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Schriftsteller war eine scheckige Musterkarte aller der Elemente, welche die Zeit zu verdauen hatte, und trug das Gepräge einer wunderlichen Mosaikarbeit an sich. Albrecht von Eybe geräth, bei seiner einfachen Naivetät, doch oft von dem Hundertsten ins Tausendste, bald fällt er in den Ton einer luftigen Schnurre, wo er die ernsthaftesten Anstalten zu Moralbetrachtungen zu machen scheint, bald richtet er ein wahres Marktgetümmel von Citaten aller heidnischen und christlichen Autoren an. Noch ausgebildeter zeigt sich dieser burleske Mischcharakter des funfzehnten Jahrhunderts in dem Doctor der Theo, logie, Johann Geiler von Kaisersberg, diesem merkwürdigen Prediger, der seine Terte, statt aus der Bibel, aus dem Narrenschiff seines Freundes Sebastian Brand wählte. Die hundertundzehn Predigten, die er im Jahre 1498 zu Straßburg über das Narrenschiff hielt, sind als Denkmäler der Sprache wie der Zeitgesinnung gleich sehr zu bes trachten. Sie sind die originellste Mischung von freimüthiger Opposition, gewaltiger Redekraft, cynischer Ungebundenheit, moralischer Würde und einer Satire, die zwar das Schmuzigste sich nicht zu bes rühren scheut, aber doch fast immer eine gewisse innere Erhebung verbreitet. Seine heftige Opposition

gegen das Mönchswesen ist in diesem Zeitalter, an der Schwelle der Reformation, merkwürdig. Als Eittenprediger schwingt er über die Thorheiten der Welt eine unerbittliche Geißel, die freilich durch die komische Miene und den scurrilen Wiß, womit ste gehandhabt wird, für uns wenigstens meistentheils ihren bittern Stachel verliert. Bei Sebastian Brand findet sich folgende Stelle über die Modenarrheiten der Weiber in jenem Zeitalter:

Die Töchtern tragend ouch hezt das,
Was etwan Dirnen schändlich was,
Wyt ausgeschnidten Schuh, Schuben, Röck,
Das man die Milchsäck uit bedeck.

Wickelnd vyl Hudeln in die Zöpf,
Groß Hörner machends auf die Köpf,
Als ob es wär ein wilden Stier,
Gahnd grad daher wie wilde Thier,
Werfend die Ougen hin und her,
Lachen, gaffen alle Winkel an,
Und thut eins umbs ander traben,
Damit verführens die Knaben,
Die she grüßen vnd gaffen an.

Diesen weiberfeindlichen Tert hat Geiler von Kaisersberg folgendermaßen in seinen Predigten commentirt:,,Die dritte Schell der selzam Narren ist das Haar zieren, geel, krauslicht und lang machen, auch fremdes Haar der Abgestorbenen unter ihres vermischen unb dasselbig zum Schauspiel aufmußen.

Es ziehn die Weiber jezund daher wie die Mannen und hencken das Haar dahinden ab bis auf die Hüft, mit aufgefeßten Paretlin und Hütlin gleichwie die Mannen. Die Weiber ziehn in ihren Schleyern daher und haben sie aufgesprinzt neben mit zwo Ekken oder Spizen, gleich einem Ochßenkopf mit den Hörnern.“

Solche Sprache der Kanzel, denn auf dieser wurden Geiler's Predigten über das Narrenschiff wirklich gehalten, tönte originell genug, und war dem Volksgeist durchaus angemessen. Neber weltliche Gegenstände, ohne eigentlichen Bibeltert, zu predigen, war überhaupt nichts Ungewöhnliches in damaliger Zeit; der burleske Ton Geiler's aber sagte dém ge= funden, humoristischen Kern des Volkes zu und hatte eine außerordentliche populaire Wirksamkeit. Die mystische Andacht sezte sich in diese volksthümlichen und weltlichen Töne um, und die Erbauung nahm, unbeschadet der Frömmigkeit, die gewiß sehr ernstlich war im Herzen der Nation, ein fröhliches Wesen an. Von der Ursprünglichkeit der deutschen Prosa Geis ler's gilt dasselbe, was von Tauler. Zwar sind doppelte Terte von den Narrenpredigten vorhanden, der lateinische, den Jacob Other, sein Schüler, herausgegeben, und die älteste deutsche Uebersezung von

dem Franziskanermönch Johannes Pauli, die im Jahr 1520 verbreitet wurde. Doch hat sie Geiler auf der Kanzel deutsch gehalten, und die ihm eigenthümliche Diction ist gewiß aus seinem Munde in die Ueberseßung übergegangen. Zu seinen Predigten über das Narrenschiff gab Geiler auch ein Gegenstück „das Schiff der Penitenz und Bußwürkung" (lat. 1512, deutsch: Augsburg 1514) wie viele andere Predigtsammlungen und Erbauungsschriften, das ,,Buch Granatapfel" (Strasburg 1510) und die ,,Christliche Pilgerschaft zum ewigen Vaterland," heraus, welche lettere Jacob Other 1512 nach Geis ler's Tode aus dessen Handschriften drucken ließ.

Das funfzehnte Jahrhundert war das Jahrhundert der Vorbereitungen. Eine Menge weltlicher Anregungen stürmte unwiderstehlich auf das deutsche Gemüth ein, um eine neue Zeit aus neuen Elementen in ihm hervorzurufen. Diese ungeahneten Hebel der Weltgeschichte waren die Buchdruckerkunst. die Erfindung des Compasses, eine neue transatlantische Welt, die der neuen gegenüber urplöglich erstanden; ferner das Schießpulver, die erwachenden Naturwissenschaften, und die Besignahme Konstantinopels durch die Türken, welche gelehrte Griechen nach Italien und Deutschland auswandern machte,

um dort die Ueberlieferungen eines vor allen bevorgugten Weltalters, die Geister antiker Kunst und Wissenschaft, sich wieder des Lebens bemächtigen zu lassen.

Dies brachte nach allen Seiten eine praktische Regsamkeit, eine Bewegung in allen Verhältnissen, hervor. Während Handels- und Kriegsschiffe die Meere durchschnitten, um Völker und Welttheile zu verbinden, stellte die Presse noch wunderbarere Mächte der geistigen Communication, wirkend mit der Schnelligkeit des Gedankens, ins Feld. Die Drucke des classischen Alterthums, die Uebertragungen griechischer und römischer Schriftsteller, besonders des Aristoteles, Cicero, Sallust, Terenz, Ovid, und die vorlutherischen Bibelübersehungen, waren das erste und wichtichste Debüt dieser neuen magischen Kunst. Auch Uebersehungen des Boccaccio, der philosophischen Schriften des Petrarcha, wurden schon im funfzehnten Jahrhundert gedruckt. Die bedeutendsten Ueberseßer dieser Zeit sind Dietrich von Pleningen, Hans von Dalberg, Willibald Pirkheimer (Uebersehung des Isokrates an Demonikus, Augsburg 1519) Albrecht von Eybe selbst, hinter dessen „Spiegel der Sitten" (Meg 1500) sich einige verdienstvolle Uebersezingen, unter Anderm von Schauspielen des Plautus, beffin

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