der des Sultans von Stambul ebenso natürlich zu finden, als frühere Generationen die Besetzung des Chalifenthrones mit einem Abbasiden gefunden hatten. Große Wichtigkeit wurde der Frage übrigens nicht beigemessen. Dies änderte sich beim beginnenden Verfall des türkischen Reiches. In der europäischen Diplomatie wurde ziemlich allgemein geglaubt, das Chalifat sei eine mit dem Papsttum vergleichbare Würde. Als nun gegen Ende des 18. Jahrh. die Türkei sich genötigt sah, Gebiete mit muhammedanischer Bevölkerung an nicht-muhammedanische Mächte abzutreten, da kam der Irrtum der europäischen Diplomatie der türkischen Regierung in willkommener Weise entgegen bei der Lösung einer großen Schwierigkeit. Der Islamwelt gegenüber war die Bewilligung einer Friedensbedingung der erwähnten Art eigentlich eine unduldbare Schmach. Falls nun aber die andere Partei die ungestörte Fortdauer der Autorität des Chalifats über die faktisch verlorenen Provinzen anerkannte, so wurde es möglich, die Aenderung theoretisch als eine zeitweilige Konzession darzustellen, denn nach muslimischer Auffassung schloß eine solche Formel nichts weniger als die Anerkennung der Souveränität des Sultans in sich. Den europäischen Mächten hingegen, welche die Chalifatsfrage als eine kirchliche verstanden, schien die Klausel eben deswegen nicht anstößig. So wurde das Chalifat ein Mittel zur Ermöglichung zweideutiger Verträge, die jede Partei in eigener Weise interpretierte.

Im 19. Jahrh. leistete der bezeichnete Irrtum noch andere Dienste. Die Majorität der Muslime wird von nicht-muslimischen Mächten verwaltet. Der jüngsten Abschätzung zufolge (,,Annuaire du monde musulman“, in Revue du Monde Musulman LIII, p. 353) soll sich die Gesamtzahl der Muslime im Jahre 1923 auf 227 107 500 belaufen haben. Vor jenem Jahre hatte man sich schon gewöhnt, von 300 Millionen zu sprechen, und es gab muslimische Schriftsteller, die auch diese Zahl zu niedrig fanden und nicht mit weniger als 400 Millionen zufrieden waren. Wie dem auch sei, die unter einer unabhängigen muslimischen Regierung lebenden Muhammedaner betragen vom Ganzen kaum 10%. Die ungelehrte Masse denkt sich, sofern sie sich für politische Fragen interessiert, den Chalifen des Islam immer noch als den Beherrscher der Erde und legt sich die wirklichen Verhältnisse

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