ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Inotet, daß die wenigen Gesetzten, Ruhigen, die noch dageblieben, den Ausgang suchten, hinter sich zu lassen den Venusberg. Sie waren neunmal nun gesiebt dort oben, die Kinder der Freude. Inzwischen verschwamm die Wolkenschrift am Turm, wie wenn ein Gegenstand dem Glase zu nahe kommt. Finstere Schwaden strichen dicht über den Venusberg. In der Ferne zudte greller Schein. Der Donner rollte, übertönt vom Toben der Riesenorchestrions, vom Schmettern, Tuten, Blasen der Orchester. Der Wind stieß wild vom Meer, wo beim grellen Phosphorleuchten der Himmel helle Wogenköpfe blikten. Rund über die Riesenebene rückten die Gewitter an, wie gegen einen Feind, einkreisend den Venusberg. In dessen Kabaretten saßen Damen in ausgeschnittenen Kleidern, befracte Herren, die Armut und Verbrechen nicht mit der Feuerzange anfassen mochten, und sahen gekitzelt Tänzen zu von schweren Jungens, Leichenfledderern, Apachen, Zuhälterpad und Urning. Im Tanzsaal schwankte im Wackeltanz der Boden, wie ein Schiffsverdeck bei Sturm auf hoher See. In stillen Gängen war keine stille Bank mehr leer. Kein Neuer kam hinzu. Die Aufzüge standen. Was aus der Riesenstadt hinausgedrängt, reif zum Venusberg, schien dort versammelt, wie in der Arche Noah. Die Sintflut mochte kommen.

Da plötzlich fuhr ein Bliz vom Himmel, daß

die Chauffeure, unten wartend in der Dunkelheit, die Augen mit der Hand bedeckten. Donner krachten, daß die Erde bebte, die Menschen auffuhren aus jähem Taumel. Im Kino verblaßte der Reigen liebestoller Mädchen. Taghell ward es. Eine Flamme schlug bis ans Dach. Jäh beleuchtet sah man Menschen, Arm in Arm. Hände fuhren schnell aus Kleidern. Verglaste Augen blickten starr sich um. Grell schrie einer:,,Feuer!"

Alle Lichter loschen aus. Im Tanzsaal hielten Tausende von Paaren inne. Gott, war die Dunkelpause lang! Es klang von Küssen wie ein Prasseln empor zur Decke. Doch es ward nicht hell. Im Kabarette flangen des süßen Bohêmedichters zarte Liebesliedertöne länger, ungewisser, wie ein Grammophon, das abläuft. An den Schießbuden sanken die Gewehre. Schlittschuhe schliffen nicht mehr, klapperten auf Holz.

,,Feuer!" brüllte ein Stiernaden, der Ringerkönig, und stürzte von der Bühne. Was er im Dunkel traf, schlug er beiseite. Rechts und links sanken Opfer. Andere schossen darüber hin. Ein Tritt des Gewaltigen warf neue dazu. „Feuer!" brüllte er und streďte nieder, was vor ihm stand. Andere kämpften mit ihm in der Finsternis. Rasten zum Ausgang. Irrten. Schlugen nieder. Stürzten, von Drängenden geschoben. Die Menschen lagen wie hingemäht. Immer neue flogen. Über die Gefallenen stiegen letzte wie über Trep

pen. Berge häuften sich. Jammern, Wimmern, Schreien, Keuchen, Brüllen, Trampeln einer toll gewordenen Menge.

An den Aufzügen stand einer, den Browning in der Hand, wie der Kapitän am Rettungsboot, mit dem Tod bedrohend jeden, der herankam. Ein Schuß! Ein zweiter! über Menschenhaufen, in wildem Gliederzucken am Boden, manche schon regungslos, sprang der Ringer, im Trikot, mit seinen Riesenfäusten, die alle stärksten Männer der Welt in den Staub gestreckt, schlug er den Feind, der ihm den letzten Weg zum Leben wehren wollte, nieder mit einem Hiebe, daß er wie ein Hase sich dreimal überschlug. Trat aber fehl in der Wucht des Schlages. Zwischen den Aufzügen verschwand er lautlos in der Tiefe, von Nachdrängenden gestoßen. Ein Beamter rief: ,,Der Strom ist unterbrochen!" Sie standen bombenstill. Troßdem: in wenigen Sekunden waren sie gefüllt. Unter Riesenlast von tausend Menschen rissen alle Seile. Brüllend stürzten welche hinab. Der Menschenstrom, als käme eine Muhr gebraust, flog drüber weg. Durch die Gewalt des Schubes knickten Eisenstangen wie Holz. Die Menschlein schütteten hinaus ins Leere. Die Dächer der Kassen unten krachten ein von Leibern, die darauf gestürzt.

