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Man traf dort die verschiedensten Menschen: es war, als empfehle es einer dem anderen. Man gab seine Karte ab und ging hin, so wie man etwa in einem Restaurant zu verkehren pflegt, erst gegen elf Uhr, nach Theaterschluß. Vorher hätte man wohl niemand angetroffen, wahrscheinlich nicht einmal die Wirte selbst.

Das Haus lag äußerst bequem in der Bellevuestraße. Man wußte nicht, was der Hausherr eigentlich war, er hatte eine schöne Wohnung, gute Manieren, es gab ausgezeichnete Verpflegung, und man traf immer interessante Menschen.

Doktor Kulm war zu Haus in allen Fakultäten, wo man nur anrührte. Er liebte Musik; es hieß, er spiele Geige, aber er ließ sich nie hören. Er interessierte sich für Plastik und Malerei; er kannte jedes gute Buch. Er wußte Dramatiker und Schauspieler zu beurteilen. Er war ein bebrillter, kleiner Mann, der mit jedem, der auf irgendeinem Gebiet etwas leistete, über sein Feld sprechen konnte und durch eine nie aufdringliche Schmeichelei die Geistesarbeiter für sich zu gewinnen wußte.

Malern und Bildhauern kaufte er etwas ab; Sängern und Schauspielern war er bequem, weil

sie bei ihm alle möglichen Leute trafen, die in Fühlung mit ihrer Kunst standen. Schriftsteller, erst im Kommen, bekamen einen Fuß in den Bügel, um vielleicht später einmal zu reiten.

Damen der oberen Kreise lernten dort Menschen kennen, die ihnen sonst nicht nahe gekommen wären. Offiziere, Juristen, Diplomaten durften in aller Ehrbarkeit mit einem weiblichen Mitglied einer Berliner Bühne flirten.

Es war jedem Geschmack Rechnung getragen. Ab und zu fragte wohl einmal jemand:,Wer ist eigentlich der Doktor Kulm? Die Antwort war immer: Ein sehr anständiger Mann, sehr liebenswürdig, sehr beliebt, und — und kolossal reich.'

Das schien den meisten die Hauptsache zu sein.. Es sprachen wohl einige von der ‚entsittlichenden Macht des Geldes', aber da sie selbst hingingen, mußten sie diese Macht augenscheinlich nicht für gefährlich halten. Andere wieder redeten von der ,nivellierenden Kraft des Reichtums'.

Jedenfalls waren diese Abende in der Bellevuestraße für die meisten Leute reizend, vielen ein Bedürfnis, manchem das Hübscheste in Berlin. Man konnte oft viele Menschen treffen, bisweilen wenige, und immer dauerten ein Verdienst der Hausfrau — die Abende nie länger als bis zwölf Uhr, es wurde selten halb eins.

So hatte sich die Sitte herausgebildet, daß eine Menge Leute, die auf einem Diner gewesen.

waren, in Konzert oder Theater, auf dem Rückwege vorsprachen, ja manchmal das Auto einfach warten ließen, um nachzusehen, wer da wäre, dann wieder verschwanden oder als lehte das gastliche Haus verließen.

Für manche jungen Leute bedeutete das eine Ersparnis. Wenn sie im Theater gewesen waren, wollten sie, ehe sie in ihr Junggesellenheim zurückkehrten, noch etwas genießen, da gingen sie einfach in die Bellevuestraße und bekamen besser zu essen und zu trinken als in den ersten Restau= rants, mit dem einzigen Unterschiede, daß es nichts fostete. Nicht einmal ein Trinkgeld, denn das war hier verpönt.

Die Hausfrau, eine jener blonden Frauen, deren Alter zu schätzen schwierig ist, war eine ge= borene Gräfin Degen. Ihre gräfliche Geburt wurde nicht erwähnt, und bei dem Teil der Besucher aus vornehmen Familien ward gerade dies Nichtprunkenwollen des Herrn Doktor Kulm mit der Herkunft seiner Frau angenehm empfunden.

Die anderen Damen fühlten sich neben ihr nicht als Sterne angesichts der Sonne. Keine war eifersüchtig auf diese immer gut, aber einfach gekleidete Frau, die trotz des großen Reichtums niemals Schmud anlegte.

Sie hielt die Leute zusammen. Sie kannte jeden Menschen; auch wenn sie ihn zum erstenmal wiedersah, wußte sie seine Familienverbindungen,

Georg Freiherr von Ompteda, Der Venusberg.

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seine Neigungen. Sie machte jeden Ankommenden in geschickter Weise darauf aufmerksam, der und jener hätte nach ihm gefragt, diese und jene wäre da.

Sie sorgte im richtigen Augenblick dafür, daß der Flügel geöffnet ward und ein berühmter Klaviervirtuose etwas vortrug, ganz nebenbei, nicht wie ein Konzert, so daß die Musikalischen ihre Freude hatten und die Unmusikalischen in anderen Räumen von Dingen sprechen konnten, die sie mehr interessierten.

Ich war hingekommen wie viele andere, indem mir ein Bekannter eines Tages sagte, als ich ihn nach dem,Tristan' aufgefordert hatte, irgendwo mit mir noch einen Bissen zu essen, er hätte versprochen, in die Bellevuestraße zu gehen.

Man sagte nämlich nie: ,Sind Sie heute abend bei Kulms?' sondern: Sind Sie heute abend in der Bellevuestraße ?"

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Er nahm mich mit, stellte mich vor, und am nächsten Tage -man wußte, das Paar in der Bellevuestraße war nicht zu Hause meine Karten ab.

gab ich

Als ich abends heimkam, war es mir, als hätte ich eine Entdeckung gemacht in einem unbekannten Lande. Ich sagte mir, sie soll eine Gräfin Degen sein? Die Familie kennst du doch gar nicht.

Im Grafenkalender fand ich die Angabe, daß die Degen österreichische Grafen aus dem acht

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