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wenn der Mensch es nicht in der Ehe zu der Verklärung seiner Individualität in einer andern bringt. Dies von der tragischen Seite her darzustellen, ist der Inhalt der Wahlverwandtschaften. Jene Mißheirathen find der Sieg der freien Individualität über die Standesvorurtheile, aber sie sollen erst eine Ehe begründen. Diese bedurfte daher ihre besondere Entwickelung für sich.

Die Wahlverwandtschaften.

Indem ich die schon früher im Allgemeinen angegebene Idee der Wahlverwandtschaften entwickeln will, sehe ich mich genöthigt, zuvor einige der Mißauffassungen derselben zu berühren, von denen fie noch immer nicht frei sind, obwohl Göthe selbst, Eckermann (in seinen Beiträgen zur Poesie 1824, S. 150 ff.), Göschel, Rötscher (in dem zweiten Heft seiner Abhandlungen zur Phis losophie der Kunst, Berlin 1838) und Boumann, in den Berliner Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik, durch eine Beurthei lung Rötschers, schon sehr viel für die richtigere Würdigung derselben gethan haben. Es ist sonderbar, daß man diesen Roman so oft gerade seiner Tendenz zuwider genommen hat. Tendenz ist jedoch nicht das rechte Wort, denn als Kunstwerk in sich selbst beruhend ist in ihm auch nicht eine Spur von der Absichtlichkeit, einen Gedanken besonders hervorzuheben. Das Lehrreiche macht sich in dem erschütternden Eindruck eben ganz von selbst, es wird aber nicht gesucht. Die Wahlverwandtschaften stellen uns ein tragisches Geschick dar, in dessen Entwicklung auch die unselige Verirrung eines sogenannten moralischen Ehebruchs fällt. Sollte man nun im Ernst meinen, aus diesem Vorkommen die Berechtigung zu solchem Gebahren sich entnehmen zu dürfen? Welche Conse quenzen würde es nach sich ziehen, wenn jeder Vorgang, den eine Dichtung schildert, sofort zur Legalisirung derselben, oder eines analogen Geschehens dienen sollte! Das Widersinnige eines solchen Probabilismus einsehend, meint man dann wohl, es sei vom Dichter die Leidenschaft zu hinreißend geschildert worden. Die Leidenschaft reißt den Menschen zu verkehrtem Thun, zu unsittlichem Beginnen

hin. Stellt der Dichter sie dar, kann er sie anders als eine Macht veranschaulichen, welche den Menschen beherrscht? Würde er sonst die Wahrheit schildern? Muß also auch hier das Nichtige des Einwandes zugegeben werden, muß man überdem einräumen, daß der Dichter alle Qualen, alle Kämpfe beschrieben hat, welche in der sittlich unberechtigten Leidenschaft liegen, so flüchtet man sich zulezt zu dem Bedauern, daß man doch jungen Leuten, namentlich jungen Mädchen, das Buch nicht wohl in die Hände geben könne. Dieses Bedauern ist eine Absurdität. Es ist schon gut, wenn junge Leute nicht Alles durcheinander lesen, wenn ihre Lectüre verständig geleitet, wenn ihre Weltanschauung in Betreff der ges schlechtlichen Verhältnisse nicht unzeitig verfrühet wird. daraus aber etwas Anderes folgen, als daß dieser Roman nicht unreifen Gemüthern anzuvertrauen sei? Allein den Fall gesezt, daß er ihnen, als ein Theil von Göthe's Werken, doch in die Hände fiele, so bin ich wenigstens überzeugt, daß er, bei der Fülle von Leben, die er enthält, bei der durchgreifenden ethischen Zartheit, die auch das Geringste in ihm zum höchsten Ernst verklärt, feinen Schaden thun und keine verworfenen Gelüfte erzeugen würde. Die Idee der Wahlverwandtschaften ist übrigens von Göthe nicht zuerst behandelt worden. In der Tristansage hat das Mittelalter sie bereits gehabt (s. meine Geschichte der deutschen Poesie im Mittelalter, 1830, S. 315 ff.), jedoch einseitig, indem Isold und Tristan, die einander durch den Zaubertrank d. h. eben durch die Magie der natürlichen Individualität einander angehören, nur dem durch sie getäuschten Marke und zwar kampflos gegenüber stehen. In der neueren Zeit hat George Sand in ihrem Jacques meisterhaft dies Thema aufgenommen, allein auch einseitig. Fernande und Octave stehen dem Jacques gegenüber; für ihn selbst fehlt das wahlverwandte Correlat. Sylvia deutet das Bedürfniß eines solchen an, ist es aber nicht. Im Verhältniß zur Tristansage ist hier der Fortschritt, daß Fernande und Octave lange mit sich selbst kämpfen, bis die Sophistik der Leidenschaft ihre Pflichttreue besiegt, und daß Jacques nicht blos der hintergangene schwache Mann, sondern der Held ist, der sich, als er Fernande begriffen hat, ihrem Glücke mit Bewußtsein opfert. Göthe steht poetisch und ethisch höher. Nicht nur hebt er die Einseitigkeit der Ver

