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Primitive Medizin.

Auf der Suche nach dem Ursprung einer Kulturerscheinung strebt der forschende Geist über die geschichtliche Zeit, welche zumeist schon einen Höhepunkt, nicht den Anfang der Entwicklung bezeichnet, hinaus und fragt nach dem Aeltesten, sei es auch nur in nebelhaften Fernen, in schwankenden Umrissen zu erspähen.

Bei der Medizin läßt sich, wenn auch dürftig, umso eher eine Rekonstruktion versuchen, weil, abgesehen von manchen direkten Ueberresten der grauen Vorzeit, nicht wenige „Ueberbleibsel" in der Sprache und den Gebräuchen der Gegenwart (Volksmedizin) erhalten sind, und die Beobachtung des eigenen Ich und der Mitmenschen so manchen Rückschluß gestattet; zudem finden alle diese Momente eine Beleuchtung durch die Heilkunde jener Volksstämme, welche auch in der Jetztzeit noch ein ähnliches Dasein wie der Urmensch führen (Naturvölker).

Rechnet man zur Medizin im weitesten Sinne schon jene zweckmäßigen Instinkthandlungen, welche zur Linderung des Schmerzes oder des Juckreizes dienen, und eigentlich eine Projektion der Naturheilkraft nach außen darstellen, dann reicht sie nicht nur bis in die Kindheit des Menschengeschlechts herab, sondern wir können sogar von einer Eigenmedizin der Tiere sprechen. Man weiß, daß Tiere sich in kaltem Wasser erfrischen, wenn sie erhitzt sind, daß sie die steifen Glieder an der Sonne wärmen, daß sie die quälenden Parasiten verjagen und vernichten 1). Katzen und Hunde belecken ihre Wunden; Hunde fressen Gras bei verdorbenem Magen, um Erbrechen zu erregen; sie gehen nach einem erlittenen Knochenbruch auf drei Beinen und halten das gebrochene derart, daß der Bruch ohne nennenswerte Verkürzung zur Heilung gelangt; Affen suchen das rinnende Blut durch Auflegen der Hand auf die Wunde zurückzuhalten und ziehen sich mit großer Geschicklichkeit Fremdkörper,

1) Auf Abwehr z. B. der Parasiten sind ursprünglich vielleicht manche Reflexvorgänge zurückzuführen, wie das Wischen, das noch beim dekapitierten Frosch beobachtet wird.

z. B. Dornen, aus. Die Eigenmedizin der Tiere bleibt übrigens nicht bei der Selbsthilfe stehen, sondern erweitert sich auch bisweilen zur Nächstenhilfe; diese kommt namentlich dann zur Erscheinung, wenn es sich um die Jungen handelt.

Außer diesen allgemein bekannten Beispielen haben in neuerer Zeit glaubwürdige Forscher eine Anzahl von höchst überraschenden Beobachtungen gesammelt, und manche der Fälle lassen sich sogar ohne Annahme einer freien, über den Instinkt weit hinausgehenden, Ueberlegung gar nicht verstehen. Fälle der Nächstenhilfe werden insbesondere bei solchen Tieren beobachtet, welche sozial leben, z. B. bei den Bienen oder den Ameisen, welch letztere ihre Verwundeten pflegen.

Griechische und römische Autoren überliefern eine Menge von Fabeln, wonach eine ganze Reihe von Heilverfahren und Heilmitteln Tieren zu danken wären. Beispielsweise wird erzählt, daß sich der ägyptische Ibis mit seinem Schnabel klistiere, daß sich das Flußpferd, wenn es sich überfressen hat, den scharfen Stumpf eines Rohres in eine Vene hineindrücke und so zu Ader lasse; Schwalben sollen zum Aufhellen trüber Augen den Saft des Schöllkrauts, Bären zur Behebung von Verdauungsstörungen die Blätter des Arum, Schildkröten als Gegenmittel gegen Schlangenbiß eine Origanumart gebrauchen, Hirsche heilen ihre Wunden durch Verzehren von Dictamnusblättern, Wiesel durch Verzehren von Rauten u. s. w.

