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prosaisch oder vielmehr vergeistigt geworden, daß sie nur den Gedanken ausdrücken, ihr bildliches Gepräge aber sich gänzlich für uns verwischt hat; während noch Leibniz das Bildliche solcher Wörter, wie einfließen, ausfließen, abhängen, hafe ten, so lebhaft zu empfinden schien, daß er ihren Gebrauch, als für den philosophischen Stil zu tropisch, selbst in lateinischer Rede den Scholastikern zum Vorwurf machte und für Affectation anrechnete*). In der neuesten Zeit hat vornehmlich Graff bei Gelegenheit seines Althochdeutschen Sprachschazes auf das bildliche Element der deutschen Wörter zurückgewiesen, denn bildlich muß man fast immer den Eindruck nennen, den man durch die Auseinanderlegungen der Etymologie empfängt. Aber dieser Sprachforscher, der damit seinem großartigen Werke ohne Zweifel nur eine populaire Seite der Nuzbarkeit nachweisen wollte, hat eine zu starke Wichtigkeit darauf gelegt, daß wir wieder in die ursprüngliche Bedeutung unserer Wörter zurückverseßt würden. Im Grunde werden wir doch für das Leben und die Production wenig damit anzufangen

*) in seiner Abhandlung de stilo philosophico p. 51. (Leibnitii Opera, ed. Lud. Dutens, Tom. VI.)

wissen, wenn es uns auch immer gegenwärtig bleibt, daß Kind von der alten Wurzel chin, daß Leichnam, aus lih, Körper, und ham, Bedeckung, Hülle, das fleischliche, leibliche Kleid bedeutet, daß Getraide in seiner alten Form gitragidi lautend, die Wurzel tragan, tragen, hat*) u. s. w, Das unbestreitbare Interesse hiebei ist das der wissenschaftlichen Forschung selbst, aber den Wörtern kann dadurch nicht, wie Graff begeistert träumt, ,,ihre Seele wieder zugeführt", noch unserer zu einer todten Zeichenmasse erstarrten Sprache die Frische ihrer jugendlichen Lebensfülle, die Kraft des lebendigen Eindrucks" von Neuem zurückgegeben werden. Dies beruht vielmehr auf einer unrichtigen oder widergeschichtlichen Ansicht. Die Wörter können auf gebildeter Culturstufe des Geschlechts allerdings nur als Zeichen- und Mimenspiel des Gedankens gelten. Die sinnliche Malerei tritt aus dem einzelnen Wort in die Bedeutung des ganzen Sages über, der solche Eindrücke, wenn sie in der Intention liegen, darstellbar zu machen hat, und in dieser Periode erst gliedert sich eine Sprache am

*) Graff's Althochdeutscher Sprachschaß, Bd. I. S. III. IV. fg.

freiesten in kunstvolle Darstellung, vornehmlich in das dialektische Sazgefüge der Profa. Wenn die Entwickelungsgeschichte die Quellen der Sprache verschüttet, so muß sie ihren guten Grund dazu haben, und die gelehrten Wiederaufgrabungen müssen, bei allen ruhmwürdigen Erfolgen, doch auf den verzichten, am Leben selbst etwas durch ihre Resultate zu ändern. Ist die Bedeutsamkeit des Wortes untergegangen, so beginnt dafür die Bedeutsamkeit des Sazes. Bei allem etymologischen Gedächtniß, das uns doch am Ende mehr peinigen als begeistern möchte, würde es schlechterdings unmöglich fallen, uns redend und gedankenmittheilend bei der ursprünglichen Bedeutung der Wörter aufzuhalten, sollten auch die sinnreichsten Beziehungen dabei ins Spiel treten können. Niemand verdaut nach einem Handbuch der Physiologie, oder ist, wenn er sie auch noch so genau kennt, der Organe in dem Augenblick sich bewußt, wo er sie zur besten Vollbringung dieses Prozesses anwendet. Sv wird auch die organische Selbstständigkeit der Wörter ignorirt, und kein etymologischer Geisterbeschwörer vermag ihnen die selbsteigene Seele zurückzugeben, die sie an das Allgemeine des Sages verloren haben. Leibniz sagt sehr treffend in seinen

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,,Unvorgreifflichen Gedanken" c. § 5 u. 6: ,,Gleichwie man in großen Handelsstädten, auch im Spiel und sonsten, nicht allezeit Geld zahlet, sondern sich an dessen Statt der Zeddel oder Marken bis zur lezten Abrechnung oder Zahlung bedienet; also thut auch der Verstand mit den Bildnissen der Dinge, zumal wenn er viel zu denken hat, daß er nehmlich Zeichen dafür brauchet, damit er nicht nöthig habe, die Sache jedesmal, so oft sie vorkommt, von Neuem zu bedenken. Und gleichwie ein Rechenmeister, der keine Zahl schreiben wollte, deren Halt er nicht zugleich bedächte, und gleichsam an den Fingern abzählte, wie man die Uhr zählet, nimmer mit der Rechnung fertig werden würde: Also wenn man im Reden und auch selbst im Gedanken kein Wort sprechen wollte, ohne sich ein eigentliches Bildniß von dessen Bedeutung zu machen, würde man überaus langsam sprechen, oder vielmehr verstummen müssen, auch den Lauf der Gedanken nothwendig hemmen, und also im Reden und Denken nicht weit kommen.“

VI. Wirksamkeit der Akademieen für die

Sprache.

Die Sprache einem grammatischen Ideal zuzuführen, oder, wie es bei uns der Fall wäre, zu ihm zurückzuführen, ist immer ein um so mißlicheres Beginnen, da, wie wir angedeutet haben, der productive geistige Fortgang des Menschengeschlechts dabei in Conflict tritt. Das Institut der Akademieen, das man auch als geseßgebende Versammlung für die Sprache vielfältig aufzubieten geneigt war, könnte nur dann erst solche Wirksamkeit einigermaßen behaupten, wenn es auch den sich fortbewegenden Inhalt einer Nation zu beherrschen und an bestimmte Gefeße zu binden vermöchte. Der Verlust der sinnlichen Lebensstärke einer Sprache ist aber nichts als die Uebergewalt des Gedankens, der sich seiner ursprünglichen Einheit mit der Sprache insofern wieder bemächtigt, als er dieselbe ganz in den Inhalt aufgehen macht und in die geistigen Combinationen desselben untertaucht. An die Stelle des grammatischen Sprachinteresses tritt das Interesse der Darstellung.

Man hat in neuester Zeit die Frage der Akademieen wieder angeregt, vornehmlich zur Einwir

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