wandtschaft auf und stellt also zwei Paare hin, sondern er läßt auch den Helden der tragischen Collision in sich selbst untergehen.

Daß die Wahlverwandtschaften das Wesen der Ehe darstellen, ist von uns schon früher dargethan. Es könnte hierbei die Forderung gemacht werden, ein Idealbild der Ehe ohne Schatten haben zu wollen, die Glückseligkeit eines Philemon und einer Baucis. Das wäre dann eine Idylle, kein tragischer Roman. Soll die Tiefe der Ehe vor Augen gelegt werden, so ist nothwendig, daß auch die negativen Mächte zur Anschauung kommen, die an ihrer Zerstörung arbeiten. Diese Nothwendigkeit habe ich 1835 in einer Abhandlung über die poetische Behandlung des Ehebruchs auseinandergeseßt, die später im ersten Bande meiner Studien abgedruckt ist und worauf ich, der Kürze wegen, hier verweisen kann. Nur indem mit der Wahrheit die Lüge, mit dem Ernst der Schein, mit dem Wesen das Unwesen sich darlegt, kann die Idee vollständig entwickelt werden. In der Ehe sollen die Gatten sich zu einer Einheit ineinander leben, welche, wie ihren Geist, so ihre Natürs lichkeit in fich begreift. Diese legtere, als der Träger ihrer Individualität, soll in dem Proceß der gemüthlichen Vertiefung ihrer Sprödigkeit sich entäußern. Sie ist der Grund, daß die Gatten sich gerade als diese lieben; weil sie sich aber lieben, so hebt fich alle Ausschließlichkeit des persönlichen Fürsichseins in der rückhaltlosen Hingabe an einander auf. Seßen wir nun aber den Fall, daß entweder von der einen oder gar von beiden Seiten die unmittelbare Sympathie der Individualität, der eigentliche Zug des Herzens, fehle, so ist die Ehe offenbar mangelhaft. Ihre Realität entspricht ihrem Begriffe nicht. Die Gatten können aber der Heiligkeit des gesetzlichen Bandes sich unterordnen und, obwohl persönlich der legten Befriedigung entbehrend, doch ein sittliches Genügen sich bereiten. Seßen wir aber weiter den Fall, daß nun an die Gatten, sei es, wie im Jacques, nur an den einen derselben, sei es, wie in Göthe's Wahlverwandtschaften, an beide diejenige Individualität herantrete, welche die für sie wahlverwandte, durch die Magie der Natur prädestinirte, die von Hause aus, von Ewigkeit her harmonische ist, so muß die Einheit der Ehe, die bis dahin als ein sittliches Vertrauen bestand, erschüttert werden, denn es muß die Versuchung sich erzeugen, dem Hange

des Herzens zu folgen. Nun muß es zum Kampfe kommen. Nun muß sich zeigen, wer den Sieg davon trägt, ob das göttliche oder menschliche Geseß. Nun müssen alle Tiefen des Gemüths erbeben. Nun müssen die Individuen alle Kraft zusammennehmen, nicht durch Nachgiebigkeit gegen die Naturmacht den Genius der Sittlichkeit zu verleßen und das Schicksal gegen sich herauszufordern,

Göthe stellt uns alle Stufen der Ehe dar. Eduard und Charlotte haben zuerst einer Convenienzheirath angehört. Beide sind von ihr durch den Tod befreiet worden. Nun glauben fie, mit ihrer Heirath das Rechte zu treffen, denn vor jener Ehe hatten sie sich von Jugend auf gewöhnt gehabt, sich als ein Paar zu betrachten. Aber sie irren sich. Ihre Ehe ist nur eine Ehe der Freundschaft, nicht der Liebe. Erst als sie verheirathet find, entwickelt sich in ihnen die Liebe. Allein nun ist es zu spät. Nun müßten sie ihre Ehe wieder auflösen und davor scheuen fie sich.