In Indien, wo die bittere Wurzel der Ophiorrhiza mungo als vorzügliches Mittel gegen Schlangenbiß gilt, bezeichnen die Eingeborenen den kleinen Ichneumon als denjenigen, von welchem sie die Wirkung der Wurzel kennen gelernt hätten.

Auch für die Medizin des Menschen werden die eben angedeuteten primitiven Akte die Grundlage gebildet haben, und tagtäglich können wir bei Kindern oder Erwachsenen zweckmäßig wirkende Reflexaktionen und Heilinstinkte bemerken, wie das Kratzen, das Reiben oder Drücken, die instinktive Haltung oder Lageveränderung bei Schmerz, das Befeuchten der Wunden mit dem Speichel oder das Aussaugen derselben, das Anhauchen (Blasen) u. s. w. (Einige dieser primitiven Handlungen sind bekanntlich ausgebaut und in hohem Grade differenziert worden; so hat sich aus dem Reiben, Streichen und Kneten die Massage entwickelt.)

Gewisse einfache aktive Eingriffe, die schon sehr früh vorgenommen wurden, lassen bereits Spuren des zweckbewußten Intellekts erkennen, so z. B. das Herausziehen von Fremdkörpern (Dornen) aus der Haut mit den Fingern, das Auswaschen der Wunden, das Auflegen von kühlenden Blättern auf verletzte Stellen, das Beschmieren der Haut mit Lehm zum Schutz gegen Kälte und Insekten, das Wundkratzen (aus welchem das Skarifizieren entstand) u. s. w.

Interessant ist es, daß aus manchen medizinischen Eingriffen später Volkssitten hervorgingen, so z. B. aus dem Beschmieren der Haut mit Erde das Bemalen des Körpers, aus dem Wundkratzen und nachfolgendem Einreiben mit Erde oder Ruß (je nachdem der Schmerz gestillt oder gesteigert werden soll) das Tätowieren.

Neben der Hilfe, die sich die Stammesgenossen gegenseitig bei Verletzungen durch Verbinden der Wunden leisteten, sind manche Handgriffe zur Unterstützung der Gebärenden uralten Ursprungs, ebenso die Pflege des Kindes: hier ist das Weib der älteste Arzt und erhält sich in dieser Stellung auch bei den Kulturvölkern unendlich lange.

Den Beginn der eigentlichen Chirurgie markiert der Moment, da die Waffen der Kultur, die Werkzeuge des täglichen Gebrauchs, auch zu Heilzwecken verwendet wurden. Solche waren in der frühesten Epoche Feuersteinsplitter, Dornen, Holzsplitter, Muschelscherben, Fischgräten, spitze Knochenstücke, Zähne, Hornfragmente u. a. Mit solchen Hilfsmitteln konnte man Fremdkörper extrahieren, Abszesse eröffnen, skarifizieren, zu Ader lassen. Mit den Werkzeugen des täglichen Gebrauchs gingen auch die Fertigkeiten des gemeinen Lebens in die Heilkunst über, so z. B. wurde die Art, wie man zerbrochene Waffen wieder zusammenfügte, mustergültig für die primitive Behandlung der Beinbrüche. Die zufällig (z. B. in Kämpfen) gemachten Erfahrungen, daß gewisse Verletzungen nicht nur überstanden werden, sondern sogar manche Uebel zur Heilung bringen können, mögen die Idee für einige Eingriffe gegeben haben, und mit der Vervollkommnung der Werkzeuge in der Kupfer- und Bronzezeit wuchs die chirurgische Gewandtheit. Manche Stammesgenossen zeichneten sich wohl durch besondere Geschicklichkeit aus, und erwarben sich den Ruf als erfahrene, heilkundige Männer; allmählich wird sich aus ihren Nachkommen der Stand der ärztlichen Empiriker herausgebildet haben.

ein

Höchst überraschend wirkt die Tatsache, daß man sich erwiesenermaßen schon in der jüngeren Steinzeit an einen so schweren Eingriff, wie es die Trepanation des Schädels ist, heranwagte Phänomen, das allerdings durch die Operationslust und das chirurgische Können mancher der heutigen Naturvölker dem Verständnis näher gerückt wird.

