ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

reiche Sylbenpyramiden aufführt, aber dem geistigen Charakter der Prosa entspricht die rhythmische Absichtlichkeit nicht, und was dort Kunst ist, wird hier zur mißklingenden Künftelei. Ebenso sehr als der entschiedene Verscharakter, ist jener gesuchte oratorische Numerus zu vermeiden, der den mit Pauken und Trompeten einherfahrenden Perioden des Cicero abgelauscht ist, und bei dem sich noch zweifeln ließe, ob er nicht bloß etwas Imaginaires unserer Philologen und Grammatiker? Denn wenn man davon ausgeht, daß die Elision der Vocale ohne Zweifel auch in der lateinischen Prosa, wie in der heutigen italienischen, stattfand, da sie sonst nicht hätte zum Grundelement der Metrik gemacht werden können, so würden die ciceronianischen Perioden, mit elidirten Vocalen gelesen, in vielen Fällen den Numerus und Tonfall einbüßen oder abändern, der von unsern Theoretikern als rhetorischer Prägestock eines recht wohlerercirten Stils nur allzu oft gehandhabt

wurde.

Der Sinn für die Melodie des Sazes ist bei den deutschen Schriftstellern selten, zu ängstlich sind sie dagegen um den Wohlaut der Wörter bekümmert. Grimm sagt in der Grammatik (II, 610.) sehr richtig: Allgemeine Gefeße über Sprachwohl

laut sind ein Unding; wie viel ihm im Deutschen verstattet werden darf, sollte ordentlich untersucht werden." Das wilde Gestrüpp und Buschwerk der deutschen Wörterbildung erlaubt aber darin keine zu feinen Schmeicheleien des Ohrs, sondern fordert zur Gewöhnung an manche Klecksmalerei auf, in der sich freilich auch mehrere macchiatori der deutschen Prosa über alle Gränzen hinaus gehen lassen. Die Engländer, in der scharfkantigen, gebröckelten Einsylbigkeit ihrer Sprache, halten sich am wenigsten zu irgend einer Aufmerksamkeit für den Wohlklang verbunden, ihre besten Stilisten reihen ohne Sorge Wörter und Sylben dicht nebeneinander, die entweder durch Gleichlaut oder durch Wiederholung eine unangenehme Härte herbeiführen, aber keineswegs ihnen empfindlich scheinen. Dies entspringt aus der eigenthümlichen Accentuation der englischen Sprache, worin sich der Charakter dieses Volkes sehr nationalgetreu auslautet. Wilhelm von Humboldt bemerkt (in der Einleitung zu seinem Werke über die Kawi-Sprache S. 176.), daß der Betonungstrieb, oder der Drang, die intellectuelle Stärke des Gedankens weit über das Maaß des bloßen Bedürfnisses zu bezeichnen, im Englischen am allerstärksten vorhanden sei. So scheint die vorherrschende Nich

tung, durch den Accent im Ganzen eine scharfe und praktische Wirkung hervorzubringen, die Engländer stumpf und gleichgültig zu machen gegen die Beschaffenheit der einzelnen Sylben, ja oft gegen die Quantität derselben. Nur mit dem höchsten Unrecht" sagt Humboldt an der angeführten Stelle ,,würde man dies einem Mangel an Wohllautsgefühl zuschreiben. Es ist im Gegentheil nur die, mit dem Charakter der Nation zusammenhängende, intellectuelle Energie, bald die rasche Gedanken - Entschlossenheit, bald die ernste Feierlichkeit, welche das durch den Sinn hervorgehobene Element auch in der Aussprache über alle andern überwiegend zu bezeich= nen strebt. Aus der Verbindung dieser Eigenthümlichkeit mit den, oft in großer Reinheit und Schärfe aufgefaßten Wohllautsgesezen entspringt der in Absicht auf Betonung nnd Aussprache wahrhaft wundervolle englische Wortbau. Wäre das Bedürfniß starker und scharf nüancirter Betonung nicht so tief in dem englischen Charakter gegründet, so würde auch das Bedürfniß der öffentlichen Beredtsamkeit nicht zur Erklärung der großen Aufmerksamkeit hinreichen, welche auf diesen Theil der Sprache in England so sichtbar gewandt wird."

Sprachsauberer im Einzelnen sind jedoch die

Franzosen, die besonders mehrere gleichlautende Sylben neben einander für einen Schmuzfleck auf dem eleganten Rock ihrer Rede halten, den sie selbst dann gern verhüten, wenn es nur mit Beeinträchtigung und knapperer Bezeichnung des Gedankens geschehen kann, wie von Rousseau bekanntlich Madame Necker behauptete, daß er den römischen Senat bloß deßhalb cette assemblée de deux cents rois genannt, um das eigentlich richtige trois, das mit rois schlecht harmonirt hätte, zu vermeiden.*) Die deutsche Rede scheint darauf angewiesen, eine Mitte zwischen beiden Extremen zu halten, denn bei allem Reichthum von mannigfachem Laub und Zweigen, worin der deutsche Wörterwald ausschlägt, wird man ihn doch nie mit der Scheere so glatt und eben zurechtschneiden können, daß uns nicht immer einige rauhe Auswüchse, Wurzeln und Ruthen den Weg erschwerten. Dazu kommt, daß die französische Sprache leichter fertig wird mit ihren Bezeichnungen, leichtsinniger ihren Gedanken Genüge thut, während der deutsche Gedanke eine gewisse Unersättlichkeit besigt, sich auszudrücken und sich genug zu thun, für deren immer neu anseßende Wendungen und Verschlingungen un

*) Vgl. Jean Paul, Aesthetik, II. S. 723.

sere Sprache noch bei weitem nicht genug Wortnüancen ausgebildet hat. Besonders wo es darauf ankommt, den Gedanken für die Anschauung auszuprägen, geräth man leicht in die Verlegenheit, Wörter zu wiederholen, für die man eines nur anders gekleideten Doppelgängers bedürfte, oder man kann bei dem den Wörtervorrath überdrängenden Ges halt nicht Rücksicht nehmen, wenn sich Sylben und Laute zu einem Mißklang berühren. Nur einer Sprache, deren Wörtergewandtheit alle Schwere des Inhalts sogleich zerseßt und umschmilzt, werden reinliche Perlenstickereien in der Wortverbindung gelingen. In dem Gedankenconcept der Deutschen kommt es auf einige rauhe Noten nicht an.

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »