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den Zweideutigkeiten in der Darstellung nachspüren, doch muß auch stets der Sinn des Sazes seiner Würde gemäß davor bewahrt bleiben, nicht willkürlich herumgezerrt werden zu können. Dem geistigen Zusammenhang muß freilich auch immer vorbehalten bleiben, an der Verdeutlichung des durch den Saz auszudrückenden Gedankens sein Recht und seine Pflicht zu vollziehen. Der geistige Accent, welcher der grammatischen Unvollständigkeit einer Sprache zu Hülfe zu kommen vermag, findet in der Wortfolge, die er mehr oder weniger eigenthümlich bedingen wird, Spielraum, sich geltend zu machen. In der Wortfolge wirkt das logische und grammatische Element des Sages am entschiedensten gegen einander, und die einzelnen Redetheile, wo sie eine vorzugsweise Stellung erhalten, bekommen dadurch die geistige lebermacht des Gedankens, dem sie gehorchen. Diese geistige. Umkehrung der Wortfolge, die von großer Wirksamkeit sein kann, ist aber nur dann zu billigen, wenn sie wirklich aus der Nothwendigkeit des Gedankens hervorgeht. Alle Inversionen aber, die bloß aus einer formellen Affectation entspringen, wie sie früher in den rhetorischen Stilkünfteleien so üblich waren, sind tadelnswerth, und müssen in der ächten gedankengemäßen Schreibart streng vermieden werden. Ebenso

ist es eines guten Stils unwürdig, wenn er den gei stigen Accent, der seine Saßgefüge verdeutlichen soll, nicht anders geltend zu machen versteht, als durch Unterstreichen derjenigen Redetheile, die in besonderer Bedeutung auftreten sollen.

Die Correctheit der Beiwörter, besonders was das bildliche Element daran betrifft, läßt sich schwieriger abfertigen oder bestimmen. Die Beiwör ter sind die Farbengebung der Diction, aber zugleich die Blüthensize für die schaffende Productivität des Stils. Sie sind verwerflich, wenn sie bloß der Verschönerung oder Verzierung wegen dastehen, und nicht durch das Hauptwort nothwendig werden, dem bloßen ästhetischen Müßiggang der Rede angehörend: in welcher Weise freilich viele Schriftsteller sich mit. Goldblech und Flittern behängen, und worin die so= genannte poetisirende Prosa, die nicht die wahre poetische ist, ihren Kostenaufwand bestreitet. Diejenigen Beiwörter aber, welche wesentlich die Zustände des Hauptworts malen, gewissermaßen die prismatische Ausstrahlung seines Begriffs, dürfen wohl allen Farbenschimmer und Bilderglanz, der nur immer in die Tonart des darzustellenden Gedankens hineinpaßt, alsdann in Anspruch nehmen, und keine Poesie des Gegenstandes mag ihnen, mit dem eigenthümli

chen Maaß, worin der Meister des Stils seine feinste Kunst verräth, auszudrücken gewehrt sein. Ihre Correctheit ist in der Richtigkeit der Bilder allerdings wünschenswerth, aber nicht zu übertreiben, da jedes Bild, wenn man es zu genau in seine Bestandtheile und Beziehungen zerlegt, am Ende aufhört richtig zu sein. Für den Verstand werden sich immer auch bei den besten Schriftstellern Katachresen auffinden lassen, doch fragt sich, ob z. B. laute Thränen weinen, als eine Katachrese zu mißbilligen sei? Nach strengster Wirklichkeit giebt es allerdings keine lauten Thränen, da der Tropfe im Auge keinen Ton hat, aber doch ließe sich das Beiwort vollkommen vertheidigen, insofern die ganze Anschauung, in weiterer Ergänzung des Bildes, richtig ist. Hier würde man die freie Beweglichkeit des Stils sehr beeinträchtigen, wollte man ihn zu einer pedantischen Umschreibung statt des prägnant andeutenden Beiworts nöthigen. Mit der grammatischen Correctheit im Gebrauch der Adjectiven sieht es in allen Sprachen schlecht aus, und die Grammatiker müssen sich entschließen, dem productiven Bedürfnisse des Stils allen Spielraum zu lassen. Wenn König Lear von den Fürsten Frankreichs und Burgund sagt (1 Akt, 1 Sc.): Long in our court have made their

amorous sojourn, so ist auch im Deutschen ein verliebter Aufenthalt eigentlich eine Katachrese, da der Aufenthalt selbst nie verliebt sein kann, sondern nur aus Verliebtheit gemacht wird; aber diese grammatische Zerseßung würde Niemand für eine preiswürdige Correctheit halten, noch weniger zur Veranschaulichung des Sinnes, die in jenen beiden Wörtern sehr treffend ist, ihrer bedürfen. Aehnliches wäre an häufig vorkommenden Ausdrücken, wie verliebte Grillen, bedrückte Zeiten, u.dgl. m., jeden Augenblick auszusehen und zu vertheidigen. Berühmt ist die wohlschlafende Nacht, die man sich in manchen Provinzen wünscht, und die zwar grammatisch leicht anzugreifen, aber nichtsdestoweni ger dem Sinne nach wohl zu rechtfertigen wäre. Die Nacht ist gewissermaßen der Inbegriff und Sammelpunkt aller Schlafenden, die Nacht mit ihrem Ruhegebot und Alles beengenden, lösenden und einhüllenden Frieden, ist der Schlaf selbst, das Collectivbild des Schlummers, die athmende Vergessenheit der Müden. Eine schlafende Nacht kann man sehr gut sich denken und sagen, und daher auch eine wohlschlafende sich wünschen, die im Dialekt anmuthiger Lippen oft ganz lieblich klingt und wirkt. Dagegen muß wohl die vorhabende Spazierfahrt,

die sich Schiller einmal in seinem Geisterseher beikommen ließ, vor der gerechten Mißbilligung der Grammatiker sich zerschlagen.

In der Wahl der Beiwörter sind die bildlichen mehr aufzusuchen, als die abstracten, denn die bilderstürmerische Correctheit der Schreibart hat immer nur graue Regenwolken des Stils und Canzlei- und Compendiensprache erzeugt. Die Beiwörter müssen das schöne feste Fleisch des Sazes, das Blühende und Jugendliche an ihm, sein, aber nicht die fahle Runzel des reflectirten Nachdenkens über sich selbst, der welkmachenden Abstraction. Jean Paul, ein großer Poet der Beiwörter, fagt in seiner Aesthetik sehr bezeichnend:,,die Beiwörter, die rechten und sinnlichen, sind Gaben des Genius; nur in dessen Geisterstunde und Geistertage fällt ihre Säe- und Blüthenzeit. Wer ein solches Wort erst sucht, findet es schwerlich. Hier stehen Goethe und Herder voran, auch den Deutschen, nicht nur den Engländern, welche jede Sonne mit einem Umhange von beiwörtlichen Nebensonnen und Sonnenhöfen verstärken. Herder sagt: das dicke Theben der gebückte Sklave das dunkle Getümmel ziehender Barbaren 2. Goethe sagt: Die Liebes- Augen der Blumen — der silberprangende Fluß der. Liebe stockende Schmer

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