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XIV. Die Correctheit des Stils.

Mit der sogenannten Correctheit des Stils geht es wie mit der Tugend. Wo sie allzu absichtlich und bewußtvoll ihr Wesen treibt, wird sie zur Pedanterie und hat ihren Werth verloren, der in et was Geheimnißvollem und Unverdüfteten beruht. Ein gar zu correcter Stil gleicht dem französischen Gartengeschmack, der glatte Laubwände schneidet, aber keine Natur duldet. Man geht an den nach schönem Maaß gestuzten Bäumen vorüber, die geraden Linien der Wege entlang, und sucht den Wald, aus dem eine Pugstube geworden. Durch diese künstlichen, hochgezogenen Hecken dringt selbst der Sonnenstrahl nur in matten Schlagschatten, bei aller Regelmäßigkeit der Vertheilung ist die Beleuchtung schlecht, und die Perspective dürftig. Freies Gehölz mit bewegten Zweigen, worauf Drossel und Finke schlagen, sind unentbehrlich zum schönen Landschaftsbild, zu einem guten Stil.

Die Correctheit der Schreibart wird vornehmlich in zwei Dingen zum Fehler, einmal, wenn sie das Bestreben nach Deutlichkeit zu offenbar werden läßt, und das andere Mal, wenn sie in der Wahl

ihrer Bilder und Beiwörter zu ängstlich mit der Prosa der Wirklichkeit rechnet, sich immer auf das strenge Maaß derselben zurückführend.

Was die Deutlichkeit anbelangt, so soll man zwar mit der Absicht schreiben, nicht undeutlich zu sein, aber nicht mit der Absicht deutlich zu sein, sowie Quinctilian sagt: non ut intelligere possit, sed ne omnino possit non intelligere curandum; denn der Stil soll kein Interpret und Cicerone des Gedankens sein, sondern dieser selbst, und er darf nicht vorsätzlich noch hellere Lichter aufstecken, als die innere Beleuchtung und Deutlichkeit des Inhalts schon hat. Es wird aber manchen Deutschen ganz besonders schwer, deutlich zu schreiben, und unsere Eprache selbst wird durch manche ihrer Eigenthümlichkeiten gehindert, immer so klar das Ganze eines Gedankens auseinander zu legen, daß der Darstellung kein Zweifel mehr anhaften bliebe. Der Unsinn im Stil verdiente feine besondere Theorie, die ihm auch ein englischer Rhetoriker Georg Campbell (in seiner Philosophy of rhetoric) wirklich hat zu Theil werden lassen. *) Man kann aber den Unsinn vorzüglich herleiten, einmal aus der Ueberfülle der An

*) S. Rinne theoretische deutsche Stillehre, S. 243.

schauungen, die sich mit den grammatischen Verhältnissen des Sazes überworfen haben, und in die natürliche Gliederung des Gefüges sich nicht finden können; zweitens aus dem Mangel wahrer und richtiger Anschauungen, welche sich, um ihre Leere zu verdecken, in allerlei buntgepuzte und überladene Formen hineinretten, oder auch schon durch ihre innere Unklarheit eine formelle Verwirrung anrichten; drittens aus den grammatischen Zweideutigkeiten, welche der Genius der Sprache selbst als unumgänglich darbietet. Es giebt aber deutsche Autoren, welche von innen her ein dunkeles Naturell besigen und dasselbe auch durch ihren Stil nicht so zu durchleuchten verstehn, daß eine helle Spiegelung des Gedachten daraus hervorginge. Als den genialsten dieser Dunkelschreiber wollen wir Hamann nennen, bei dem man die Dunkelheit nicht als einen Vorwurf seiner Darstellung, sondern als das innerste Eigenthum seines Geistes betrachten muß, eine Dunkelheit, die der Nacht, gleicht, welche, in sich selbst verschleiert, alle Geheimnisse der Welt birgt, aber nicht verräth, den Einn in sich tragend, durch wunderbare Schatten und Dämmerstreifen ihn malend, im Sternenglanz ihn untertauchend, aber doch auch wieder tief ihn verhüllend.

Was die grammatische Dunkelheit der Schreib. art anbetrifft, so liegt diese in der Mehrdeutigkeit gewisser Sprachformen, welche namentlich im Deuts schen nicht die äußere Ausbildung erlangt haben, um dem Sinn, den sie ausdrücken wollen, das ihm gemäße unzweifelhafte Gepräge geben zu können. Hier entstehen Verlegenheiten des Stils, denen man so viel als möglich durch Umstellung oder Umschreibung aus dem Wege zu gehen sucht, die sich aber nicht immer, ohne allzu schwerfällig zu werden, beseitigen lassen. Dies beruht namentlich im Gebrauche der Pronomina, welche die feste Ausdrucksform, die sie in den alten Sprachen besigen, im Deutschen nicht darbieten, und darum oft den Sinn des ganzen Sazes verwaschen und zweideutig erscheinen lassen. Man nehme den Saz: „Die Liebe, welche der König zu seinem Minister hegte, war es vornehmIlch, welche seinen Sturz veranlaßte." Hier bleibt es unklar, wer gestürzt worden, ohne daß man den Gebrauch des possessiven Pronomen geradezu als schlecht bezeichnen könnte. Die persönlichen und relativen Pronomina bieten oft noch größere Mißstände dar, und machen, wenn man ganz correct schreiben will, Weitläufigkeiten nöthig. Zum Beispiel: „Er sagte seinem Freunde, er müsse auf der Stelle die

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Stadt verlassen," oder: „Der Thurm des Marktfleckens, welcher seit lange in der Geschichte eine Bedeutung hat." Hier müßte das Subject, welches in dem Pronomen steckt, besonders umschrieben werden, wenn es unzweifelhaft erkannt werden sollte. Andere Incorrectheiten entspringen aus den Adverbien, deren Beziehung zu dem Redetheil, welcher durch ihn bestimmt werden soll, nicht immer klar hervortritt, wozu in der Regel der Mangel an einer eigenthümlichen Adverbialform in unserer Sprache den Anlaß giebt. Solche Säße, wie: Er beschrieb die Gegend sehr reizend," wobei ungewiß bleibt, ob die Beschreibung oder die Gegend reizend gewesen, sind aber immer fehlerhaft zu nennen. Ebenso solche absolut gebrauchten Participialsäge, die, wenn man sie streng auf den ihnen grammatisch entsprechenden Redetheil beziehen wollte, eine Lächerlichkeit an den Tag bringen würden, wie in dem Saz im Göthe's Wilhelm Meister: In einem anständigen Bürgerhause erzogen, war Ordnung und Reinlichkeit sein Element," wo es den Anschein gewinnt, als wären Ordnung und Reinlichkeit in einem anständigen Bürgerhause erzogen. In einer Sprache, deren grammatische Gliederungen und Biegungen nicht mehr vollständig sind, darf man allerdings nicht zu streng

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