Trepanierte Schädel aus der neolithischen Periode sind in den meisten Ländern Europas, in Algier, auf den Kanarischen Inseln, in Nordamerika, Mexiko, Peru und Argentinien aufgefunden worden.

Die gutübernarbten Trepanlöcher mancher dieser Schädel bezeugen es, daß die Operierten zuweilen sogar zwei- bis dreimal den schweren Eingriff überstanden haben. Die Knochenstücke wurden entweder Punkt für Punkt herausgemeißelt oder durch das bogenförmige Hin- und Herziehen eines scharfen Steininstruments (Feuersteinsäge) entfernt, vielleicht stellte man die Schädelöffnungen auch durch das Dünnschaben des Knochens mit einem Feuersteine her. Die Indikation für die Trepanation können möglicherweise wenn ein Rückschluß aus den Verhältnissen

heutiger Naturvölker gestattet ist Geisteskrankheiten gegeben haben.

Kopfschmerzen, Krampfleiden und

Ueberlebsel der vorhistorischen chirurgischen Technik erhielten sich noch lange auch im geschichtlichen Zeitalter, insoferne bei manchen Völkern gewisse altehrwürdige Operationen nur mit den Steinmessern gemacht werden durften, so z. B. die Leicheneröffnung vor dem Einbalsamieren bei den Aegyptern, die Beschneidung bei diesen und den Juden. Ebenso ist es bemerkenswert, daß längst, nachdem das Eisen zur Vorherrschaft im Alltagsleben gelangt war, die große Mehrzahl der chirurgischen Instrumente nicht aus diesem, sondern aus Bronze verfertigt wurde, wie die zahlreichen Funde auf dem Boden des römischen Reiches beweisen.

Zahlreiche Funde werfen ein Licht auf die Erkrankungen und Verletzungen des Knochensystems der neolithischen Menschen, so wurden unter anderem (auch fast ohne Deformität geheilte) Frakturen verschiedener Knochen, Verletzungen (durch Feuersteinpfeilspitzen), Ankylosen, entzündliche Prozesse, Karies, Nekrose, Rhachitis beschrieben; das gleiche gilt für die Bronzezeit, aus deren Gräberfeldern z. B. Fälle von Pfeilspitzenverletzungen, Arthritis deformans bekannt sind.

Ohne feste Wohnsitze, von wilden Tieren umlagert, allen Unbilden des Klimas und der Witterung preisgegeben, in steter Fehde lebend, nicht selten an Nahrungsmangel leidend und starrend von Schmutz, waren die rohen Jäger- und Fischervölker, abgesehen von Verletzungen verschiedenster Art, Insektenstichen, Parasiten, Geschwüren, Hautkrankheiten, Katarrhen, Entzündungen innerer Organe, Fiebern, Vergiftungen ausgesetzt.

Innere Leiden, die oft zu schwerem Siechtum führten, mußten der Naturheilkraft überlassen bleiben, bis allmählich aus manchen Nahrungs- und Genußmitteln und aus Giftpflanzen Arzneien wurden. Daß Zufall und Empirie schon in sehr frühen Epochen zur Kenntnis von Heilmitteln führte, kann mit Bestimmtheit vorausgesetzt werden, weil die Mythen 1) aller Völker auf Kenntnisse aus prähistorischer Zeit hindeuten, und weil wir alle Kulturvölker, sobald der erste Morgenstrahl der Geschichte auf sie fällt, ebenso wie die heutigen Naturvölker, im Besitze eines höchst ansehnlichen Heilschatzes finden. Der schöpferische Zufall und die verborgenen Wege, welche die, an einzelne Individualitäten gebundene medizinische Empirie einschlug, entziehen sich für immer der geschichtlichen Nachforschung umsomehr, als die mystische Denkweise des primitiven Menschen die Natur und das Leben beinahe völlig in den undurchdringlichen Schleier des Magischen einhüllt.