Göthe hat ferner alle Collisionen innerhalb der Ehe und ihre komödische wie tragische Auflösung dargestellt. Wenn ich sage, alle Collisionen, so ist das zu viel, insofern sie alle sich auf die Eine zurückführen, daß innerhalb der Ehe erst die Leidenschaft der Liebe zu einem Andern erwacht oder gar schon mithinübergenommen wird. Die komödische Auflösung der dadurch entstehenden Collifton ist der frivole Umgang der Lies benden, welche ihre wahre Ehe zur Schein ehe herabseßt und sich über solche Profanation mit gewissenlosem Leichtfinn fortseßt. Diese Unterwühlung der Ehe zeigen uns der Graf und die Baroneffe. Der Graf trägt alle die Theorieen vor, welche wir von den St. Simonisten und Andern als sogenannte Emancipation des Fleisches, als die Schöpfung des freien Weibes, haben vernehmen müssen. Charlotte fühlt sich durch die Antastung der Unauflöslichkeit der Ehe tief verlegt. Das Experimentiren mit der Ehe, ein zeitweiser Abschluß derselben auf fünf Jahre u. dgl. empören fie, besonders auch, weil diese Ansichten bei Tisch in Ots tiliens Gegenwart vorgetragen werden.

Die tragische Auflösung der Collision ist die Resignation. Diese selbst aber kann wieder eine doppelte Form annehmen. Einmal nämlich kann sie aus dem reinen Geiste der Sittlichkeit mit

freudiger Hingebung an die Nothwendigkeit des Gehorsams gegen das Gesez der Ehe entspringen. Dies ist der Fall bei Charlotten und dem Hauptmann. Obschon beide sich ihrer Neigung nach einander auf's Innigste anzugehören sich bekennen müssen, so ist doch ihr Kampf gegen ihre Leidenschaft rein und entschlossen. Bes sonders in Betreff Charlottens hat der Dichter die milde Hohheit eines sich selbst klaren sittlichen Willens unübertrefflich schon gezeichnet. Die andere Form der Entsagung ist nicht so rein, sondern entspringt aus dem Schuldbewußtsein. Nicht aus dem Bewußtsein eines sogenannten groben Bergehens, mit dessen Unterlassen gemeine Naturen fich trösten, sondern aus dem Bewußtsein, der Leidenschaft in sich selbst Raum gegeben und die Auflösung der bestehenden Ehe begünstigt zu haben. Dies ist der Fall von Ottilie und Eduard. Der leztere ist der Schuldigste. Er gewinnt deshalb auch keine rechte Versöhnung, keinen entschiedenen Muth der Entsagung, sondern stirbt der entsagenden Ottilie nach, insofern ihre Existenz die seinige bedingte.

Die Ehe ist erst durch die Kinder der Gatten vollendet, denn erst in ihnen erscheint die Liebe als eine Realität, wie die Sprache des gemeinen Lebens ganz richtig das Kind ein Pfand der Liebe nennt. Die Kinder einigen die Gatten auf das Stärkste. Was thun Eltern nicht der Kinder wegen! Welche Opfer bringen sie nicht ihrethalben, sich ihnen als Einheit erhalten zu können! Eduard und Charlotte find kinderlos. Aber in jener Nacht, als er vom Bilde Ottiliens, fie von dem des Hauptmanns erfüllt, fich vertraulich begegnen Eduard hat soeben den Grafen den Corridor hinab zur Baronesse geführt und also in seinem Hause den Ehebruch begünstigt - da entzündet sich unter Charlottens Herzen ein junges Leben! Gräßlich! Beide Gatten sind ja durch das Gesez zur süßesten Hingebung aneinander bes rechtigt. Diese Hingebung aber, die vollkommen legitime, ist dennoch nicht sittlich, denn in seinen Armen hat sie an den Hauptmann, in ihren Armen hat er an Ottilien gedacht. Im Moment der innigsten Entäußerung find fie einander auf das Tiefste entfremdet gewesen! Das ist nun der moralische Ehebruch. Göthe hat mit wenigen Zeilen, auf Einer Seite, die psychologische Motivirung der ganzen Scene mit der keuschesten

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