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Der Herbstabend war zauberisch und noch so warm, daß die beiden Herren den Überzieher offen trugen und man darunter die weiße Hemdenbrust des Frades leuchten sah. Sie kamen von einem Diner, wo sie sich erst kennen gelernt.

Der Jüngere, mit goldeingefaßter Brille, die ihm etwas über seine Jahre Gesetztes verlieh, hörte dem älteren zu. Schon bei Tisch hatte jener die ganze Gesellschaft mit seinen unerschöpflichen Geschichten unterhalten, und noch immer ging, vielleicht gestachelt durch einige Gläser Champagner, seine Rede plätschernd weiter. Wenn er den spiz gehaltenen grauen Vollbart nach vorn strich, blitten seine Augen, und immer wieder fiel ihm etwas Neues ein aus dem Schaße eines reichen Lebens, in das er mit scharfen, aber nicht ungütigen Augen geblict.

Sie gingen die Promenade hinab unter einer Doppelreihe von Kastanienbäumen, die ihr Laub schon abgeworfen hatten. Der Mond schien durch die Äste und warf ein Gitterwerk von Schatten über den Weg. Kein Mensch war mehr zu sehen.

Da kam ihnen von weitem eine Frau entgegen, ein wenig gebeugt, einen Schal über den Schultern. Und sie sahen nun ein verhukeltes altes

Georg Freiherr von Ompteda, Der Venusberg.

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Gesicht, das aus bescheidener, ja fast dürftiger Kleidung herausschaute, mit ein paar noch immer schönen dunklen Augen.

Plötzlich blickte der Ältere hin, zog den Hut, und die alte Frau zeigte beim Gegengruß etwas von einer Dame. Als sie vorüber war, meinte der Jüngere:

,,Exzellenz, darf ich fragen, wer das ist ?" „Bitte! Ach Gott, von der könnte ich Ihnen auch Geschichten erzählen.“

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„Nun, nichts Schlimmes weiter, eher Trauriges! War die mal schön!"

Der Bebrillte machte ein ungläubiges Gesicht, so daß der mit Exzellenz Angeredete stehen blieb: ,,Wahrhaftig! Und zwar wie schön!" Der andere schüttelte den Kopf:

,,Das sollte man doch kaum glauben!"

„Na ja, 's ist 'ne Ecke schon her! Was es doch für Schicksale gibt und für verdrehte Menschen! Als Mädchen hatte sie wohl nichts gehabt, ich kann's aber nicht mit Bestimmtheit sagen. Sie heiratete dann einen reichen Industriellen, einen recht mäßigen Zeitgenossen, der nur einmal in seinem Leben Geschmack entwickelt hat, nämlich daß er starb. Nun war die hübsche junge Frau Witwe und im Besitz eines sehr erheblichen Vermögens. Ich erinnere mich, daß damals eine Menge hinter ihr her waren.

Nachdem sie das Trauerjahr verlebt, sehr zurüdgezogen, sehr passend, kam allmählich doch die Lebensfreude wieder über sie. Du lieber Himmel, sie war jung, schön und hatte Geld. Übrigens ließ sich ihr nicht das Geringste vorwerfen. Sie hielt auch sehr auf ihren Ruf, nur liebte sie es, in lustiger Gesellschaft, ganz unschuldig, einmal ab und zu einige Stunden zu verbringen. Kann man ihr das verdenken? Trübsal blasen, wo die Liebe doch nicht gar so arg gewesen war, wahrscheinlich allein der Wunsch, versorgt zu sein? Na, und so tauchte sie bald aus ihrer Zurückgezogenheit mehr und mehr ans Tageslicht. Befreundeten Ehepaaren folgte sie gern ins Theater, und ging dann mit ihnen soupieren. Nie mit Herren allein, es waren immer Damen dabei. Die Frau von diesem oder jenem.

Die Freude daran, abends auswärts zu essen, und zwar, wie es ihren Verhältnissen und auch denen der Bekannten ihres Mannes ja entsprach, in den allerersten Lokalen, hatte ihr,Seliger' ihr eigentlich erst beigebracht. Sie sette sozusagen nur die Tradition fort. Er war ein beleibter, materieller Kerl gewesen. Auch sie neigte nun ein wenig zum Wohlleben und zur Rundung, die ihr übrigens gut stand.

Ab und zu gab sie ihren Bekannten ein Souper, dessen Menu sie voll besonderer Sachkenntnis mit dem Oberfellner entworfen.

Da sie mehr Geld besaß als sie je unterbringen konnte, durften die Bekannten es gern von ihr annehmen. Diese kleinen Soupers pfleg= ten meistens in einem bestimmten Restaurant stattzufinden. Dort servierte ein junger Kellner, ein Mensch, bildhübsch, das Gesicht ein wenig weich, aber mit wundervoll geschwungener Nase, darunter jener bläuliche Bartschimmer Glattrasierter, der vielen Frauen gefällt, und mit prachtvollem schwarzen Lockenkopf. Besonderer Ausdrud leuchtete freilich nicht aus seinen Augen. Es schien, als habe der Körper sich auf Kosten des Gehirns entwickelt.

Dieser Mensch nun war, man muß es zugestehen, in seinem Beruf äußerst geschickt. Wenn er hereinkam, Teller, Gläser, Platten balancierend, so geschah das immer mit einer gewissen Gefällig= keit. Über die Köpfe hinweg schwang er voll natürlichen Anstandes die Schüsseln. Oft beschrieb er mit einem großen Brett auf der flachen Hand Bogen und Schleifen, ohne daß auch nur eine Speise sich auf dem Teller verschoben hätte oder ein Tropfen übergelaufen wäre. Dann ließ er mit einem kühnen Schwung was er trug aus der Luft niedergleiten und stellte es hin, ohne daß es klapperte oder flirrte. Auch beim Servieren ent= widelte der schöne Kerl eine großartige Geschicklichkeit, die Teller im Bogen hart an Kopf und Schultern des Danebensizenden vorbei darzureichen.

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