1) Vergl. z. B. die altbabylonische Izdubarsage, die äygptische Horusmythe, die Argonautensage u. a. Die Erkenntnis, daß das vorhandene medizinische Wissen nicht das Werk eines gewöhnlichen Sterblichen oder einer Generation sein könne, fand in der Herleitung der Medizin von Göttern (z. B. bei den Aegyptern und Indern) oder von mythischen Herrschern (z. B. bei den Chinesen) ihren Ausdruck.

Es würde zu weit führen, wollten wir an dieser Stelle die Weltanschauung des primitiven Menschen in ihrem Stufengang vom Fetischismus und Ahnenglauben zum Animismus und Polytheismus darlegen oder die höchst interessanten Wechselbeziehungen zwischen dem Dämonismus und der Medizin bis in die Einzelheiten verfolgen es genüge der Hinweis auf die psychologische Quelle und die Hauptformen des mystischen Denkens in der Heilkunst der Urzeit.

Nochmals sei nachdrücklichst betont, daß eine allerdings höchst dürftige Empirie die Grundlage des medizinischen Denkens bildete; auch für den Urmenschen war der kausale Zusammenhang in Fällen von Trauma (durch Biß, Stich, Hieb, Pfeilschuß etc.), in Fällen von Schmerz durch einen eingedrungenen Fremdkörper oder Parasiten vollkommen klar, ebenso verständlich erschien ihm der Tod infolge von schweren Verletzungen, Blutverlust, Hunger. Bei diesen Typen durchsichtiger Aetiologie konnte aber der Kausalitätstrieb nicht verharren, zwang doch schon der Schmerz und die Angst zum Nachdenken über die Ursachen auch solcher, oft plötzlich und unversehens hereinbrechender Krankheiten, für welche keiner der bekannten Anlässe vorlag. Die Not des Tages heischte nach Linderung; wo die Existenz des Lebens auf dem Spiele steht, drängt, wenn schon nicht der Erkenntnis-, so doch der Erhaltungstrieb ungestüm dazu, die Lösung des Rätsels zu versuchen. Die logische Schlußkette des primitiven Menschen die erste medizinische Theorie war bei dem ungemein kleinen Vorstellungskreise, der nur über das eigene Ich als Maß verfügte, sehr kurz. Dem primitiven Denken galt jeder Krankheitsfall, wo die Ursache nicht grob sinnlich wahrnehmbar war, wo Ursache und Wirkung einander nicht unmittelbar folgten. also die überwiegende Mehrzahl der Krankheiten, als Ausfluß eines stärkeren, bösen Willens, einer dämonischen Macht, und ebenso waren ihm z. B. Vergiftungen, wo anscheinend ein kolossales Mißverhältnis zwischen Wirkung und Ursache bestand, nichts anderes als - Zauber.

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Die Grundirrtümer, in welchen sich das medizinische Denken des primitiven Menschen bewegt, sind im wesentlichen dieselben, die sich in mancherlei Spielarten durch weite Strecken der Geschichte der Medizin verfolgen lassen. Sie sind darin gelegen, daß man alles, was die temporäre Erfahrung und Denkstufe übersteigt, kurzweg als übernatürlich und transzendental erklärt, daß man das Unbekannte in ein Persönliches (Ontologie) umwandelt, welches über den mechanischen Gesetzen des Naturgeschehens stehen soll (Animismus), daß man subjektiv Vorstellungen in Relation bringt, denen kein Zusammenhang der Objekte in der Realität entspricht. (Ein charakteristisches Beispiel für den letztgenannten logischen Fehler bildet folgender Schluß: Als die Jakuten während eines Ausbruchs der Pocken zum ersten Male ein Kamel

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