Brachen oben Häuser zusammen? Flogen Ziegelsteine nieder? Nein, Menschen! Voll Ent

setzen stoben unten wartende Chauffeure auseinander, nicht erschlagen zu sein.

Oben durch die Gänge rasten Menschenmassen: ,Feuer! Feuer! Einer schrie beruhigend: Unsinn! Das Licht ist aus! Aus den Buden, den Lokalen kamen sie gestürzt:,Was ist ? Welche wollten es nicht glauben, nein, wollten nicht: Es ist nicht wahr!',Wo brennt's? Hell ward es, aber nicht vom Licht. Feuer. Heißer Atem wehte, augenbeizender Qualm, sengender Rauch. Plötzlich schossen Flammen haushoch empor vom Kino. Als verteilten Keime eine Seuche über Stadt und Land, stiegen brennende Leinwandfeßen, Filmbänder, glühende Sparren wehten, flogen, fielen, blieben hängen, schwelten, zündeten, rastlos. Feuerwolken leckten, peitschten wie Hochofenschwalm durch Zug und Gegenzug hinein in leichte Budengassen. Das Laub der Bäume rollte sich wie unter Raupenfraß, Äste fingen an zu sengen, brachen, stürzten. Feuer! Feuer! Man suchte Notausgänge. Berge von Zertrampelten lagen dort, als wenn ein Felssturz einen Paß gesperrt. Sie grinsten da, zerfleischt, erstict, entstellt, vom Feuer unberührt, gefällt von Rückkehr zu tierischen Instinkten ihrer eigenen Lebewesengattung. Die noch atmeten, brüllten, rannten, irrten: schmuckbehangene Weiber, Arbeiter in blauen Blusen, halbnadte Frauenzimmer vom Ballett, ein König, der Harlekin, füße Mädel, plöglich alt, verlebt

Georg Freiherr von Ompteda, Der Venusberg. 19

vor Angst und Grauen. Alle schrieen, wo's hinaus, hinunter ginge? Keiner gab Antwort, doch die Menge wußte es in Massenübertragung, und plötzlich stürmte alles fort — nur nach der falschen Seite. Welche aber, ein anderer Strom fand den Weg. Sie rangen miteinander um den Ausgang. Statt selig In-den-Armen-Liegen: Faustschlag, statt trunkenem Liebestaumel: Feindeswut. Denn jeder war dem andern Feind. Man schrie nach Wasser, nach der Feuerwehr, der Polizei. Die lag längst erschlagen. Hydranten? In der Dunkelheit fand sie kein Mensch. Tote bedeckten sie mit ihren Leibern. Feuerwehr lief im Kreise wie im Nebel. Wo sie aber an den Röhren stand in Schlauchleitung gedoppelt, spieen ungeheure Wassermengen hinaus ins Feuer, sofort verdampft, wie auf rotem Herd ein Wassertropfen. Und plöklich endete der Strahl, kraftlos, in den erschrockenen Händen. Waren die Vorräte erschöpft, das Hauptrohr geborsten? Die Gesichter brannten, Wollstoff der Kleidung sträubte sich wie Haar vor Sengeglut. Einer köpfte Heidsiekflaschen und besprengte sich und eine Dame, der das Kleid schäumend am Leibe klebte. Das Parkett des Tanzbodens bäumte sich wie Hobelspäne. Auf dem Eis im Eispalaste hockten Angstverzerrte, neigten ihre Stirn zum Boden gleich betenden Moslim, zu fühlen das Gesicht, verbargen hustend, rauchvergiftet den Kopf, als ob der Samum wehe. Un

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »